Leitsatz (amtlich)
1. Ein Erwerbsunfähiger, der durch einen ihm zu Lebzeiten zugestellten Berichtigungsbescheid seinen Anspruch auf Rente verloren hat, ist nicht mehr Beschädigter iS des BVG § 48 Abs 1, auch wenn ihm aufgrund einer Schutzvorschrift die Erwerbsunfähigkeitsrente noch für den Todesmonat - den auf die Zustellung des Bescheides folgenden Monat - gezahlt wird.
2. Hat ein Beschädigter den Anspruch auf die Rente eines Erwerbsunfähigen durch Erteilung eines Berichtigungsbescheides verloren, so liegt ein Bezug iS des BVG § 48 Abs 1 nicht mehr vor, wenn die Rente nach Zustellung des Berichtigungsbescheides lediglich aufgrund einer Schutzvorschrift noch für die Dauer eines Monats weitergewährt wird (Fortsetzung BSG 1958-03-27 8 RV 739/55 = BSGE 7, 108).
Leitsatz (redaktionell)
Der Anspruch auf Hinterbliebenenbeihilfe nach BVG § 48 Abs 1 setzt nicht voraus, daß der Beschädigte erst nach dem 1950-09-30 gestorben ist.
Hinterbliebenenbeihilfe kann auch dann gewährt werden, wenn die Rente eines Erwerbsunfähigen oder Pflegezulage einem Beschädigten zu seinen Lebzeiten nicht mehr ausgezahlt, aber nach seinem Ableben, sei es auf einen noch von ihm gestellten Antrag durch einen rechtswirksamen Bescheid, sei es im sozialgerichtlichen Verfahren durch ein rechtskräftiges Urteil, zugesprochen worden ist; denn der - wenn auch erst nach dem Ableben festgestellte - Anspruch auf die Erwerbsunfähigkeitsrente oder auf die Pflegezulage im Zeitpunkt des Todes ist grundsätzlich die rechtliche Grundlage für den Anspruch der Hinterbliebenen auf Beihilfe nach BVG § 48 Abs 1, wenn der Tod nicht die Folge einer Schädigung ist.
Normenkette
BVG § 48 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27
Tenor
Die Revision der Klägerin zu 1) gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen in Essen vom 1. Dezember 1960 wird zurückgewiesen.
Die Revision der Klägerin zu 2) hat sich erledigt.
Im Rechtsstreit der Klägerin zu 1) sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten; der Klägerin zu 2) hat der Beklagte die dieser entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Ehemann und Vater der Klägerinnen, Leonhard A, bezog zunächst nach den Vorschriften des Wehrmachtfürsorge- und -versorgungsgesetzes (WfVG) wegen "mittelschwerer Zuckerharnruhr" als Wehrdienstbeschädigung Versehrtengeld der Stufe I. Nach vorübergehendem Wegfall der Versorgungsbezüge infolge des Zusammenbruchs im Jahre 1945 bewilligte ihm die Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz mit Benachrichtigung vom 8. März 1949 wegen "mittelschwerer Zuckerharnruhr" als Gesundheitsstörung im Sinne der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 (SVD 27) vom 1. August 1947 an eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H. Auf Grund des Antrags des Leonhard A vom 29. Juni 1949 auf Erhöhung seiner Versorgungsbezüge wegen Verschlimmerung seines anerkannten Leidens kam der untersuchende Arzt der LVA zu dem Ergebnis, daß die bestehende Zuckerharnruhr lediglich in zeitlichem, aber unzweifelhaft nicht in ursächlichem Zusammenhang mit dem geleisteten Wehrdienst stehe. Die LVA erteilte daraufhin den Bescheid vom 1. Dezember 1949, mit dem sie die bis dahin gewährte Rente entzog, weil die Zuckerharnruhr in keinem Ursachenzusammenhang mit Kriegseinwirkungen oder militärischem Dienst stehe; in Anwendung des damals für Fälle dieser Art geltenden § 610 der Reichsversicherungsordnung (RVO) wurde die Rente bis zum 31. Januar 1950, d. h. bis zum Ablauf des auf die Zustellung des Bescheides folgenden Monats, belassen. Gegen diesen Bescheid legte der Ehemann und Vater der Klägerinnen am 13. Dezember 1949 Einspruch ein, er verstarb bald darauf am 8. Januar 1950. Der Einspruch wurde durch Entscheidung des Beschwerdeausschusses I bei der LVA vom 31. Oktober 1950 zurückgewiesen.
Auf die dagegen von der Klägerin zu 1) als Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes eingelegte Berufung verurteilte das Oberversicherungsamt (OVA) Düsseldorf mit Urteil vom 14. Februar 1952 den Fiskus, vertreten durch das Landesversorgungsamt (LVersorgA) Nordrhein, für die Zeit vom 1. Juli 1949 bis 31. Januar 1950 dem Grunde nach, eine Rente nach einer MdE um 100 v. H. zu zahlen. Der angefochtene Bescheid sei zu Recht darauf gestützt worden, daß die Zuckerharnruhr nicht Schädigungsfolge sei. Die Verwaltungsbehörde sei deshalb nach Ziffer 26 der Sozialversicherungsanordnung Nr. 11 (SVA 11) auch berechtigt gewesen, die Benachrichtigung vom 8. März 1949 zurückzunehmen. Wenn jedoch - in Anwendung des § 610 RVO - die Rente bis zum 31. Januar 1950 belassen worden sei, so müsse sie auch in der Höhe gezahlt werden, in der durch die Zuckerharnruhr die Erwerbsfähigkeit des Verstorbenen beeinträchtigt gewesen sei. Dies sei zu 100 v. H. der Fall gewesen, da die Zuckerharnruhr auch eine bestehende Tuberkulose gefördert habe. Die vom Beklagten gegen dieses Urteil eingelegte Berufung (Rekurs) wurde vom Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 26. November 1956 als unzulässig verworfen.
Am 23. Januar 1950 beantragten die Klägerinnen, ihnen aus Anlaß des Ablebens ihres Ehemannes und Vaters Hinterbliebenenrente zu gewähren. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 24. Februar 1953 abgelehnt, weil der Tod nicht mit wehrdienstlichen Einflüssen im Ursachenzusammenhang stehe; er sei die Folge einer Lungentuberkulose bei gleichzeitigem zerfallendem Carcinom des Zungengrundes. Mit dem gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch machten die Klägerinnen weiterhin ihren Anspruch auf Witwen- und Waisenrente geltend, gleichzeitig führten sie aus, daß ihnen mindestens eine Witwen- und Waisenbeihilfe zustehe, weil der Verstorbene bis zu seinem Tode die Rente eines Erwerbsunfähigen bezogen habe. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 1954 zurückgewiesen, weil weder die Voraussetzungen für die Gewährung von Witwen- und Waisenrente noch für die Gewährung von Witwen- und Waisenbeihilfe gegeben seien.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf haben die Klägerinnen in der letzten mündlichen Verhandlung am 16. Juli 1957 ihr Klagebegehren auf die geltend gemachte Witwen- und Waisenbeihilfe beschränkt und beantragt, der Klägerin zu 1) die Witwenbeihilfe in gesetzlicher Höhe gemäß § 48 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), beginnend mit dem 1. Oktober 1950, und der Klägerin zu 2) die Waisenbeihilfe für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. Oktober 1951 zu gewähren. Mit Urteil vom 16. Juli 1957 hat das SG den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Februar 1953 und des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 1954 verurteilt, der Klägerin zu 1) die Witwenbeihilfe gemäß § 48 BVG, beginnend mit dem 1. Oktober 1950, und der Klägerin zu 2) die Waisenbeihilfe gemäß § 48 BVG für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. Oktober 1951 in gesetzlicher Höhe zu gewähren: Durch rechtskräftiges Urteil des OVA Düsseldorf vom 14. Februar 1952 sei der Beklagte zur Zahlung einer Rente nach einer MdE um 100 v. H. an die Klägerin zu 1) als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes verurteilt worden. Der Ehemann der Klägerin habe deshalb im Zeitpunkt seines Todes die Rente eines Erwerbsunfähigen im Sinne des § 48 Abs. 1 BVG bezogen, so daß die Anspruchsvoraussetzungen auf Hinterbliebenenbeihilfe gegeben seien. Der Verstorbene habe auch bis zum 31. Januar 1950 als Beschädigter im Sinne des BVG bzw. der SVD 27 zu gelten. Es komme nicht darauf an, wann die Auszahlung der Rente eines Erwerbsunfähigen erfolgt sei. § 48 BVG mache es nicht davon abhängig, aus welchem Grunde dem Ehemann der Klägerin die Rente vom 1. Februar 1950 an entzogen worden sei. Entscheidend komme es allein auf den Bezug der Rente eines Erwerbsunfähigen an.
Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG Nordrhein-Westfalen in Essen mit Urteil vom 1. Dezember 1960 das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen. Es hat ua ausgeführt, die Bindung an die Rechtskraft des Urteils des OVA Düsseldorf vom 14. Februar 1952 allein rechtfertige es nicht, die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 BVG als gegeben anzusehen; denn es reiche nicht aus, wenn die Rente eines Erwerbsunfähigen (oder eines Pflegezulageempfängers) im Zeitpunkt des Todes des Beschädigten lediglich noch an diesen gezahlt worden sei, während er schon vorher seines Stammrechts, das sei der Rentenanspruch an sich, verlustig gegangen sei. Dies sei aber vorliegend der Fall, da der verstorbene Ehemann und Vater der Klägerinnen sein Stammrecht auf die Rente bereits mit dem Entziehungsbescheid vom 1. Dezember 1949 verloren gehabt habe. Daß im Zeitpunkt des Todes das Stammrecht noch bestehen müsse, ergebe sich im übrigen aus dem Sinn und Zweck des § 48 BVG, nach dem die Hinterbliebenenbeihilfe den Wegfall der Versorgungsbezüge ausgleichen solle, mit denen - in der Regel wegen der Erwerbsunfähigkeit eines Beschädigten - bis zu seinem Ableben der Lebensunterhalt der Familie bestritten worden sei. Ein solcher Ausgleich diene aber nur diesem Zweck, wenn der Unterhalt der Familie, sofern der Beschädigte nicht verstorben wäre, weiterhin allein durch die Rente sichergestellt worden wäre. Dieser Auffassung stehe auch der Wortlaut des § 48 Abs. 1 BVG nicht entgegen; denn es bestehe kein Anlaß für die Annahme, daß der Gesetzgeber bewußt nur die dem Wortlaut entsprechende Regelung gewollt habe, da eine solche zu sicher nicht gewollten Ergebnissen führe. Wenn dem Beschädigten nach § 610 RVO die Versorgungsbezüge noch bis zum Ablauf des auf die Zustellung des Entziehungsbescheides folgenden Monats, hier bis zum 31. Januar 1950, belassen worden seien, so handele es sich hierbei um eine reine Schutzmaßnahme für den Beschädigten selbst, die die Frage, ob ein Anspruch auf Hinterbliebenenbeihilfe bestehe, nicht beeinflussen könne. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses ihnen am 9. Februar 1961 zugestellte Urteil haben die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 20. Februar 1961, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 22. Februar 1961, Revision eingelegt. Mit der - nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 9. Mai 1961 - am 5. Mai 1961 eingegangenen Revisionsbegründungsschrift vom 4. Mai 1961 haben sie die Revision begründet.
Die Klägerin zu 2) rügt die Verletzung des § 148 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und trägt vor, nach dem Urteil des SG vom 16. Juli 1957 sei ihr nach § 48 BVG für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. Oktober 1951 Waisenbeihilfe zu gewähren. Das Urteil des SG habe deshalb hinsichtlich ihres Anspruchs nur eine Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume im Sinne des § 148 Nr. 2 SGG betroffen. Da das SG die Berufung gegen sein Urteil nicht nach § 150 Nr. 1 SGG zugelassen habe, sei diese insoweit nach der hier noch anwendbaren Vorschrift des § 148 Nr. 2 SGG aF nicht statthaft gewesen und hätte vom LSG als unzulässig verworfen werden müssen.
Die Klägerin zu 1) rügt die Verletzung der §§ 48 Abs. 1 BVG, 610 RVO. Für die Auslegung der Vorschrift des § 48 Abs. 1 BVG sei in erster Linie der Gesetzeswortlaut maßgebend, der bestimme, daß ein Anspruch auf Hinterbliebenenbeihilfe dann gegeben sei, wenn ein erwerbsunfähiger Beschädigter wie der Verstorbene (oder ein Pflegezulageempfänger), der nicht an den Folgen einer Schädigung gestorben sei, seine Versorgungsbezüge bis zum Tode bezogen habe. Das Wort "bezogen" könne aber nichts anderes bedeuten, als daß die Versorgungsbezüge bis zum Tode gezahlt worden seien. Einer Prüfung, ob dem Beschädigten im Zeitpunkt seines Todes auch das Stammrecht auf Rente zugestanden habe, bedürfe es dabei nicht. Im übrigen sei sie, die Klägerin zu 1), sogar der Auffassung, daß ihrem Ehemann bis zu seinem Tode auch das Stammrecht auf die Rente eines Erwerbsunfähigen zugestanden habe; denn ein Bezugsrecht ohne Stammrecht sei nicht denkbar. Darüber hinaus sei der noch vor dem Ableben ihres Ehemannes ergangene und ihm auch noch selbst zugegangene Bescheid vom 1. Dezember 1949 erst mit Ablauf des auf die Zustellung folgenden Monats wirksam geworden; "wirksam" in diesem Sinne bedeute, daß dem berechtigten Beschädigten das Bezugsrecht - gleich aus welchen Gründen - bis zu dem genannten Zeitpunkt zustehe, der Rentenbezug im Sinne des § 48 Abs. 1 BVG ende also erst zu diesem Zeitpunkt. Da nach allem der Verstorbene die Rente eines Erwerbsunfähigen bis zu seinem Tode "bezogen" habe, könne der Anspruch auf Witwenbeihilfe nicht zweifelhaft sein.
Die Klägerin zu 2) beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 16. Juli 1957 als unzulässig zu verwerfen, soweit sie sich gegen dessen Verurteilung zur Gewährung der Waisenbeihilfe für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis zum 31. Oktober 1951 richtet.
Die Klägerin zu 1) beantragt, soweit es sich um die von ihr geltend gemachte Witwenbeihilfe handelt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 16. Juli 1957 zurückzuweisen.
Der Beklagte hat in seiner Revisionserwiderung vom 24. Mai 1961 die Berufung gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 16. Juli 1957 insoweit zurückgenommen, als es sich um die Waisenbeihilfe für die Klägerin zu 2 handelt.
Hinsichtlich des Revisionsbegehrens der Klägerin zu 1) beantragt er
die Zurückweisung der Revision.
Er trägt vor, durch den Erlaß des Entziehungsbescheides vom 1. Dezember 1949 und seine Zustellung noch an den Verstorbenen sei die Rechtslage dieselbe, wie wenn die - aufgehobene - Benachrichtigung vom 8. März 1949 niemals ergangen sei. Das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten sei durch den Entziehungsbescheid ex tunc auf eine andere Grundlage gestellt worden, so daß der Verstorbene im Zeitpunkt seines Ablebens die Versorgungsbezüge zu Unrecht bezogen habe. Daran ändere nichts, daß durch die Anwendung des § 610 RVO der Übergang für den durch die Entziehung der Versorgungsbezüge Betroffenen mit den für solche Fälle vorgesehenen gesetzlichen Möglichkeiten dadurch erleichtert worden sei, daß die Einstellung der laufenden Zahlungen erst mit Ablauf des Monats Januar 1950 habe erfolgen können. Im übrigen sei dem Urteil des Berufungsgerichts im vollen Umfange beizupflichten.
Die Revision der Klägerin zu 2) hat sich dadurch erledigt, daß der Beklagte seine Berufung gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 16. Juli 1957 insoweit zurückgenommen hat, als es sich um die Gewährung der Waisenbeihilfe für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. Oktober 1951 handelt.
Die durch Zulassung statthafte Revision der Klägerin zu 1) (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 Abs. 1 Satz 1 SGG) und deshalb zulässig.
Die Revision der Klägerin zu 1) ist jedoch nicht begründet.
Das LSG hat ebenso wie das SG zutreffend sachlich über den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Witwenbeihilfe entschieden, obwohl der Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 1953 allein die Ablehnung der beantragten Hinterbliebenenrente zum Inhalt hat; denn im Widerspruchsverfahren hat die Klägerin - zusammen mit der Klägerin zu 2) - neben der Hinterbliebenenrente auch die Hinterbliebenenbeihilfe geltend gemacht, so daß mit dem Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 1954 über die geltend gemachten Ansprüche sowohl auf Rente wie auf Beihilfe gleichzeitig entschieden werden mußte und auch entschieden worden ist. Gegenstand der Klage und damit des Berufungsverfahrens ist aber nach § 95 SGG der ursprüngliche Verwaltungsakt (hier der Bescheid vom 24. Februar 1953) in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid (hier vom 24. Februar 1954) gefunden hat. Darüber hinaus hätten auch die Vorschriften über die Klageänderung (§ 99 SGG) einer sachlichen Entscheidung der Vordergerichte über die geltend gemachte Hinterbliebenenbeihilfe nicht entgegengestanden.
Nach § 48 Abs. 1 BVG haben die Witwe und die Waisen eines Beschädigten Anspruch auf Witwen- und Waisenbeihilfe, wenn der Beschädigte bis zum Tode die Rente eines Erwerbsunfähigen oder Pflegezulage bezogen hat und nicht an den Folgen einer Schädigung gestorben ist. Dabei ist das Berufungsgericht zutreffend, wenn auch ohne Ausführungen dazu, davon ausgegangen, daß es für den Anspruch von Hinterbliebenenbeihilfe nach dem BVG nicht darauf ankommt, ob der Beschädigte, auf den die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 BVG zutreffen, vor oder nach dem Inkrafttreten des BVG (1. Oktober 1950) gestorben ist (der Ehemann der Klägerin ist am 8. Januar 1950, also vor dem Inkrafttreten des BVG, gestorben). Zwar gilt für die zeitliche Geltung materiellen Rechts der Grundsatz, daß die Voraussetzungen, die das Gesetz an die Entstehung eines Anspruchs knüpft, während der zeitlichen Geltungsdauer des Gesetzes verwirklicht sein müssen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BSG 7, 108, 110) hat aber das BVG die Versorgung der Opfer des Krieges ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Schädigung neu geregelt; nach dem eindeutigen, aus den §§ 1, 84, 85 BVG erkennbaren Zweck der bundeseinheitlichen Kriegsopferversorgung können sowohl die Schädigung im Sinne des BVG als auch ihre Folgen (Gesundheitsstörung oder Tod) schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes eingetreten sein (vgl. auch Urteil des 9. Senat des BSG vom 20. September 1955 in BSG 1, 210, 215). Der Anspruch auf Hinterbliebenenbeihilfe nach § 48 Abs. 1 BVG setzt deshalb nicht voraus, daß der Beschädigte erst nach dem 30. September 1950 gestorben ist.
