Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 25.04.1984) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. April 1984 wird zurückgewiesen.
Auch die Kosten im Revisionsverfahren sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Gewährung von Altersgeld.
Der Kläger betreibt das Verfahren als Sohn und Alleinerbe der nach Einlegung der Berufung im März 1983 verstorbenen früheren Klägerin (Frau G.) Diese hatte ihren 1964 verstorbenen Ehemann, der ein etwa 38 ha umfassendes landwirtschaftliches Unternehmen hinterließ, zur Hälfte neben ihren fünf Kindern beerbt. Mit notariellem Erbteilübertragungsvertrag vom 17. Mai 1979 übertrug sie ihren Hälfteanteil mit Wirkung ab 1. Dezember 1978 an den Kläger. In Ziffer XII des Vertrages wurde ihr auf Lebenszeit ein jederzeit widerruflicher Bruchteilsnießbrauch von 50 % am land- und forstwirtschaftlichen Betrieb eingeräumt mit der im Vertrag genannten Folge, daß sie während der Dauer des Nießbrauchs „weiterhin steuerlich Mitunternehmerin” sein sollte. Dieses Nießbrauchsrecht wurde im notariellen Auseinandersetzungsvertrag vom selben Tage bestätigt, in dem der Kläger unter Abfindung seiner Geschwister im wesentlichen das landwirtschaftliche Anwesen übernahm.
Die Beklagte lehnte das im Oktober 1980 von Frau G. beantragte Altersgeld ab, da das Nießbrauchsrecht die Annahme einer wirksamen Abgabe des Unternehmens ausschließe (Bescheid vom 10. April 1981; Widerspruchsbescheid vom 23. November 1981). Die hiergegen erhobene Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts –SG– vom 3. Januar 1983; Urteil des Landessozialgerichts –LSG– vom 25. April 1984). Das LSG meint, es fehle an der Anspruchsvoraussetzung einer Unternehmensabgabe, die zu einem dergestalt endgültigen Verlust der Unternehmerstellung führen müsse, daß es dem bisherigen Unternehmer verwehrt sei, alsbald die Bewirtschaftung wieder aufzunehmen. Hieran fehle es, wenn sich der Landwirt gleichzeitig mit der Hofübergabe ein Nießbrauchsrecht am landwirtschaftlichen Unternehmen einräumen lasse. Dieses berechtige zur Ausübung der landwirtschaftlichen Unternehmerstellung. Das Vorbringen, Frau G. habe auf ihr Nießbrauchsrecht von Anfang an verzichtet und man habe das Recht nur aus steuerlichen Gründen vereinbart, ändere hieran nichts. Der mündliche Verzicht auf die Ausübung eines Nießbrauchsrechts führe zu keinem Verlust der Unternehmereigenschaft. Soweit das Bundessozialgericht (BSG) in einem Urteil vom 26. Februar 1969 entschieden habe, ein zur Sicherung des Altenteils eingeräumter Nießbrauch schließe die Abgabe nicht aus, werde dem nicht gefolgt.
Mit der vom LSG wegen Divergenz zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 2 Abs. 3 Satz 1 und 2 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL). Der nur aus steuerlichen Gründen vorbehaltene Nießbrauch, der tatsächlich nie in Anspruch genommen worden sei, schließe eine Abgabe nicht aus.
Der Kläger beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen und die Bescheide der Beklagten aufzuheben und diese zu verurteilen. Altersgeld für die Zeit von Oktober 1980 bis März 1983 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision hatte keinen Erfolg. Der vom Kläger als Rechtsnachfolger seiner Mutter verfolgte Anspruch auf Altersgeld ist unbegründet, da Frau G. das Unternehmen nicht iS des § 2 Abs. 3 GAL abgegeben hatte, wie dies § 2 Abs. 1 Buchst c GAL voraussetzt.
Abgabe in diesem Sinne ist nach § 2 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GAL die Übergabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens oder ein sonstiger Verlust der Unternehmereigenschaft. Ist mit der Abgabe des Unternehmens nicht der Übergang des Eigentums verbunden, so ist diese Anspruchsvoraussetzung nur erfüllt, wenn die Abgabe für einen Zeitraum von mindestens 9 Jahren nach Vollendung des 65. Lebensjahres des Unternehmers unbeschadet weitergehender gesetzlicher Formvorschriften schriftlich vereinbart ist. Ergänzend bestimmt Satz 4 idF des Gesetzes vom 9. Juli 1980, der als Satz 3 durch Gesetz vom 13. Mai 1976 eingefügt wurde, daß, sofern ein landwirtschaftliches Unternehmen von mehreren Unternehmern oder Gesellschaftern betrieben werde, ein sonstiger Verlust der Unternehmereigenschaft nur eintrete, wenn der Unternehmer aus dem Unternehmen ausscheidet.
Das GAL erfaßt in § 1 die landwirtschaftlichen „Unternehmer” wobei Unternehmer derjenige ist, für dessen Rechnung das Unternehmen geht (§ 1 Abs. 2); er bewirtschaftet und nutzt also das Land auf sein Risiko. Die Rechtsform, die ihm das ermöglicht, spielt für die Unternehmereigenschaft keine Rolle. Sie wird jedoch bedeutsam, wenn das Unternehmen abzugeben ist. Hierfür genügt es nicht, daß der Unternehmer die Bewirtschaftung beendet oder mit anderen Worten die Nutzung einstellt. Dadurch verliert er zwar die Unternehmereigenschaft (mit der Folge des Wegfalls der Beitragspflicht), gibt er aber das Unternehmen noch nicht in der von § 2 Abs. 3 GAL geforderten Weise ab. Der Tatbestand „Abgabe oder sonstiger Verlust der Unternehmereigenschaft” iS des Satzes 1 ist nicht mit jedem Ende der Unternehmereigenschaft erfüllt; nach Sinn und Zweck muß vielmehr ein „prinzipiell endgültiger” Verlust vorliegen, der es dem bisherigen Unternehmer verwehrt, alsbald die Bewirtschaftung wieder aufzunehmen, wie der Senat bereits im Urteil vom 9. September 1982 (SozR 5850 § 41 Nr. 14 auf Bl 41) ausgeführt hat.
Das LSG hat nicht festgestellt, in welcher Rechtsform Frau G. in der Zeit nach dem Tod ihres Ehemannes von 1964 bis Mai 1979 Unternehmerin war. In dieser Zeit war Eigentümerin der landwirtschaftlich genutzten Flächen die Erbengemeinschaft, bestehend aus Frau G. und deren fünf Kindern. Danach hat der Senat davon auszugehen, daß die Erbengemeinschaft das Unternehmen betrieb, da kein Anhaltspunkt dafür festgestellt ist, daß diese Frau G. die Nutzung des landwirtschaftlichen Betriebes überlassen hatte. Nach § 1 GAL in der 1964 geltenden Fassung war in einem solchen Falle jeder Miterbe Mitunternehmer. Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 GAL in der seit Juli 1976 geltenden Fassung durch das Gesetz über die Kaufmannseigenschaft von Land- und Forstwirten und den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters vom 13. Mai 1976 (KELG) gilt ein Miterbe nur noch dann als Unternehmer, wenn er hauptberuflich außerhalb eines rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im Unternehmen tätig ist oder in das Unternehmen Flächen in der dort bestimmten Weise eingebracht hat. Da die zweite Alternative jedenfalls nicht in Betracht kommt, scheint das LSG von einer hauptberuflichen Tätigkeit von Frau G. im Unternehmen ausgegangen zu sein und sie deshalb als Mitunternehmerin angesehen zu haben. Als solche müßte Frau G. aber auch deshalb gelten, weil nach der übergangsvorschrift des Art. 5 Abs. 3 des KELG für Personen, die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes landwirtschaftliche Unternehmer iS des § 1 GAL waren und diese Eigenschaft durch das Gesetz verlieren würden, § 1 des GAL in der bisherigen Fassung weitergilt. Sie waren zwar auf Antrag von der Beitragspflicht zu befreien; eine Befreiung von Frau G. ist jedoch nicht festgestellt.
Ob Frau G. aufgrund der notariellen Verträge vom Mai 1979 ihre Stellung als Mitunternehmerin beendet hat und damit nicht mehr beitragspflichtig war, kann offen bleiben. Auch ist nicht festgestellt, ob Frau G. ab einem späteren Zeitpunkt auf die Ausübung des Nießbrauchs verzichtet hat und dann deshalb nicht mehr als Mitunternehmerin beitragspflichtig sein konnte. Beides kann dahinstehen, da es selbst bei Beendigung der Mitunternehmerstellung mit einem damit verbundenen Wegfall der Beitragspflicht an einer Abgabe iS des § 2 GAL fehlt.
Der § 2 Abs. 3 GAL unterscheidet danach, ob mit der Abgabe der Übergang des Eigentums verbunden ist. Dem Erhalt des Eigentums gleichzuachten ist, wenn der Abgebende zwar sein Eigentum (oder Miteigentum) verliert, sich aber ein dingliches Recht vorbehält, das ihn zur Fortsetzung der bisherigen Betätigung als Unternehmer oder Mitunternehmer berechtigt. Das Gesetz zielt auf eine „prinzipiell endgültige” Trennung von der Bewirtschaftung des Landes ab (SozR 5850 § 41 Nr. 14). Eine solche erfolgt nicht, wenn weiterhin ein Nießbrauchsrecht an den früher bewirtschafteten (mitbewirtschafteten) landwirtschaftlichen Grundstücken besteht.
Frau G. war aufgrund des vorbehaltenen Nießbrauchs zur Fortsetzung der Betätigung als Mitunternehmerin an den in das Eigentum des Klägers gelangten landwirtschaftlichen Grundstücken der früheren Erbengemeinschaft berechtigt. Mit dem in den Entscheidungsgründen des LSG festgestellten „Nießbrauchsrecht am landwirtschaftlichen Unternehmen” ist der schon im Tatbestand erwähnte „jederzeit widerrufliche Bruchteilsnießbrauch von 50 % am land- und forstwirtschaftlichen Betrieb” gemeint, auch wenn in den Entscheidungsgründen (am Ende) nur die Beschränkung auf einen Bruchteil nochmals erwähnt wird, nicht aber die jederzeitige Widerruflichkeit. Bei dem „50 %igen Nießbrauch” handelt es sich um einen sog Bruchteilsnießbrauch (vgl § 1066 BGB), der auch vom Alleineigentümer eingeräumt werden kann. Der Bruchteilsnießbrauch vermittelt wie das Bruchteilseigentum das Recht, zusammen mit dem Eigentümer (dieser hinsichtlich der nicht belasteten Eigentumsquote), die Nutzungsform zu bestimmen, d.h. eine Mitunternehmerstellung in Anspruch zu nehmen.
Die Revision meint zu Unrecht, die Nießbrauchsbestellung sei als Scheingeschäft nach § 117 BGB unwirksam. Die Formulierung im notariellen Vertrag, „mit der Folge, daß Frau G. während der Dauer des Nießbrauchs weiterhin steuerlich Mitunternehmerin” sein solle, deutet darauf hin, daß sie an Gewinn und Verlust gegenüber dem Finanzamt, d.h. im Außenverhältnis, beteiligt sein sollte. Das konnte keine nur formale Position darstellen, besagte vielmehr lediglich, daß im Innenverhältnis so abgerechnet werden sollte, als ob nur der Kläger Unternehmer sei. Bei einer solchen Vertragsgestaltung handelt es sich entgegen der Ansicht der Revision nicht um ein Scheingeschäft iS des § 117 BGB. Die Beteiligten wollten damals diese Rechtsfolgen, unterschiedlich für Außenverhältnis und Innenverhältnis, tatsächlich, wenn auch aufgrund der irrigen Motivation, dadurch Steuern sparen zu können. Auch der behauptete Verzicht auf die Ausübung des Nießbrauchs hat das dingliche Recht nicht zum Erlöschen gebracht, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat.
Unter diesen Umständen läge eine Abgabe im Hinblick auf § 2 Abs. 3 Satz 2 GAL nur vor, wenn Frau G. dem Kläger die alleinige Führung des Betriebes nicht nur durch mündliche Abreden, sondern (unbeschadet weitergehender gesetzlicher Formvorschriften) schriftlich für mindestens 9 Jahre gesichert hätte. Es kann damit dahinstehen, ob der Verzicht auf die Ausübung des Nießbrauchs jederzeit widerruflich war oder endgültig sein sollte, und ob der Verzicht zivilrechtlich formfrei wirksam war. Jedenfalls fehlt es an den im GAL für eine Abgabe geforderten Voraussetzungen. Insoweit genügt es nicht, daß die Widerruflichkeit des Nießbrauchs im notariellen Vertrag festgelegt ist. Dadurch wird zwar dem Übernehmer ähnlich wie durch eine formwirksame Überlassung die Fortführung des Betriebes letztlich gewährleistet. Das GAL setzt jedoch eine formwirksame Überlassung auf mindestens 9 Jahre voraus und fordert zusätzlich hierfür die Einhaltung der Schriftform, damit klare Verhältnisse hinsichtlich der Abgabe geschaffen werden; ein Verlust der Unternehmerstellung aufgrund nur mündlicher Abreden soll nicht ausreichen. Die Widerruflichkeit kann hierbei nur im Zusammenhang mit den lediglich mündlich getroffenen Abreden gesehen werden.
Eine Abrede, daß von dem Nießbrauch nur unter bestimmten Umständen Gebrauch gemacht werden soll, enthält der Vertrag nicht. Der Senat sieht daher keine Veranlassung, zu der vom LSG verneinten Frage Stellung zu nehmen, ob ein nur zur Sicherung der Altenteilsansprüche (vor 1957) eingeräumter Nießbrauch die Abgabe nicht ausschließt, wie das im Urteil des BSG vom 26. Februar 1969 – 7 RLw 1/66 – angenommen wurde.
Die Revision des Klägers war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Fundstellen