Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagter und Revisionsbeklagter, beigeladen: … |
Tatbestand
I.
Der Kläger, ein eingetragener Verein, ist Träger einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Auf seinen Antrag erteilte ihm der Zulassungsausschuß eine unbefristete Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Überweisungspraxis beschränkt auf die Behandlung der nachstehend aufgeführten Patientengruppen:
"1. |
Dissoziale Kinder und Jugendliche, die von einer Ausgrenzung im sozialen oder familiären Bereich unmittelbar bedroht sind; |
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2. |
Opfer von Kindesmißhandlungen; |
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3. |
sexuell mißbrauchte Kinder; |
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4. |
Kinder und Jugendliche, deren Familien in ihren interpersonalen Beziehungen erheblich gestört sind und/oder die in ihren sozialen Beziehungen nach außen mangelhaft integriert sind; |
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5. |
an Psychose erkrankte Kinder und Jugendliche, die durch die Art und Schwere ihrer Krankheit im ausschließlich ambulanten Bereich nicht ausreichend behandelt werden können; |
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6. |
suizidale Patienten, die aufgrund der Schwere ihrer Störung der Nähe einer stationären Behandlungsmöglichkeit bedürfen." |
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Den Widerspruch, mit dem der Kläger eine inhaltlich unbeschränkte Ermächtigung begehrte, wies der beklagte Berufungsausschuß mit Bescheid vom 5. Oktober 1993 zurück.
Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) mit der Begründung abgewiesen, psychiatrische Institutsambulanzen seien nach Maßgabe des § 118 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nur mit der dort genannten Einschränkung zu ermächtigen. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, daß Ermächtigungen für psychiatrische Institutsambulanzen uneingeschränkt zu erteilen seien, wenn diese, wie im Fall des Klägers, einem psychiatrischen Krankenhaus angegliedert seien.
Mit der Sprungrevision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. § 118 SGB V unterscheide drei Arten von Einrichtungen der psychiatrischen Versorgung, nämlich psychiatrische Krankenhäuser, selbständige, gebietsärztlich geleitete psychiatrische Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern und psychiatrische Institutsambulanzen, wobei unter dem zuletzt genannten Begriff die Ambulanzen der psychiatrischen Krankenhäuser und der Allgemeinkrankenhäuser zu verstehen seien. Da er, der Kläger, nicht bloß eine Institutsambulanz, sondern ein psychiatrisches Krankenhaus betreibe, habe er nach § 118 Abs. 1 SGB V Anspruch auf eine uneingeschränkte Ermächtigung.
Der Kläger beantragt (sinngemäß):das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 29. Juni 1994 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 5. Oktober 1993 zur Erteilung einer inhaltlich unbeschränkten Ermächtigung zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt:die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet.
Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine inhaltlich unbeschränkte Ermächtigung der von ihm betriebenen Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Rechtsgrundlage für die vom Beklagten erteilte, auf die Behandlung bestimmter Gruppen von Kindern und Jugendlichen beschränkte Ermächtigung ist § 118 SGB V. Diese Vorschrift trifft eine Sonderregelung für die Teilnahme psychiatrischer Institutsambulanzen an der kassenärztlichen (vertragsärztlichen) Versorgung, wobei hinsichtlich der Teilnahmevoraussetzungen zwischen psychiatrischen Krankenhäusern auf der einen und Allgemeinkrankenhäusern mit selbständigen, gebietsärztlich geleitenen psychiatrischen Abteilungen auf der anderen Seite unterschieden wird (zur Abgrenzung zwischen beiden vgl. BSG SozR 2200 § 368n Nr. 41 = USK 8635). Entgegen der Auffassung des Klägers, der sich auch das SG angeschlossen hat, stehen die psychiatrischen Institutsambulanzen nicht als besondere, eigenständige Einrichtungen neben den psychiatrischen Krankenhäusern und den psychiatrischen Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern. Vielmehr verwendet das Gesetz, wie sich aus dem Aufbau der Vorschrift zweifelsfrei ergibt, den Begriff der "psychiatrischen Institutsambulanz" als gemeinsamen Oberbegriff für die ambulant behandelnden Abteilungen der in § 118 Abs. 1 SGB V genannten Einrichtungen der psychiatrischen Versorgung. Während selbständige, gebietsärztlich geleitete psychiatrische Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern gemäß § 118 Abs. 1 Satz 2 SGB V nur zu ermächtigen sind, soweit und solange eine ausreichende psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung ohne die von ihnen angebotenen besonderen Untersuchungs-und Behandlungsmethoden nicht sichergestellt ist, haben reine psychiatrische Krankenhäuser, wie die hier in Rede stehende Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGB V einen bedarfsunabhängigen Rechtsanspruch auf Ermächtigung. Für beide gleichermaßen gilt jedoch die Einschränkung des § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB V, wonach die Behandlung durch psychiatrische Institutsambulanzen auf diejenigen Versicherten auszurichten ist, die wegen der Art, der Schwere oder der Dauer ihrer Krankheit oder wegen zu großer Entfernung zu geeigneten Ärzten auf die Behandlung durch diese Einrichtungen angewiesen sind. Den Zulassungsinstanzen obliegt es, im jeweiligen Einzelfall Gegenstand und Umfang der Ermächtigung entsprechend den genannten gesetzlichen Vorgaben näher zu konkretisieren und im Ermächtigungsbescheid festzulegen (Hess, Kasseler Komm, § 118 SGB V Rdnr. 5; Limpinsel in: Jahn, Komm-SGB V, § 118 Rdnr. 5; Jung, GesamtKomm-SGB V, § 118 Rdnr. 7; Hauck/Haines, SGB V, K § 118 Rdnr. 5).
Wie der Senat bereits in dem zur Veröffentlichung in SozR 3-2500 § 118 Nr. 1 bestimmten Urteil vom 15. März 1995 - 6 RKa 1/94 - näher dargelegt hat, kann der Auffassung, daß die in § 118 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Einrichtungen umfassend zu ermächtigen seien, nicht gefolgt werden. Daß für psychiatrische Krankenhäuser im Unterschied zu Allgemeinkrankenhäusern mit psychiatrischen Abteilungen keine Bedarfsprüfung vorgesehen ist, ändert nichts daran, daß auch sie den in § 118 Abs. 2 SGB V hinsichtlich des Behandlungsauftrags festgelegten Beschränkungen unterliegen. Das folgt schon aus dem Aufbau der Vorschrift, entspricht aber auch dem aus der Entstehungsgeschichte ersichtlichen Zweck der Regelung. Der Gesetzgeber ging aufgrund der Ergebnisse der Psychiatrie-Enquête 1975 (BT-Drucks 7/4200, hier: S. 209 ff.) davon aus, daß bestimmte Gruppen psychisch Kranker und Behinderter, insbesondere solche mit schweren Krankheitsbildern, wie schizophrenen Psychosen, Suchterkrankungen und psychischen Alterskrankheiten, oftmals nur unzureichend oder gar nicht ambulant medizinisch versorgt werden, weil sie nicht bereit sind, einen niedergelassenen Nervenarzt aufzusuchen. Um diesem Mangel entgegenzuwirken, hat er durch das Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetz vom 28. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3871) den damaligen § 368n Abs. 7 (später Abs. 6) der Reichsversicherungsordnung (RVO) dahingehend ergänzt, daß den Kassenärztlichen Vereinigungen die Verpflichtung auferlegt wurde, mit geeigneten psychiatrischen Krankenhäusern und Krankenhäusern mit selbständigen, unter fachärztlicher Leitung stehenden psychiatrischen Abteilungen auf deren Verlangen Verträge über die ambulante Erbringung ärztlicher Maßnahmen der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung abzuschließen. In der erweiterten Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der ambulanten und teilstationären Versorgung psychisch Kranker vom 26. Februar 1986 (BGBl. I S. 324) bestimmte § 368n Abs. 6 Satz 4 RVO ausdrücklich, daß die Behandlung durch psychiatrische Institutsambulanzen auf die zuvor angesprochenen, wegen der Art, Dauer oder Schwere ihrer Erkrankung oder wegen zu großer Entfernung für die niedergelassenen Ärzte nicht erreichbaren Patienten auszurichten sei. Das Gesundheitsreformgesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477) hat diese Definition des Versorgungsauftrags in § 118 Abs. 2 Satz 2 SGB V übernommen und die Rechtslage nur insofern geändert, als die bisherige vertragliche Form der Ermächtigung durch eine dem Zulassungsausschuß übertragene Regelung durch Verwaltungsakt ersetzt worden ist. Die dargestellte Entwicklung zeigt, daß die für klinische Einrichtungen der psychiatrischen Versorgung geschaffene Möglichkeit der Institutsermächtigung dazu dienen sollte und soll, die ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung eines bestimmten, begrenzten Personenkreises sicherzustellen. Durch diese Zielsetzung wäre es nicht gedeckt, wenn die Ermächtigung psychiatrischer Krankenhäuser ohne die daraus resultierende inhaltliche Beschränkung erteilt werden müßte und sich damit im Ergebnis auf das gesamte Spektrum psychiatrischer Behandlungsfälle erstrecken würde.
Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Institutsermächtigung und den grundsätzlichen Vorrang der niedergelassenen Vertragsärzte in der ambulanten Krankenbehandlung kann auch die Auffassung nicht geteilt werden, die Bedeutung des § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB V erschöpfe sich in einer rechtlich unverbindlichen Umschreibung des Versorgungsauftrags der psychiatrischen Institutsambulanzen. Die Vorschrift legt vielmehr diesen Versorgungsauftrag bindend fest. Sie richtet sich nicht an die zu ermächtigende Klinik, sondern an die Zulassungsgremien, deren Aufgabe es ist, den zu versorgenden Personenkreis je nach fachlicher Ausrichtung und Leistungsangebot des antragstellenden Krankenhauses näher einzugrenzen und den Umfang der Ermächtigung entsprechend zu beschränken. Der Einschaltung dieser Gremien hätte es nicht bedurft, wenn sich ihre Funktion im Fall der psychiatrischen Krankenhäuser auf die bloße Feststellung einer in ihrem Umfang festliegenden, umfassenden Ermächtigung reduzieren würde.
Die Ermächtigung gemäß § 118 Abs. 1 SGB V ist danach in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die Behandlung der im Tatbestand genannten Personengruppen beschränkt worden. Soweit der Kläger erstmals im Revisionsverfahren geltend macht, die psychiatrische Versorgung auch anderer Kinder und Jugendlicher sei im Raum Lübeck durch zugelassene und ermächtigte Nervenärzte nicht sichergestellt, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der im Revisionsverfahren unzulässig ist (§ 163 SGG). Die Rüge, das SG habe den Bedarf an ärztlichen Leistungen im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht ausreichend ermittelt, muß unberücksichtigt bleiben, weil eine Sprungrevision auf Mängel des Verfahrens nicht gestützt werden kann (§ 161 Abs. 4 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Fundstellen