Wie das LSG zutreffend entschieden hat, kann Hinterbliebenenbeihilfe auch dann gewährt werden, wenn die Rente eines Erwerbsunfähigen oder Pflegezulage einem Beschädigten zu seinen Lebzeiten nicht mehr ausgezahlt, aber nach seinem Ableben, sei es auf einen noch von ihm gestellten Antrag durch einen rechtswirksamen Bescheid, sei es im sozialgerichtlichen Verfahren durch ein rechtskräftiges Urteil, zugesprochen worden ist. Denn es geht nicht an, den Hinterbliebenen eines Beschädigten, dessen MdE mit 100 v. H. oder dessen Pflegebedürftigkeit wegen seiner anerkannten Schädigungsleiden erst nach seinem Tode - mit nachträglicher Gewährung der entsprechenden Bezüge bis zum Ablauf des Todesmonats an die Erben - festgestellt worden ist, den Anspruch auf die Beihilfe nur deshalb zu versagen, weil der Beschädigte selbst nicht mehr in den Genuß der ihm zustehenden Leistungen gekommen ist. Sein - wenn auch erst nach seinem Ableben festgestellter - Anspruch auf die Erwerbsunfähigkeitsrente oder auf die Pflegezulage im Zeitpunkt des Todes ist grundsätzlich die rechtliche Grundlage für den Anspruch seiner Hinterbliebenen auf Beihilfe nach § 48 Abs. 1 BVG, wenn der Tod nicht die Folge einer Schädigung ist.
Trotzdem hat die Klägerin zu 1) keinen Anspruch auf die Witwenbeihilfe. Zwar hat das OVA Düsseldorf mit seinem rechtskräftigen Urteil vom 14. Februar 1952 auch hier dem - nicht an den Folgen einer Schädigung verstorbenen - Ehemann die Rente eines Erwerbsunfähigen erst nach seinem Tode zugesprochen, so daß an dem Anspruch des Verstorbenen auf Zahlung der entsprechenden Versorgungsbezüge im Zeitpunkt seines Todes (8. Januar 1950) für den Todesmonat kein Zweifel bestehen kann. Aber anders als im Regelfall, in dem der Bezug der Rente eines Erwerbsunfähigen oder einer Pflegezulage allein durch den Tod des Beschädigten beendet wird, war hier der Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente durch das in Frage stehende Urteil von vornherein bis zum 31. Januar 1950 begrenzt; vom 1. Februar 1950 an hätte der Verstorbene auch beim Weiterleben keinerlei Versorgungsbezüge mehr erhalten können; denn mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des SG Düsseldorf vom 14. Februar 1952 hatte dieses die Richtigkeit des Berichtigungsbescheides vom 1. Dezember 1949, mit dem die bis dahin als Schädigungsfolge anerkannte "mittelschwere Zuckerharnruhr" nach der Vorschrift der Ziffer 26 der SVA 11 aberkannt worden ist, bestätigt und lediglich die Rente des Verstorbenen für die Zeit vom 1. Juli 1949 bis zum 31. Januar 1950 von 50 v. H. auf 100 v. H. erhöht. Damit aber war, und zwar mit Zustellung des Bescheides vom 1. Dezember 1949 an den im Zeitpunkt der Zustellung noch lebenden Ehemann der Klägerin, dessen Beschädigteneigenschaft aufgehoben. Daran ändert nichts, daß die nunmehr nach einer MdE um 100 v. H. festgestellte Beschädigtenrente in Anwendung des § 610 RVO noch bis zum 31. Januar 1950, dem Ablauf des auf die Zustellung des Berichtigungsbescheides folgenden Monats, weitergewährt wurde; denn die Erwerbsunfähigkeitsrente wurde für den Monat Januar nicht mehr deshalb gezahlt, weil es sich bei dem Ehemann der Klägerin noch um einen erwerbsunfähigen Beschädigten mit einem anerkannten Versorgungsleiden gehandelt hätte, sondern allein aufgrund der Schutzvorschrift des § 610 RVO, mit der damals jeder Bescheid, durch den eine Rente herabgesetzt oder entzogen wurde, hinsichtlich der Zahlung der geminderten oder entzogenen Bezüge erst mit dem Ablauf des auf die Zustellung folgenden Monats wirksam wurde. Sinn und Zweck einer solchen Schutzvorschrift ist aber lediglich die in ihr zum Ausdruck kommende Absicht, diejenigen Härten zu vermeiden, die bei einem sofort eintretenden Rentenentzug oder einer sofort eintretenden Rentenminderung schon mit Ablauf des Zustellungsmonats entstehen würden, ohne daß der dadurch Betroffene die Möglichkeit hat, sich rechtzeitig auf die durch Rentenentzug oder Rentenminderung eintretende Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse einzustellen; der Betroffene soll sich mit Hilfe der ihm gewährten Schutzfrist von einem Monat darauf einrichten können, daß ihm die bisher gezahlten Bezüge künftig nicht mehr oder nicht mehr in bisheriger Höhe zufließen. Die Weiterzahlung der Versorgungsbezüge für die Dauer eines Monats nach § 610 RVO hat daher, wie auch das Berufungsgericht ausgeführt hat, keine andere und weitere Wirkung, als der in dieser Vorschrift enthaltene Schutzgedanke reicht (vgl. RVA in AN 1929, 219, 220 Nr. 3437).
Hat aber, wie dargelegt, der Ehemann der Klägerin schon mit der im Dezember 1949 erfolgten Zustellung des Berichtigungsbescheides vom 1. Dezember 1949, mindestens aber mit Ablauf des Monats Dezember 1949, seine Beschädigteneigenschaft verloren, so kann er im Januar 1950, im Todesmonat, schon deshalb nicht mehr Beschädigter im Sinne des § 48 Abs. 1 BVG gewesen sein, auch wenn ihm für diesen Monat - aus anderen Gründen - noch die Beschädigtenbezüge eines Erwerbsunfähigen belassen worden sind. Hinzu kommt, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, folgendes:
Die Rücknahme eines von Anfang an rechtswidrigen Verwaltungsaktes, sei es nach der alten Vorschrift der Ziffer 26 der SVA 11, sei es nach der neuen Vorschrift des § 41 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG), wirkt auf den Zeitpunkt zurück, in dem der rechtswidrige Bescheid erlassen worden ist; mit ihr wird eine neue Regelung getroffen, durch die das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten mit der wahren Sach- und Rechtslage in Übereinstimmung gebracht, das Rechtsverhältnis "ex tunc" auf eine andere Grundlage gestellt wird (vgl. BSG in SozR VerwVG § 41 Bl. Ca 3 Nr. 9). Daraus folgt, daß durch die Erteilung eines Berichtigungsbescheides (nach Ziffer 26 der SVA 11 oder nach § 41 VerwVG) und die mit ihr verbundene Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes die Rechtslage nicht anders ist, als wenn der - von Anfang an - rechtswidrige Bescheid niemals erlassen worden wäre. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß dabei festgestellte oder festzustellende überzahlte Versorgungsbezüge dem Betroffenen belassen oder gar, wie im Falle des Ehemannes der Klägerin, nach § 610 RVO noch für einen Monat weitergezahlt werden. Das bedeutet für den vorliegenden Fall, daß die Beschädigteneigenschaft des Ehemannes der Klägerin, die für das Recht der SVD 27 erstmals mit Benachrichtigung vom 8. März 1949 anerkannt worden ist, durch den nach dem rechtskräftigen Urteil des SG Düsseldorf vom 14. Februar 1952 rechtswirksamen Berichtigungsbescheid vom 1. Dezember 1949 "ex tunc" aufgehoben worden ist mit der Folge, daß der Verstorbene zu keiner Zeit Beschädigter im Sinne der SVD 27 gewesen ist bzw. als solcher angesehen werden kann. Auch aus diesem Grunde war er im Zeitpunkt seines Todes nicht Beschädigter im Sinne des § 48 Abs. 1 BVG, der seinen Hinterbliebenen wegen des Bezuges von Erwerbsunfähigkeitsrente im Todesmonat einen Anspruch auf Hinterbliebenenbeihilfe hätte hinterlassen können.
Schließlich ist auch die Auslegung des Wortes "bezogen" in § 48 Abs. 1 BVG durch das Berufungsgericht rechtlich nicht zu beanstanden, so daß auch aus diesem - weiteren - Grunde ein Anspruch der Klägerin auf Witwenbeihilfe nicht besteht. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (BSG 7, 108, 110), setzt sich der Anspruch auf Rente, d. h. der Anspruch auf wiederkehrende Leistungen (§ 66 Abs. 1 Satz 1 BVG), zusammen aus dem Stammrecht - dem Rentenanspruch an sich - und dem Recht auf die jeweils fälligen Einzelleistungen. Dabei bestehen im Regelfall das Stammrecht und das Recht auf die jeweils fälligen Einzelleistungen nebeneinander, d. h. letzteres setzt regelmäßig den Rentenanspruch voraus. Das braucht jedoch nicht immer der Fall zu sein. Ein Recht auf eine fällige Einzelleistung kann vielmehr ausnahmsweise auch noch dann bestehen, wenn das Stammrecht wegen Fehlens der für einen Versorgungsanspruch erforderlichen Voraussetzungen durch einen rechtswirksamen Bescheid schon weggefallen ist. Das ist vorliegend der Fall. Durch den Berichtigungsbescheid vom 1. Dezember 1949 ist das Stammrecht des Ehemannes der Klägerin auf Rente mit Zustellung des Bescheides an ihn beseitigt worden, während das Recht auf die für Januar 1950 fällige Einzelleistung unabhängig von diesem Wegfall und lediglich aufgrund einer Schutzvorschrift (§ 610 RVO) noch - befristet für einen Monat - weiterbestanden hat. Nach Wegfall des Stammrechts kann aber von einem Rentenbezug im Sinne des § 48 Abs. 1 BVG nicht mehr die Rede sein, auch wenn der Wortlaut dieser Vorschrift, wollte man ihn streng wörtlich auslegen, einen anderen Eindruck vermitteln könnte. Sinn und Zweck des § 48 Abs. 1 BVG - und hierauf kommt es entscheidend an - ist die Gewährung einer Beihilfe an die Hinterbliebenen eines nicht an den Folgen einer Schädigung gestorbenen erwerbsunfähigen Schwerbeschädigten oder Pflegezulageempfängers, um den durch den Tod eintretenden Wegfall der Versorgungsbezüge auszugleichen, mit denen in der Regel wegen der Erwerbsunfähigkeit oder der Pflegebedürftigkeit des Ernährers der Unterhalt der Familie bis zu seinem Ableben bestritten worden ist (BSG 7, 108, 112). Diesem Sinn und Zweck kann aber ein solcher Ausgleich nur dann dienen, wenn der Unterhalt der Familie weiterhin durch die Versorgungsbezüge bestritten worden bzw. sichergestellt gewesen wäre, wenn der Ernährer nicht gestorben wäre. Das bedeutet gleichzeitig, daß ein Anspruch auf Hinterbliebenenbeihilfe dann nicht besteht, wenn wie im vorliegenden Fall die Versorgungsbezüge des Erwerbsunfähigen - als Sicherung für den Unterhalt der Familie - nicht durch den Tod, sondern unabhängig vom Tode schon aus anderen Gründen wegfallen.
Nach allem hat die Klägerin zu 1) keinen Anspruch auf Witwenbeihilfe, so daß ihre Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts keinen Erfolg haben konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen