Orientierungssatz
Die in FRG § 16 bestimmte Gleichstellung von Beschäftigungen außerhalb des Bundesgebietes mit einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung im Geltungsbereich des FRG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus (Anschluß an Urteil BSG 1965-05-25 1 RA 245/62 = BSGE 23, 69).
Normenkette
FRG § 16 Fassung: 1960-02-25
Tenor
1. Das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 6. September 1963 wird aufgehoben.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. Februar 1962 wird zurückgewiesen.
3. Im Berufungsverfahren und im Revisionsverfahren sind keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Das Altersruhegeld der 1893 geborenen Klägerin wurde von der Beklagten erstmals in dem Bescheid vom 30. November 1957 festgestellt, dann ab August 1958 wegen der Vollendung des 65. Lebensjahres der Klägerin erhöht und schließlich im Bescheid vom 15. Mai 1961 auf Grund des inzwischen erlassenen Fremdrenten- und Auslandrenten-Neuregelungsgesetzes vom 25. Februar 1960 (FANG) neu berechnet, ohne daß sich dabei ein höherer Rentenbetrag ergab. In diesem Bescheid lehnte es die Beklagte ab, die beitragslose Zeit von Januar 1917 bis September 1938 als Beschäftigungszeit im Sinne des § 16 Fremdrentengesetz (FRG) anzurechnen. Während der umstrittenen Zeit war die Klägerin als selbständige Musiklehrerin in Karlsbad tätig, aber - im Gegensatz zur späteren Zeit und abweichend von dem "am 1. März 1957 geltenden Bundesrecht" (§§ 16 Satz 2 FRG, 2 Abs. 1 Nr. 3 AVG) - nicht versicherungspflichtig; sie entrichtete daher auch keine Sozialversicherungsbeiträge bis September 1938.
Das Sozialgericht (SG) Hamburg wies die Klage ab. (Urteil vom 20. Februar 1962). Auf die Berufung der Klägerin hob das Landessozialgericht (LSG) Hamburg das Urteil des SG auf, änderte die Bescheide vom 30. November 1957 und vom 15. Mai 1961 ab und verurteilte die Beklagte, den strittigen Zeitraum nach § 16 FRG bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen und eine entsprechend höhere Rente zu gewähren. Das LSG war der Ansicht, der Begriff der "Beschäftigung" in § 16 FRG sei ebenso mehrdeutig wie der ihm von der Beklagten gegenübergestellte Begriff der "Tätigkeit"; der Begriff der "Beschäftigung" müsse daher nach dem Sinn und Zweck des § 16 FRG ausgelegt werden. In dieser Vorschrift komme der Grundgedanke des Gesetzes, die Flüchtlinge und Vertriebenen in die deutsche Sozialversicherung so einzugliedern, als ob sie im Bundesgebiet tätig gewesen wären, besonders deutlich zum Ausdruck; da die deutsche Rentenversicherung ihren Schutz und die Versicherungspflicht jedoch auch auf eine Gruppe selbständiger Tätigkeiten erstrecke (§ 2 Nr. 3 ff AVG), müßten diese selbständigen Tätigkeiten ebenfalls als "Beschäftigungen" im Sinne des § 16 FRG gelten, zumal Satz 2 der Vorschrift ohne Ausnahme auf die Versicherungspflicht nach dem Bundesrecht abstelle. Dabei werde nicht verkannt, daß Art. 2 § 50 Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) den vertriebenen Selbständigen weitgehende Rechte zur Nachentrichtung von Beiträgen für die Vergangenheit (bis 1924 zurück) einräume; hiervon könnten aber gerade die versicherungspflichtigen Selbständigen aus wirtschaftlichen Gründen oft keinen Gebrauch machen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision beantragte die Beklagte,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Sie rügte eine Verletzung des § 16 FRG; diese Vorschrift lasse die Anrechnung von Zeiten einer selbständigen Tätigkeit nicht zu. Außerdem beanstandete die Beklagte die Abänderung ihres Bescheides vom 30. November 1957, weil die Rente darin noch nach dem Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz (FAG) vom 7. August 1953 berechnet worden sei.
Die Klägerin beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision der Beklagten ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch begründet.
Zu Recht bemängelt die Beklagte die Abänderung ihres Bescheides vom 30. November 1957 durch das LSG. Da die Klagefrist gegen diesen Bescheid in dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin im Berufungsverfahren ihre Klage darauf erstreckte, längst verstrichen war, ist die Klage insoweit unzulässig. Aber auch in ihrem übrigen Teil, d. h. soweit die Klage gegen den Bescheid vom 15. Mai 1961 gerichtet ist, muß sie ohne Erfolg bleiben.
Die Streitfrage ist bereits vom 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 25. Mai 1965 - 1 RA 245/62 - dahin entschieden worden, daß die in § 16 FRG bestimmte Gleichstellung von Beschäftigungen außerhalb des Bundesgebietes mit einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung im Geltungsbereich des FRG eine abhängige Beschäftigung voraussetzt. Dieser Rechtsansicht schließt sich der erkennende Senat an.
Für sie spricht mit erheblichem Gewicht der - auch durch das Rentenversicherungs-Änderungsgesetz vom 9. Juni 1965 nicht geänderte-Gesetzeswortlaut, weil die Neuregelungsgesetze der Rentenversicherung (vgl. z. B. das AVG idF des AnVNG und das FRG) den Begriff der Beschäftigung, den sie an zahlreichen Stellen verwenden, stets als abhängige Beschäftigung verstehen. Ebenso deutet der Zusammenhang mit § 15 FRG und den folgenden Vorschriften (§§ 17 bis 20) und deren Wortlaut klar darauf hin, daß § 16 FRG nur die in abhängiger Stellung Beschäftigten begünstigen will. Die Auffassung des LSG läßt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht rechtfertigen. Wie der 1. Senat hervorgehoben hat, zeigt das gesamte Fremdrentenrecht die Tendenz, beitragslose Zeiten in der deutschen Sozialversicherung nur dann zu "honorieren", wenn sie in abhängiger Beschäftigung zurückgelegt worden sind (vgl. dazu auch Art. 6 §§ 18 bis 23 FANG), so daß das Fremdrentenrecht und insbesondere § 16 FRG die Vertriebenen und Flüchtlinge nur mit dieser Einschränkung in die deutsche Sozialversicherung eingliedert. Eine weitere Eingliederung der selbständig Tätigen ist demgegenüber nur über die Nachentrichtung von Beiträgen gemäß Art. 2 § 50 AnVNG möglich, wobei zu berücksichtigen ist, daß dazu unter Umständen auch die Hilfe des Lastenausgleichs (§ 252 Abs. 1 LAG; SozR Nr. 4 zu Art. 2 § 52 ArVNG) in Anspruch genommen werden kann.
Da die Beklagte in dem Bescheid vom 15. Mai 1961 somit § 16 FRG für die hier streitige Zeit zu Recht nicht angewandt hat und der Bescheid auch im übrigen keine Rechtsfehler erkennen läßt, muß das Urteil des LSG aufgehoben und die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen