Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusammentreffen einer Bergmannsaltersrente nach Art 2 RÜG und einer Hinterbliebenenrente nach den Vorschriften des SGB 6 - Übergangszuschlag
Leitsatz (amtlich)
§ 319b SGB 6 erfasst nur das Zusammentreffen gleichartiger Rentenansprüche; besteht nach dem SGB 6 nur ein Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente und gleichzeitig nach Art 2 RÜG nur ein Anspruch auf eine Rente aus eigener Versicherung, so ist letztere nach Maßgabe des § 97 SGB 6 auf die Hinterbliebenenrente anzurechnen.
Normenkette
SGB VI § 319b; RÜG Art. 2; SGB VI §§ 97, 89; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 31. August 2000 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die der Klägerin gewährte Bergmannsaltersrente auch über den 1. April 1997 hinaus zu zahlen ist.
Die im Oktober 1941 geborene Klägerin, welche am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet hatte, erhielt von der Beklagten auf Grund des Bescheids vom 11. September 1996 Bergmannsaltersrente nach dem Übergangsrecht für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets (Art 2 Rentenüberleitungsgesetz ≪RÜG≫) ab 1. November 1996 in Höhe von 1.206,00 DM (Zahlbetrag nach Abzug des Beitragsanteils für Kranken- und Pflegeversicherung 1.115,55 DM). Im März 1997 starb der Ehemann der Klägerin. Die Beklagte bewilligte daraufhin antragsgemäß die große Witwenrente, und zwar ab 1. April 1997 in Höhe von 2.444,52 DM und ab 1. Juli 1997 in Höhe von 1.548,14 DM (Zahlbetrag nach Abzug des Beitragsanteils für die Kranken- und Pflegeversicherung 1.446,74 DM). Nach vorheriger Anhörung hob sie den Bewilligungsbescheid vom 11. September 1996 mit “Rücknahmebescheid gemäß § 48 SGB X iVm § 319b SGB VI” vom 13. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Februar 1998 auf. Sie führte aus, der Bescheid über die Rente nach dem RÜG sei ab 1. April 1997 aufzuheben, da Einkommen hinzugetreten sei, welches zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs nach dem RÜG führe. Obwohl der Anspruch auf Bergmannsaltersrente gemäß Art 2 § 5 RÜG dem Grunde nach bestehe, sei deren Zahlung gemäß § 319b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht zulässig, weil ab 1. April 1997 eine nach den Vorschriften des SGB VI berechnete Witwenrente hinzugetreten sei. Da letztere höher sei als die Bergmannsaltersrente, sei auch kein Übergangszuschlag zu leisten. Die Zahlung der Bergmannsaltersrente sei zum 1. Juli 1997 eingestellt worden; für die Zeit vom 1. April bis 30. Juni 1997 ergehe ein gesonderter Bescheid.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 29. Juni 1999 abgewiesen. Auf die Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) entsprechend dem Klagebegehren durch Urteil vom 31. August 2000 den Gerichtsbescheid des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Februar 1998 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Den ersatzlosen Wegfall einer ganzen Rentenart aus dem einzigen Grund, weil die eine Rente nach dem SGB VI und die andere nach dem RÜG berechnet werde, sehe § 319b SGB VI nicht vor. Die durch das Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz (Rü-ErgG) rückwirkend zum 1. Januar 1992 eingefügte Vorschrift ersetze Art 2 § 45 RÜG, bei dessen Anwendung im Fall der Klägerin zu vergleichen gewesen wäre, welche Gesamtleistung sich ergäbe, wenn die Leistungen nach dem SGB VI so angerechnet würden, als wären sie Leistungen nach dem RÜG, und welche Gesamtleistung sich ergäbe, wenn die Leistungen nach dem RÜG so angerechnet würden, als wären sie Leistungen nach dem SGB VI. Weil diese Vorgehensweise nicht ohne Einschaltung der Sachbearbeitung im Einzelfall zu bewältigen gewesen wäre, habe der Gesetzgeber mit § 319b SGB VI dem Wunsch der Rentenversicherungsträger entsprechend ein Verfahren vorgesehen, das eine maschinelle Bearbeitung erlaube. Eine sachliche Änderung sei damit jedoch nicht beabsichtigt gewesen. Die in dem Satzteil ”… werden die Leistungen nach den Vorschriften dieses Buches erbracht” in § 319b Satz 1 SGB VI normierte Rechtsfolge laute nicht: ”… werden nur die Leistungen nach den Vorschriften dieses Buches erbracht.” Bei dieser Auslegung der Beklagten werde in den Text das Wörtchen “nur” hineininterpretiert, das dort mit gutem Grund nicht zu finden sei. Dieser Satzteil sei vielmehr dahin zu verstehen, dass die zustehenden Leistungen als Leistungen nach dem SGB VI erbracht würden.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 319b SGB VI. Sie trägt vor, die Auffassung des LSG stehe nicht in Einklang mit dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, wie er in dem Wortlaut des § 319b SGB VI sowie in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck komme. Nach § 319b Satz 1 SGB VI seien bei gleichzeitigem Anspruch auf Leistungen nach dem SGB VI und auf Leistung nach Art 2 RÜG stets die Leistungen nach den Vorschriften des SGB VI zu erbringen. Nur wenn nach Anwendung der jeweiligen Vorschriften über das Zusammentreffen von Renten und von Einkommen die Gesamtleistung nach Art 2 RÜG höher sei als die Gesamtleistung nach SGB VI, werde zusätzlich zu den Leistungen nach SGB VI ein Übergangszuschlag gemäß § 319b Satz 2 SGB VI gezahlt. Hieraus folge zwingend, dass es ausschließlich bei der Leistung nach dem SGB VI verbleibe, wenn die Leistung nach dem RÜG niedriger sei. § 319b Satz 1 SGB VI habe den Charakter einer Kollisionsnorm und erfasse mit dem Begriff “Leistung” sowohl Einzelansprüche als auch Gesamtleistungsansprüche. Das Wörtchen “nur” werde in § 319b Satz 1 SGB VI nicht “hineininterpretiert”, wie das LSG meine, sondern dieses Verständnis erschließe sich zwingend aus dem Zusammenwirken der Sätze 1 und 2 des § 319b SGB VI. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 319b Satz 2 SGB VI sei nur für den Fall, dass nach Anwendung der entsprechenden Anrechnungsvorschriften die (Gesamt-)Leistung nach dem RÜG höher sei als die (Gesamt-)Leistung nach dem SGB VI, die Leistung des nach § 319b Satz 4 SGB VI zu berechnenden Übergangszuschlags vorgesehen. Ebenso eindeutig ergebe sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 12/4810, S 27), dass nur die Leistung nach dem SGB VI erbracht werde, wenn sie die höhere Leistung sei. Auch nach Art 2 § 45 RÜG sei grundsätzlich nur die höhere (Gesamt-)Leistung, also auch nur eine Leistung, zu erbringen gewesen. Allerdings habe dies auch die Leistung nach Art 2 RÜG sein können. Die (Gesamt-)Leistung nach Art 2 RÜG sei demnach solange unverändert zu zahlen gewesen, bis die – ruhende – (Gesamt-)Leistung nach SGB VI – insbesondere auf Grund der Rentenanpassung – höher gewesen sei als die (Gesamt-)Leistung nach Art 2 RÜG. Genau dies, dass immer die höhere Leistung erbracht werde, sei aber auch durch § 319b SGB VI sichergestellt. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht. Der Klägerin werde nach SGB VI nicht weniger gewährt, als sie zuvor an Rentenleistung nach Art 2 RÜG bezogen habe. Bei der Gewährung sozialer Leistungen stehe dem Gesetzgeber wegen der Vielzahl der zu berücksichtigenden Faktoren bei der Bestimmung des Umfangs der Sozialleistung und der einzelnen Anspruchsvoraussetzungen ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dass der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 319b SGB VI seine Gestaltungsfreiheit in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise überschritten habe, sei nicht erkennbar.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 31. August 2000 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 29. Juni 1999 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie trägt vor, das angefochtene Urteil sei zutreffend. Ihr originärer Rentenanspruch könne durch den Tod ihres Ehemannes nicht weggefallen sein. Beim Zusammentreffen einer eigenen Rentenleistung mit einer Witwen- oder Witwerrente könne es lediglich zu einer Anrechnung gemäß § 97 SGB VI iVm § 18 ff Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) kommen. Auch bei Anwendung des früheren Rechts der DDR wäre eine Witwenrente teilweise mit einer eigenen Rente verrechnet worden. Die Tatsache, dass eine Witwenrente wegen des Todeszeitpunkts nicht mehr nach dem RÜG, sondern nach dem SGB VI zu gewähren sei, könne nicht zum ersatzlosen Wegfall der vorher bewilligten eigenen Rente nach dem RÜG führen. Ergänzend teilt die Klägerin mit, dass sie seit 1. November 2001 Altersrente für Schwerbehinderte gem § 236a SGB VI beziehe (Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 5. Oktober 2001).
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 319b SGB VI gestützte Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Februar 1998. Ungeachtet der Frage, ob darin der Rentenbescheid vom 11. September 1996 hinsichtlich des monatlichen Zahlungsanspruchs ab 1. April 1997 aufgehoben oder nur festgestellt worden ist, dass eine Leistung daraus ab diesem Zeitpunkt nicht mehr erbracht wird, ist dieser Bescheid rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Das LSG hat daher im Ergebnis zu Recht der Berufung der Klägerin gegen den klagabweisenden Gerichtsbescheid des SG stattgegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben.
Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit ua nach Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Das Hinzutreten ihres Anspruchs auf Witwenrente nach SGB VI berührt den Anspruch der Klägerin auf Bergmannsaltersrente nicht und führt insbesondere nicht zum Wegfall ihres Anspruchs auf monatliche Rentenzahlungen. § 319b SGB VI ermächtigt die Beklagte auch nicht, die Befriedigung dieses Anspruchs zu verweigern.
§ 319b Satz 1 SGB VI hat folgenden Wortlaut:
“Besteht für denselben Zeitraum Anspruch auf Leistungen nach den Vorschriften dieses Buches und auf solche nach dem Übergangsrecht für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets, werden die Leistungen nach den Vorschriften dieses Buches erbracht.”
Mit den darin genannten Ansprüchen auf Leistungen “nach dem Übergangsrecht für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets” sind Rentenansprüche nach Art 2 RÜG gemeint, der dieses Übergangsrecht enthält. Diese Regelung erfasst somit nur Rentenansprüche von Berechtigten im Beitrittsgebiet mit Rentenbeginn in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 1996 (vgl Art 2 § 1 Abs 1 Nr 3 RÜG). Sie trifft keine Regelungen hinsichtlich der Rentenberechtigung, sondern behandelt lediglich die Leistungserbringung beim Zusammentreffen von Rentenansprüchen nach SGB VI und Art 2 RÜG “für denselben Zeitraum”. Im Anwendungsfall fallen daher die betreffenden (Rentenzahlungs-)Ansprüche nicht weg, der Versicherungsträger hat aber ausschließlich die nach dem SGB VI bestehenden Ansprüche zu befriedigen (Näheres dazu nachfolgend unter 1. und 2.). Entgegen der Auffassung der Beklagten wie auch des LSG liegt indes ein Anwendungsfall des § 319b Satz 1 SGB VI nur vor, wenn es sich bei den gleichzeitig nach SGB VI und Art 2 RÜG bestehenden Ansprüchen um gleichartige, dh aus demselben Versicherungsverhältnis abgeleitete Rentenansprüche handelt. Die Vorschrift enthält eine Sonderregelung zu § 89 SGB VI (VerbandsKomm-SGB VI, § 319b Anm 2, Stand Juli 1993). Nach § 89 Abs 1 Satz 1 SGB VI wird nur die höchste Rente geleistet, wenn für denselben Zeitraum Anspruch auf mehrere Renten “aus eigener Versicherung” besteht. Abweichend hiervon gibt § 319b Satz 1 SGB VI für den Fall, dass Anspruch auf Rente nach dem SGB VI und nach Art 2 RÜG besteht, dem Anspruch nach dem SGB VI Vorrang vor dem Anspruch nach Art 2 RÜG, wobei ggfs zusätzlich zur SGB VI-Rente ein Übergangszuschlag gezahlt wird (vgl § 319b Satz 2 SGB VI). Als Sonderregelung zu § 89 SGB VI regelt § 319b Satz 1 SGB VI also für den Fall konkurrierender gleichartiger Rentenansprüche (= mehrere Ansprüche auf Rente aus eigener Versicherung ≪Versichertenrente≫ oder mehrere Ansprüche auf Hinterbliebenenrente) den Vorrang der SGB VI-Rente. § 319b Satz 1 SGB VI ist aber keine Sonderregelung zu § 97 SGB VI über die Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes und ist daher nicht anzuwenden, wenn es sich – wie hier – bei den zusammentreffenden Rentenansprüchen um einen Anspruch auf Versichertenrente nur nach Art 2 RÜG und einen Witwenrentenanspruch nur nach SGB VI handelt; in einem solchen Fall ist die Versichertenrente vielmehr nach Maßgabe des § 97 SGB VI auf die Hinterbliebenenrente anzurechnen (dazu und zur Reichweite des § 319b SGB VI nachfolgend unter 3.).
Nach einhelliger Auffassung berührt § 89 SGB VI nicht den jeweiligen Rentenanspruch; dieser ist vielmehr vorausgesetzt (vgl Lilge in GesamtKomm-SGB VI, § 89 Anm 3, Stand August 2000; Niesel in Kasseler Komm, § 89 RdNr 4, 10, Stand November 2001; Hauck in Hauck/Noftz, SGB VI-Komm, K § 89 RdNr 5a, Stand Februar 1997; VerbandsKomm § 89 SGB VI Anm 1.3, Stand Januar 2001). Die Festlegung, welche Rente “geleistet” wird, regelt lediglich die Erfüllung der konkurrierenden Rentenansprüche durch monatliche Rentenzahlungen. Nichts anderes ist gemeint, wenn § 319b Satz 1 SGB VI bestimmt, welche der genannten Leistungen, auf die Anspruch besteht, “erbracht” wird .
- In den Vorläuferregelungen zu §§ 89 ff SGB VI wurde noch vom “Ruhen” des Rentenanspruchs gesprochen (vgl §§ 1278 ff RVO). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) blieb dabei der Rentenanspruch (das Stammrecht) erhalten; während des Ruhens konnten jedoch die sich aus dem Rentenanspruch ergebenden Ansprüche auf Einzelleistungen nicht entstehen (vgl BSG Großer Senat Beschluss vom 21. Dezember 1971 – GS 6/71 – BSGE 33, 280, 286 = SozR Nr 13 zu § 1302 RVO). Den Begriff des Ruhens verwendet das SGB VI nicht mehr; mit den Formulierungen, dass Renten geleistet bzw Rentenleistungen erbracht werden, stellt es in den Fällen des Zusammentreffens von mehreren Rentenansprüchen auf die Leistungsbewirkung iS der monatlichen Zahlungen ab. Mithin entfällt für den Zeitraum des Zusammentreffens bezüglich des betreffenden Rentenanspruchs (nur) dessen Erfüllung durch monatliche Rentenzahlungen (ähnlich schon der 5. Senat des BSG zum Begriff des Ruhens in seinem Urteil vom 18. Februar 1998 – B 5 RJ 48/96 R – BSGE 82, 17, 18 f = SozR 3-2200 § 1283 Nr 1, S 3, wonach das Ruhen in seiner Wirkung einer gesetzlich fingierten Erfüllung der im Ruhenszeitraum fälligen Rentenbeträge durch die gleichzeitig zu gewährende andere Leistung entspreche, sowie BSG Urteile vom 29. März 1990 – 4 RA 22/89 – SozR 3-2200 § 1291 Nr 1, S 5 f und vom 29. Juli 1997 – 4 RA 41/96 – SozR 3-2600 § 307a Nr 8, S 37 – zu der Formulierung im früheren § 96 AVG bzw § 1317 RVO, wonach ein Berechtigter “keine Leistungen der Rentenversicherung erhält”, wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im jetzigen Beitrittsgebiet hatte: Die Formulierung lege nahe, dass die Vorschriften – anders als das Ruhen – nicht nur das Rentenstammrecht, sondern auch die Einzelansprüche entstehen ließen und nur die Auszahlung ≪Leistungsbewirkung≫ einschränkten). Dass der Anspruch auf die Rente nach Art 2 RÜG bestehen bleibt, hat im Übrigen auch die Beklagte selbst angenommen. So führte sie im Widerspruchsbescheid aus, mit dem Hinzutreten der nach SGB VI berechneten Witwenrente sei “die Zahlung” der Bergmannsaltersrente nicht mehr zulässig.
- Dafür, dass § 319b SGB VI ebenfalls die jeweiligen Rentenansprüche unberührt lässt, spricht auch die Regelung über den Übergangszuschlag. Dieser wird nach § 319b Satz 2 SGB VI “zusätzlich zu den Leistungen nach den Vorschriften dieses Buches” geleistet, wenn nach Anwendung der jeweiligen Vorschriften über das Zusammentreffen von Renten und von Einkommen die Gesamtleistung nach dem Übergangsrecht für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets höher als die Gesamtleistung nach den Vorschriften dieses Buches ist. Wie bereits vom BSG entschieden, ist der Übergangszuschlag nicht Teil der Rente, sondern eine zusätzliche Leistung, die sicherstellen soll, dass mindestens der nach den Vorschriften des Art 2 RÜG ermittelte Betrag der Gesamtleistung gezahlt wird (vgl Gesetzesbegründung BT-Drucks 12/4810, S 27) oder – anders gewendet – die Rente mindestens in der Höhe gezahlt wird, wie sie sich nach dem Recht des Beitrittsgebiets (in der Form, wie es durch Art 2 RÜG kodifiziert worden ist) ergeben hätte. Der Übergangszuschlag gehört damit zu den “Zusatzleistungen” (vgl §§ 315a, 319a SGB VI), durch die entsprechend dem sich aus Art 30 Abs 5 des Gesetzes zum Einigungsvertrag (EinigVtr) ergebenden Vertrauensschutzgedanken eine wirtschaftliche Schlechterstellung der von der Rentenüberleitung erfassten Rentner im Beitrittsgebiet verhindert werden soll (vgl BSG Urteile vom 30. Juni 1998 – B 4 RA 9/96 R – SozR 3-2600 § 319b Nr 1 und vom 24. Februar 1999 – B 5/4 RA 57/97 R – SozR 3-2600 § 319b Nr 2). Seiner Ermittlung geht die Feststellung der jeweiligen Rentenhöhe und des Zahlbetrags der Rentenleistungen nach Anwendung der Vorschriften über das Zusammentreffen von Renten und von Einkommen voraus; er verändert diese Werte aber nicht und nimmt selbst nicht an den Rentenanpassungen teil.
Entgegen der Auffassung des LSG bestimmt § 319b Satz 1 SGB VI nicht, dass die Leistungen, auf die Anspruch nach Art 2 RÜG besteht, “als” Leistungen nach dem SGB VI erbracht werden. Vielmehr werden danach (nur) diejenigen Leistungen erbracht, auf die der Berechtigte nach den Vorschriften des SGB VI Anspruch hat (so auch Schmidt in Kreikebohm, SGB VI-Komm, § 319b RdNr 7).
Da von den verschiedenen Leistungen, die der erste Halbsatz von § 319b Satz 1 SGB VI aufführt, der zweite Halbsatz nur noch die im ersten Halbsatz zuerst genannten Leistungen nach dem SGB VI nennt, bezieht sich vom Wortlaut her das im ersten Halbsatz verwendete Verb (“besteht”) auf beide genannten Leistungen (nach SGB VI und nach Übergangsrecht) und das im zweiten Halbsatz verwendete Verb (werden “erbracht”) nur noch auf die dort einzig genannten Leistungen nach dem SGB VI. Die vom LSG unterlegte Bedeutung nach Art einer Fiktion ließe sich in die Vorschrift nur hineinlesen, wenn nach dem Wort “Leistungen” in ihrem zweiten Halbsatz die Worte “als Leistungen” hinzugedacht werden. Die mit dem Wort “als” verbundene Fiktion wird vom Gesetzgeber zB in § 302a SGB VI vorgenommen, einer Vorschrift, die sich mit Renten befasst, auf die am 31. Dezember 1991 ein Anspruch nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets bestand. Die hiervon abweichende Formulierung in § 319b Satz 1 zweiter Halbsatz SGB VI spricht ebenso gegen eine Auslegung iS einer derartigen Fiktion wie die Vorgängerregelung des Art 2 § 45 RÜG aF. Anders als das LSG ausführt, waren danach lediglich die sich nach dem RÜG und dem SGB VI ergebenden Leistungen zu vergleichen und die betragsmäßig höhere Leistung zu erbringen; dasselbe Ergebnis wird mit § 319b SGB VI erreicht, wenn zu der niedrigeren SGB VI-Leistung ein Übergangszuschlag gezahlt wird (wie hier Störmann in GesamtKomm-SGB VI, § 319b Anm 2, Stand März 1996; Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, § 319b Anm 1, Stand Januar 1994; Diel in Hauck/Noftz, SGB VI-Komm, K § 319b RdNr 1, Stand März 1994; VerbandsKomm-SGB VI, § 319b Anm 2, Stand Juli 1993; auch Polster in Kasseler Komm, § 319b SGB VI, RdNr 7, Stand Oktober 1993, jedoch missverständlich aaO, RdNr 5).
Hinsichtlich der Reichweite des § 319b SGB VI ist dessen systematische Stellung und sein Verhältnis zu den anderen Sonderregelungen über das Zusammentreffen von Renten und von Einkommen zu beachten. Der Wortlaut des § 319b Satz 1 SGB VI spricht ohne nähere Einschränkungen von “Leistungen”; von daher könnte auch der Fall erfasst sein, dass die gleichzeitig bestehenden Rentenansprüche ungleichartig sind. Die Grundregelungen des SGB VI für das Zusammentreffen von gleichartigen Rentenansprüchen legen aber völlig andere Rechtsfolgen fest als für das Zusammentreffen ungleichartiger Rentenansprüche. § 319b SGB VI orientiert sich erkennbar nur an den Kumulierungsvorschriften für gleichartige Rentenansprüche (dazu nachfolgend unter a). Bei Einbeziehung ungleichartiger Rentenansprüche in § 319b SGB VI wären Rentner im Beitrittsgebiet mit Anspruch auf Hinterbliebenenrenten (nur) nach SGB VI, wenn sie Anspruch auf Rente aus eigener Versicherung (nur) nach Art 2 RÜG haben, auch anders gestellt, als wenn es sich bei ihrem Anspruch auf Rente aus eigener Versicherung um eine Bestandsrente des Beitrittsgebiets handeln würde. Denn umgewertete Bestandsrenten (vgl §§ 307a, 307b SGB VI) werden als SGB VI-Renten geleistet (wegen der Rentenart vgl § 302 Abs 2, § 302a SGB VI). Zudem wären dann Rentner im Beitrittsgebiet mit Anspruch auf Hinterbliebenenrente (nur) nach SGB VI, deren Rente aus eigener Versicherung nach Art 2 RÜG niedriger als die Hinterbliebenenrente ist, mit Hinterbliebenenrentenberechtigten ohne Rentenanspruch aus eigener Versicherung gleichgestellt (zur Andersartigkeit der Rente aus eigener Versicherung und dem abgeleiteten Recht auf Hinterbliebenenrente vgl auch BSG Urteil vom 30. August 2001 – B 4 RA 118/00 R – SozR 3-5050 § 22b Nr 2 – zu § 22b Abs 1 Satz 1 FRG). Ein dahingehender Wille des Gesetzgebers ist nicht ersichtlich und wäre im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot aus Art 3 Grundgesetz (GG) auch nicht zu rechtfertigen (dazu im Folgenden unter b bis d). Der teilweise auch in der Literatur (Diel in Hauck/Noftz, SGB VI-Komm, K § 319b RdNr 9, Stand März 1994; Brettschneider in Jahn, SGB-Komm, § 319b SGB VI RdNr 3, Schmidt in Kreikebohm, SGB VI-Komm, 1997, § 319b RdNr 7) und in der Rechtsprechung (LSG Berlin Urteil vom 15. Dezember 1997 – L 16 J 75/97 – veröffentlicht in JURIS) vertretenen Auffassung, ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach SGB VI schließe nach § 319b Satz 1 SGB VI die Zahlung einer Rente aus eigener Versicherung nach Art 2 RÜG aus, kann daher nicht gefolgt werden (wie hier wohl VerbandsKomm-SGB VI, § 319b Anm 3, Stand Juli 1993, und SGB IV, § 18a Anm 20, Stand Januar 1998, wonach auch bei Zahlung einer nach Art 2 RÜG berechneten Rente für die Einkommensanrechnung zu berücksichtigendes Erwerbsersatzeinkommen iS von § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 1 vorliegt).
§ 319b SGB VI ist die einzige Vorschrift des Neunten Unterabschnitts des Zweiten Abschnitts “Ausnahmen von der Anwendung neuen Rechts” im Fünften Kapitel “Sonderregelungen” des SGB VI. Sie betrifft ausweislich der Überschrift “Leistungen bei gleichzeitigem Anspruch auf Renten nach dem Übergangsrecht für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets” und enthält damit für diesen Fall eine Sonderregelung zu den Bestimmungen des Vierten Unterabschnitts “Zusammentreffen von Renten und von Einkommen” (§§ 89 ff SGB VI) des 2. Abschnitts “Renten” im Zweiten Kapitel “Leistungen” des SGB VI. Weitere Sonderregelungen für das Zusammentreffen von Renten und von Einkommen enthält der Fünfte Unterabschnitt (§§ 311, 314a SGB VI) im Zweiten Abschnitt des Fünften Kapitels.
- Die Grundnormen der §§ 89 und 97 SGB VI über das Zusammentreffen von Renten und von Einkommen kennen den Leistungsvorrang und die Anrechnung. Beim Leistungsvorrang wird das Konkurrenzverhältnis dadurch gelöst, dass nur einer der bestehenden Ansprüche “bedient” wird. Die Anrechnung kann je nach Höhe der anzurechnenden Leistung dazu führen, dass die Leistung, auf die angerechnet wird, ganz, teilweise oder gar nicht erbracht wird, während es bei der (den) anderen Leistung(en) in voller Höhe bleibt.
- Hinsichtlich des Zusammentreffens gleichartiger Ansprüche auf Renten der gesetzlichen Rentenversicherung folgt § 89 SGB VI dem Prinzip des Leistungsvorrangs. Nach § 89 Abs 1 Satz 1 SGB VI wird, wenn für denselben Zeitraum Anspruch auf mehrere Renten aus eigener Versicherung besteht, nur die jeweils höchste Rente geleistet; bei gleich hohen Renten ist nach § 89 Abs 1 Satz 2 SGB VI eine bestimmte Rangfolge maßgebend. Für Hinterbliebenenrenten bestimmt § 89 Abs 2 SGB VI, dass eine kleine Witwen- oder eine kleine Witwerrente neben einer großen Witwen- oder großen Witwerrente nicht geleistet wird, während § 89 Abs 3 SGB VI festlegt, dass von mehreren Waisenrenten, auf die gleichzeitig Anspruch besteht, nur die höchste Waisenrente bzw bei gleich hohen Waisenrenten die zuerst beantragte Rente geleistet wird.
Für das Zusammentreffen ungleichartiger Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung gilt hingegen das Prinzip der Anrechnung. Die Versichertenrente wird dabei als Teil des Einkommens behandelt, das sich der Hinterbliebenenrentenberechtigte nach § 97 SGB VI iVm §§ 18a bis e SGB IV auf seine Hinterbliebenenrente anrechnen lassen muss. Eine Anrechnung findet bei Witwen- und Witwerrenten nur statt, wenn das heranzuziehende Einkommen das 26,4fache des aktuellen Rentenwerts übersteigt; sind Kinder mit Anspruch auf Waisenrente vorhanden, erhöht sich das nicht anrechenbare Einkommen für jedes Kind noch um das 5,6fache des aktuellen Rentenwerts. Angerechnet werden schließlich nur 40 vH des danach verbleibenden anrechenbaren Einkommens. Ist sonstiges Einkommen iS von §§ 18a bis 18e SGB IV nicht vorhanden, wird neben der Versichertenrente mithin eine Witwen- oder Witwerrente solange voll geleistet, als die Versichertenrente die genannten Beträge nicht erreicht. Solange der Rentenartfaktor der Witwen- oder Witwerrente 1,0 beträgt (sog Sterbevierteljahr), findet keine Anrechnung statt (§ 97 Abs 1 Satz 2 SGB VI).
Diese Regelung gilt – modifiziert durch § 228a Abs 3 SGB VI (Rentenwert Ost) – auch, wenn es sich bei der Witwenrente um eine Bestandsrente des Beitrittsgebiets handelt. Nach der ausdrücklichen Bestimmung in § 314a Abs 1 SGB VI werden vom 1. Januar 1992 an die Vorschriften über die Einkommensanrechnung wegen Todes ua angewendet, wenn am 31. Januar 1991 Anspruch auf eine Witwenrente auf Grund des im Beitrittsgebiet geltenden Rechts bestand (im Einzelnen dazu vgl Meier, Die Anrechnung von Einkommen auf die Renten wegen Todes, in Mitt LVA Oberfr 1994, 361, 417, 428; zur Anwendung des SGB VI auf Bestandsrenten des Beitrittsgebiets vgl auch Senatsurteil vom 28. Mai 1997 – 8 RKn 27/95 – SozR 3-2600 § 93 Nr 3, S 25). Da sich § 319b Satz 1 SGB VI nur auf Renten nach Art 2 RÜG bezieht und die in das SGB VI überführten Bestandsrenten des Beitrittsgebiets aus eigener Versicherung Erwerbsersatzeinkommen iS von § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB IV sind (vgl Meier aaO, 361, 374) ist auch eine solche Bestandsrente gemäß § 97 SGB VI stets voll zu leisten, während für denselben Zeitraum die Hinterbliebenenrente je nach Höhe dieser Bestandsrente und des weiteren anrechenbaren Einkommens vom dritten Kalendermonat nach Ablauf des Monats, in dem der Ehegatte verstorben ist (§ 97 Abs 1 Satz 2 iVm § 82 Abs 1 Satz 1 Nr 7 SGB VI), voll, nur noch mit einem Teilbetrag oder nicht mehr zu leisten ist.
- Was die Beschreibung der unterschiedlichen Konkurrenzregelungen (Leistungsvorrang und Anrechnung) angeht, so entspricht die Sonderregelung in § 319b SGB VI schon nach ihrem Wortlaut dem Leistungsvorrang, wie er in § 89 SGB VI ausgedrückt ist; ferner wird durch den Übergangszuschlag gewährleistet, dass im Ergebnis eine Leistung erbracht wird, die der höheren Rente entspricht. Müsste man § 319b SGB VI auch als Sonderregelung zu § 97 SGB VI verstehen, würde jedoch völlig anders als in § 97 SGB VI der Versicherte im Ergebnis so gestellt, als ob die Versichertenrente nach Art 2 RÜG von Anfang an voll auf die Witwenrente angerechnet würde; für die Höhe der vom Versicherungsträger zu erbringenden Leistung wäre unerheblich, ob die Versichertenrente (allein oder zusammen mit weiterem anrechenbaren Einkommen) den Freibetrag des § 97 Abs 2 SGB VI überschreitet, der Übergangszuschlag würde nur garantieren, dass die nach Art 2 RÜG zustehende Leistung nicht unterschritten wird. Dafür ist kein einleuchtender Grund ersichtlich.
- Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, ist § 319b SGB VI durch das Rü-ErgG vom 24. Juni 1993 (BGBl I, 1038) eingefügt worden und hat rückwirkend zum 1. Januar 1992 (Art 18 Abs 4 Rü-ErgG) den Art 2 § 45 RÜG abgelöst. Ziel der letzteren Regelung war zum einen, dem Vertrauensschutzgedanken aus Art 30 Abs 5 EinigVtr Rechnung zu tragen und eine wirtschaftliche Schlechterstellung der von der Rentenüberleitung erfassten Rentner im Beitrittsgebiet zu vermeiden. Zum anderen sollte ausgeschlossen werden, dass ein Rentner, der Leistungen sowohl nach Art 2 RÜG als auch nach dem SGB VI beanspruchen kann, aus beiden Vorschriften die für ihn jeweils günstigere einzelne Rentenleistung erhält (BT-Drucks 12/405, S 146 zu Art 2 § 45 RÜG). Die Änderung durch das Rü-ErgG sollte sicherstellen, dass das Regelungsziel in einem maschinellen Verfahren umgesetzt werden kann (BT-Drucks 12/4810, S 27 zu Nr 29). Aus den Gesetzesbegründungen lässt sich ebenso wenig wie aus den jeweiligen Gesetzesformulierungen auf die Absicht des Gesetzgebers schließen, er wolle generell, also auch für das Zusammentreffen ungleichartiger Ansprüche einen Leistungsvorrang bestimmen. Wenn nach SGB VI wie auch nach Art 2 RÜG Ansprüche auf gleichartige Renten bestehen, lässt sich erst nach Anwendung der jeweiligen Vorschriften über das Zusammentreffen von Renten und von Leistungen feststellen, ob für die jeweilige Rente das eine oder das andere Recht günstiger ist. Denn Art 2 RÜG enthält in §§ 41 ff für das Zusammentreffen von Rentenansprüchen Regelungen, die sich von denen des SGB VI zT erheblich unterscheiden und insbesondere keine § 97 SGB VI vergleichbare Einkommensanrechnung kennen. Insoweit macht die Begründung nur deutlich, dass das gleichzeitige Bestehen von Rentenansprüchen nach SGB VI und nach Art 2 RÜG nicht zu einer weiteren Begünstigung führen soll, als sie mit der Überleitung des SGB VI auf das Beitrittsgebiet und mit dem Besitzschutz nach Art 2 RÜG beabsichtigt ist. Wenn nach SGB VI nur ein Witwenrentenanspruch besteht und nach Art 2 RÜG nur ein Rentenanspruch aus eigener Versicherung, bedarf es dieses Leistungsvergleichs nicht, um eine derartige Begünstigung auszuschließen.
- In der Gesetzesbegründung zum RÜG ist hervorgehoben, dass sich mit der Überleitung des SGB VI nicht nur die Situation der Witwen verbessern werde, die nach früherem Recht der DDR keinen Anspruch auf Witwenrente hätten, sondern auch derjenigen, die zwar eine Witwenrente erhielten, welche jedoch wegen des Zusammentreffens mit einer Versichertenrente auf Grund der strengeren Kumulierungsvorschriften des Rechts der früheren DDR auf ein Viertel, dh 25 vH der Rente des verstorbenen Mannes reduziert sei (vgl BT-Drucks 12/405, S 109 f unter A I 2c). Dementsprechend haben Witwen im Beitrittsgebiet ab 1. Januar 1992 Anspruch auf eine Witwenrente unter den Voraussetzungen des § 46 SGB VI wie Witwen in den alten Bundesländern, auch wenn sie bis dahin die Voraussetzungen für eine Witwenrente nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets nicht erfüllten. Für den Fall des Zusammentreffens mit Einkommen gilt – wie oben dargelegt – die Anrechnungsregelung in § 97 SGB VI. Dass der Gesetzgeber den für alle Witwen von Versicherten im Beitrittsgebiet mit Inkrafttreten des SGB VI gewollten Vorteil der (erstmaligen oder jedenfalls höheren) Witwenrente verbunden mit der Einkommensanrechnung gemäß § 97 SGB VI durch die Regelung des § 319b SGB VI denjenigen Witwen, die Anspruch auf eine Rente nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets aus eigener Versicherung erst nach dem 31. Dezember 1991 erworben haben, bis zum Entstehen eines Anspruchs auf eine eigene SGB VI-Rente hätte vorenthalten wollen, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen.
Eine andere Interpretation des § 319b Satz 1 SGB VI wäre auch verfassungsrechtlich bedenklich, insbesondere im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG verlangt nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die rechtliche Unterscheidung in sachlichen Gründen eine ausreichende Stütze findet. Dabei ist es Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, welche einzelnen Elemente eines zu regelnden Lebenssachverhalts er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansehen will; Grenzen ergeben sich aus dem Willkürverbot, bei personenbezogenen Unterscheidungen weiter gehend auch aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip (stRspr vgl zuletzt BVerfG Urteil vom 6. März 2002 – 2 BvL 17/99 – NZS 2002, 253 mwN). Danach ist der allgemeine Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG Beschluss vom 23. März 1994 – 1 BvL 8/85 – BVerfGE 90, 226, 230 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6 und Urteil vom 6. März 2002 – 2 BvL 17/99 – SozR 3-1100 Art 3 Nr 176, S 173 mwN), wobei sich genauere Maßstäbe für eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen lassen (BVerfG aaO, SozR 3-1100 Art 3 Nr 176, S 173 mwN). Ein sachlicher Grund, der es rechtfertigen könnte, Berechtigte mit Anspruch auf eine Bestandsrente des Beitrittsgebiets bei der Einkommensanrechnung auf eine nach dem SGB VI zustehende Hinterbliebenenrente anders zu behandeln als Berechtigte mit Rentenansprüchen nach Art 2 RÜG, ist aber nicht ersichtlich. Der unterschiedliche Zeitpunkt des Rentenbeginns ist dafür kein rechtfertigendes Unterscheidungskriterium; denn Art 30 Abs 5 EinigVtr begründet für die (von Art 2 RÜG erfassten) rentennahen Jahrgänge grundsätzlich keinen anderen Besitz- und Vertrauensschutz als für die (vom SGB VI idF des Art 1 RÜG erfassten) Bestandsrentner.
Aus Art 3 Abs 1 GG folgt ferner eine Pflicht zur Differenzierung bei ungleichen Sachverhalten, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf (vgl BVerfG Urteil vom 30. April 1952 – 1 BvR 14, 25, 167/52 – BVerfGE 1, 264, 275 f und Beschluss vom 15. Mai 1984 – 1 BvR 464, 605/81 und 427, 440/82 – BVerfGE 67, 70, 85 f). Zwar können bei der Ordnung von Massenerscheinungen typisierende und generalisierende Regelungen notwendig sein. Auch bei einer Typisierung unterliegt der Gesetzgeber aber einer strengeren Bindung, wenn sich die Regelung auf ein anderes Grundrecht auswirken kann (vgl BVerfG Beschluss vom 15. Juli 1998 – 1 BvR 1554/89 – BVerfGE 98, 365). An diese Grundsätze war der Gesetzgeber auch bei Überführung der in der Sozialversicherung der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften, die auf Grund und nach Maßgabe des Einigungsvertrags (insbesondere Art 30 Abs 5 EinigVtr) Grundrechtsschutz nach Art 14 Abs 1 GG genießen, gebunden (BVerfG Urteil vom 28. April 1999 – 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95 – BVerfGE 100, 1, 41 f = SozR 3-8570 § 10 Nr 3); ebenso haben sie die Gerichte bei der Gesetzesauslegung zu beachten. Im Fall der Klägerin umfasst der Grundrechtsschutz nach Art 14 Abs 1 GG ihren Anspruch auf Bergmannsaltersrente nach Art 2 RÜG. Dieser Anspruch würde praktisch entwertet, wenn davon bei gleichzeitigem Anspruch auf die Witwenrente, die auch Witwen ohne eigenen Rentenanspruch gewährt wird, nichts bliebe.
Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass der Klägerin bei alleiniger Gewährung der Witwenrente nach dem SGB VI betragsmäßig nicht weniger an Rente gezahlt wird als vorher und ohnehin ihr Anspruch auf Bergmannsaltersrente nach Art 2 RÜG im Regelfall nach einigen Jahren durch eine (dynamische) SGB VI-Rente wegen Alters abgelöst werde (im Fall der Klägerin: ab 1. November 2001). Denn abgesehen davon, dass Fallgestaltungen denkbar sind, in denen wegen der Unterschiedlichkeit der Wartezeitregelung (vgl Art 2 § 16 RÜG einerseits, § 50 SGB VI andererseits) kein Anspruch auf eine SGB VI-Rente besteht, der den Anspruch auf eine Rente nach Art 2 RÜG ablösen kann, ist auch für einen lediglich vorübergehenden Wegfall dieser Leistung kein rechtfertigender Grund gegeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 839055 |
NJ 2003, 111 |
NZS 2003, 268 |
SozR 3-2600 § 319b, Nr. 3 |
SozVers 2003, 116 |