Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung der Erwerbsunfähigkeit iS der Rentenversicherung von der Arbeitsunfähigkeit iS der Krankenversicherung.
Normenkette
RVO § 182 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1961-07-12, § 560 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30, § 562 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1963-04-30, § 580 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30, § 1247 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, § 1276 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Bremen vom 28. Juni 1973 und des Sozialgerichts Bremen vom 1. September 1972 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten wegen eines am 3. Februar 1969 erlittenen Arbeitsunfalls die Gewährung einer Verletztenrente in Höhe der Vollrente, weil er seiner Meinung nach vom Unfalltage an bis zum 26. Mai 1969 erwerbsunfähig im Sinne der Rentenversicherung war.
Der Unfall des Klägers, den er auf einer Geschäftsfahrt von B nach E erlitt, hatte nach dem Durchgangsarztbericht des Chefarztes des Kreiskrankenhauses L/Ostfriesland Dr. med. D vom 6. Februar 1969 neben einem leichten Schockzustand Frakturen des linken Unterschenkels und des linken Außenknöchels sowie Platzwunden am linken Unterschenkel zur Folge. Nach einer Bescheinigung der Berufsgenossenschaftlichen Unfallbehandlungsstellen in B vom 22. Mai 1969 war der Kläger bis zum 26. Mai 1969 einschließlich arbeitsunfähig im Sinne der Krankenversicherung. Da er während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit von seinem Arbeitgeber weiterhin Arbeitsentgelt erhielt, wurde ihm Verletztengeld nicht gewährt.
Am 28. April 1969 beantragte der Kläger bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Auf Veranlassung der BfA erstattete der Facharzt für Chirurgie Dr. med. P, B, das Gutachten vom 10. Juli 1969, in dem er hervorhob, daß bei dem Kläger als Befund neben Narben am linken Unterschenkel ein in guter Stellung heilender Unterschenkelbruch links bestehe. In seiner zusammenfassenden Beurteilung führte er aus, bei dem Kläger habe bis zum 27. Mai 1969 nicht nur Arbeitsunfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit bestanden, der Kläger habe vielmehr in dieser Zeit keinerlei Arbeit leisten können.
Mit Bescheid vom 9. September 1969 lehnte die BfA den Antrag des Klägers auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit mit der Begründung ab, durch den Unterschenkelbruch links und die Narben am linken Unterschenkel werde die Erwerbsfähigkeit zwar eingeschränkt, jedoch nicht in dem Maße, daß bereits Berufsunfähigkeit vorliege. Hiergegen erhob der Kläger Klage und beantragte festzustellen, daß er in der Zeit vom 3. Februar bis 26. Mai 1969 erwerbsunfähig im Sinne der Rentenversicherung gewesen sei. Diese Klage nahm er am 5. Januar 1971 zurück.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Facharzt für Chirurgie Dr. med. T das Gutachten vom 6. Juni 1969. Als Unfallfolgen stellte er eine Schwellung des linken Fußes und Unterschenkels, eine Schwächung der linken Beinmuskulatur, eine Bewegungsbehinderung im oberen Sprunggelenk, eine herabgesetzte Standfestigkeit des linken Beines bei Kalkmangel der Fuß- und Unterschenkelknochen und einen noch nicht völlig durchgebauten Bruchspalt im Schienbein fest. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Klägers durch die Unfallfolgen schätzte er mit 30 v.H. vom Tage der Arbeitsfähigkeit an. Daraufhin gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 16. September 1969 vom 27. Mai 1969, dem Tage nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung, bis auf weiteres eine Teilrente in Höhe von 30 v.H. der Vollrente. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage mit der Begründung, er habe gemäß § 580 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) vom Unfalltage bis zum 26. Mai 1969 Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente in Höhe der Vollrente, da er erwerbsunfähig im Sinne der Rentenversicherung gewesen sei. Im Laufe des Verfahrens setzte die Beklagte die Vollrente auf 20 v.H. herab und entzog schließlich die vorläufige Rente mit Ablauf des Monats Januar 1971. Auch lehnte sie die Gewährung einer Dauerrente ab. Hiermit gab sich der Kläger zufrieden.
Das Sozialgericht (SG) verurteilte die Beklagte, dem Kläger für die Zeit vom 3. Februar bis 26. Mai 1969 eine vorläufige Rente nach einer MdE von 100 v.H. zu zahlen. Die zugelassene Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Zur Begründung führte das Landessozialgericht (LSG) aus: Entscheidend sei nach der Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergebe, in den diese hineingestellt sei. Nicht entscheidend sei dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Gehe man von dem Wortlaut aus, dann entstehe der Anspruch auf Zahlung der Verletztenrente nicht erst mit der Zahlung der Erwerbsunfähigkeitsrente, sondern es genüge, daß der Verletzte tatsächlich erwerbsunfähig im Sinne der Rentenversicherung sei. Würde die Unfallrente erst mit dem Beginn der Zahlung der Erwerbsunfähigkeitsrente gewährt werden, wären diejenigen Versicherten in ungerechtfertigter Weise benachteiligt, die keinen Anspruch auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente hätten. Der Kläger sei auch erwerbsunfähig im Sinne der Rentenversicherung gewesen. Das folge aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. med. Peter vom 10. Juli 1969. Zwar werde in § 24 Abs. 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) gefordert, daß eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit "auf nicht absehbare Zeit" nicht ausgeübt werden könne, während eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit gemäß § 53 AVG auch gewährt werden könne, wenn die Erwerbsunfähigkeit "in absehbarer Zeit" behoben sein werde. Darin liege jedoch nur ein scheinbarer Widerspruch; denn ob die Erwerbsfähigkeit in absehbarer Zeit behoben sein werde, bedeute etwas anderes als die Frage, ob auf nicht absehbare Zeit eine Verwertung von restlichem Leistungsvermögen ausgeschlossen erscheine; sonst könne es eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit nicht geben. Daß der Gesetzgeber eine nur vorübergehende Erwerbsunfähigkeit als einen die Verletztenrente auslösenden Umstand nicht ausschließen wolle, folge auch aus § 580 Abs. 1 Satz 2 RVO.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die zugelassene Revision eingelegt. Sie meint, nach § 580 Abs. 2 RVO beginne die Rentengewährung frühestens mit dem Tage nach dem Arbeitsunfall und nicht mit dem Tage des Unfalls. Die Rechtsauffassung des angefochtenen Urteils hätte zur Folge, daß in jedem Falle, in welchem eine rentenberechtigende MdE des Verletzten die 14. Woche erreichte, für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit wegen der Unfallfolgen die Vollrente zu zahlen sei und dies obgleich der Verletzte, wie bei Arbeitnehmern durchweg üblich, zumindest für die ersten sechs Wochen regelmäßig noch seinen Lohn oder sein Gehalt weiterbeziehe. Dies könne um deswillen schon nicht richtig sein, weil § 560 Abs. 1 Satz 1 RVO Verletztengeld für die Zeit nicht anfallen lasse, für die der Unfallverletzte sein Arbeitsentgelt weiterbeziehe. Der Kläger sei auch während der fraglichen Zeit nicht erwerbsunfähig im Sinne der Rentenversicherung gewesen. Die BfA habe dem Kläger durch ihren Bescheid vom 9. September 1969 durch die Verweigerung einer Rente sowohl wegen Berufs- wie wegen Erwerbsunfähigkeit schlechthin auch die Gewährung einer Rente auf Zeit aus der Rentenversicherung verweigert. Dieser Bescheid sei durch die Rücknahme der Klage für die Beteiligten bindend geworden. Es dürfe nicht unbeachtet bleiben, daß eine nur vorübergehende Erwerbsunfähigkeit, also eine solche, die allenfalls zu einer Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit nach § 53 AVG führen könne, die Zeitrente nicht sofort, d.h. vom Tage ihres medizinischen Eintritts ab, nach sich ziehe, sondern eine vorgängige ununterbrochene Dauer von 26 Wochen vor dem Beginn der Zeitrentengewährung voraussetze. Es sei nicht einzusehen, weshalb eine Erwerbsunfähigkeit, insbesondere eine solche auf Zeit, eine lediglich vorläufige Erwerbsunfähigkeit für den Bereich der Unfallversicherung anders behandelt werde und einem Unfallverletzten eine bessere Rechtsposition geben solle als sie sie ihm im eigenen Bereich der Rentenversicherung zu geben vermöge.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Bremen vom 28. Juni 1973 sowie das Urteil des SG Bremen vom 1. September 1972 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 16. September 1969 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er bezieht sich dazu auf das Urteil des Senats vom 26. Juni 1973 - 8/2 RU 254/72.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Zutreffend ist zwar das LSG davon ausgegangen, daß dann, wenn ein Arbeitsunfall Erwerbsunfähigkeit verursacht hat, der Anspruch auf Verletztenrente gemäß § 580 Abs. 1 RVO schon mit dem Tage des Eintritts dieses Versicherungsfalles und nicht erst mit dem Beginn einer vom Rentenversicherungsträger gewährten Erwerbsunfähigkeitsrente besteht. Diese Beurteilung entspricht der Rechtsauffassung des Senats in seinen Urteilen vom 26. Juni 1973 - 8/2 RU 157/71 - BSG 36, 75 = SozR Nr. 4 zu § 580 RVO, 8/2 RU 177/69 - SozR Nr. 3 zu § 580 RVO sowie in dem unveröffentlichten Urteil 8/2 RU 254/72. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dieses Ergebnis folge aus dem Wortlaut und dem Zweck des § 580 Abs. 1 RVO. Dort sei anders als etwa in § 183 Abs. 3 Satz 1 RVO nicht auf den Tag abgestellt, von dem an Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von einem Träger der Rentenversicherung zugebilligt wird, sondern auf den Beginn der Erwerbsunfähigkeit im Sinne der Rentenversicherung. § 580 Abs. 1 RVO 2. Alternative berücksichtige damit, daß nicht wenige der von der gesetzlichen Unfallversicherung erfaßten Personen (§ 539 RVO) nicht der gesetzlichen Rentenversicherung angehören und trotzdem durch einen Arbeitsunfall erwerbsunfähig im Sinne des § 1247 Abs. 2 RVO (= § 24 Abs. 2 AVG) werden können. Auch sie sollten von Anfang an Verletztenrente erhalten. Der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat zu § 580 Abs. 1 RVO ausgeführt, nach der Vorstellung des Gesetzgebers diene das Verletztengeld lediglich zur Überbrückung kurzfristiger Lohn- und Gehaltsausfälle. Sobald aber der Lebensstandard infolge der MdE für dauernd herabgesunken sei, solle der Ausgleich durch die Verletztenrente hergestellt werden. Dieser Zeitpunkt sei gekommen, wenn sich die gesundheitliche Verfassung des Verletzten im gewissen Grade konsolidiert habe (BSG 30, 42, 44). Das sei, wie der 4. Senat des BSG im Urteil vom 22. Mai 1974 - 4 RJ 107/73 - des weiteren dargetan hat, der Fall, wenn zwar die Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung entfallen, aber eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit verblieben sei (§ 580 Abs. 1, 1.Alternative; § 581 RVO). Dem solle der Fall gleichstehen, daß durch den Arbeitsunfall Erwerbsunfähigkeit eingetreten sei (§ 580 Abs. 1 RVO, 2.Alternative). Hinsichtlich der von Elster und Schmidt (Die Berufsgenossenschaft 1974, 39) erhobenen Einwendungen, mit denen sie geltend gemacht haben, daß es bei Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber zu übermäßigen Bezügen des Verletzten, sonst aber zu Einkünften führen könne, die niedriger seien als das Verletztengeld, hat der 4. Senat darauf hingewiesen, es treffe zwar zu, daß Fälle denkbar seien, in denen der Verletzte vom Tage des Arbeitsunfalles an auf Grund des § 580 Abs. 1 RVO, 2.Alternative die Vollrente und gleichzeitig noch Lohn erhalte; richtig sei auch, daß den Vorschriften der RVO entnommen werden könne, daß sie eine "übermäßige" Ausgleichung der Unfallfolgen zu verhindern suchten (§ 560 Abs. 1 Satz 1 RVO); doch sei dieses Prinzip in der RVO nicht ausdrücklich niedergelegt, so daß es nicht gerechtfertigt sei, vom Wortlaut und Zweck des Gesetzes abzuweichen. Erst recht bestehe zu einem Außerachtlassen des Wortlauts kein Anlaß auf Grund von Nachteilen, die sich für den ergäben, der es unterlasse, den Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu stellen, obwohl sie ihm zustehe. Diese Auffassung des 4. Senats teilt der erkennende Senat.
Soweit Elster und Schmidt aaO S. 41 meinen, die Unternehmerversicherung trage innerhalb der gesetzlichen Unfallversicherung andere Wesensmerkmale als die Versicherung der Arbeitnehmer, berücksichtigen sie nicht, daß diese zumindest in der hier anwendbaren Vorschrift des § 580 Abs. 1 RVO nicht zum Ausdruck gekommen sind.
Voraussetzung für die Rentengewährung nach der 2.Alternative des § 580 Abs. 1 RVO ist, daß der Kläger durch den Arbeitsunfall erwerbsunfähig im Sinne der Rentenversicherung geworden ist. Das LSG hat dies bejaht und dazu auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. med. P vom 10. Juli 1969 hingewiesen. Dieser hatte ausgeführt, bei dem Kläger habe bis zum 27. Mai 1969 nicht nur Arbeitsunfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit bestanden, sondern er habe in dieser Zeit keine Arbeit leisten können. Es hat daraus zu Unrecht gefolgert, daß der Kläger erwerbsunfähig im Sinne der Rentenversicherung gewesen ist. Nach § 1247 Abs. 2 RVO (= § 24 AVG) ist erwerbsunfähig der Versicherte, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen ... auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben oder nicht me als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann. Auch wenn dem LSG darin zuzustimmen ist, daß der Kläger infolge von Krankheit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben und auch nicht mehr als geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen konnte, ist aber weitere Voraussetzung für den Begriff der Erwerbsunfähigkeit im Sinne der genannten Vorschrift, daß dieser Zustand für nicht absehbare Zeit bestehen muß. Der Kläger war jedoch nach den Feststellungen des LSG nur vom 3. Februar bis 26. Mai 1969 zu irgendeiner Arbeitsleistung nicht fähig. Allerdings ist nach § 1276 Abs. 1 RVO (= § 53 Abs. 1 AVG), wenn die begründete Aussicht besteht, daß die Erwerbsunfähigkeit in absehbarer Zeit behoben sein wird, eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nur auf Zeit, und zwar erst vom Beginn der 27. Woche an, jedoch längstens zwei Jahre von der Bewilligung an zu gewähren. Nach der Auffassung des LSG hat die Erwerbsunfähigkeit des Klägers weniger als sechs Monate gedauert, so daß dieser schon aus diesem Grund keinen Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente haben konnte. Allein deshalb kann allerdings Erwerbsunfähigkeit nicht verneint werden. Anders als bei vorübergehender Invalidität (§ 1253 Abs. 1 Nr. 2 RVO idF vor dem ArVNG) und vorübergehender Berufsunfähigkeit (§ 26 Nr. 2 idF vor dem AnVNG), als der Versicherungsfall erst nach Ablauf von 26 Wochen seit dem Bestehen von vorübergehender Invalidität oder Berufsunfähigkeit eintrat, fällt nach der Rechtsprechung des BSG zu § 1276 Abs. 1 RVO der Versicherungsfall mit dem Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit zusammen (BSG 22, 278; SozR Nr. 3 zu § 1276 RVO). Ob die gegen diese Rechtsprechung teilweise im Schrifttum erhobenen Bedenken zutreffen (vgl. insbes. VerbKomm., Anm.3 zu § 1276 RVO), bedarf hier keiner Erörterung. Ist - wie beim Kläger - die Fähigkeit zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nur für einen Zeitraum von knapp vier Monaten und damit, da eine Entscheidung über die Anspruchsvoraussetzungen in der Praxis nicht früher getroffen wird, rückschauend eindeutig nur für eine kurze absehbare Zeit verlorengegangen, so liegt schon begrifflich keine Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 1247 RVO (= § 24 AVG) vor (s. auch Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 2.Aufl., Anm. II B 4a zu § 1247 RVO). Vom 27. Mai 1969 an war beim Kläger nach den Feststellungen des LSG die Arbeitsunfähigkeit (im Sinne der Krankenversicherung) weggefallen und damit hatte sich seine gesundheitliche Verfassung konsolidiert (vgl. BSG 30, 42, 44); infolge des Arbeitsunfalls war seitdem die Erwerbsfähigkeit des Klägers nur noch um 30 v.H. gemindert. Dies bedeutet aber, daß der vorher vorhanden gewesene, nicht ganz vier Monate umfassende, die Verdienstmöglichkeiten des Klägers erheblich stärker einschränkende regelwidrige körperliche Zustand sich nur für eine Übergangszeit ausgewirkt hatte und sich deshalb lediglich als ein vorübergehendes Krankheitsstadium darstellt, welches nicht die Voraussetzungen des § 1247 RVO (= § 24 AVG) erfüllt (so auch der AVG-Komm. von Koch/Hartmann/v.Altrock/Fürst, Bd. IV, Stand April 1973, Anm. C II 2 zu § 24).
Da der erkennende Senat somit beim Kläger Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 1247 RVO verneint und deshalb im Ergebnis mit der - den vom Kläger erhobenen Rentenanspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung schon mangels Berufsunfähigkeit ablehnenden - Ansicht des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung übereinstimmt, kann dahinstehen, ob der Rechtsgedanke in § 562 Abs. 2 Satz 2 RVO auch auf die - erst durch den Sozialpolitischen Ausschuß des Bundestags in den Gesetzentwurf des Unfallversicherungsneuregelungsgesetzes eingefügte (s. Lauterbach aaO Anm. 1 zu § 580, S. 454) - 2.Alternative des § 580 Abs. 1 RVO entsprechend anzuwenden ist und eine Bindung des Unfallversicherungsträgers an die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers nur besteht, wenn dieser Erwerbsunfähigkeit bejaht hat.
Das LSG hat somit zu Unrecht den Anspruch des Klägers auf Verletztenrente nach der 2.Alternative des § 580 Abs. 1 RVO vom 3. Februar 1965 an als vorliegend angesehen. Deshalb waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen