Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgabe bei Einräumung eines Nießbrauchsrechts
Orientierungssatz
1. Es liegt keine Abgabe iS von § 2 Abs 3 S 1 GAL vor, wenn in einem notariellen Vertrag ein voller und uneingeschränkter Nießbrauch an einem Ackerstück eingeräumt worden ist, der es gestattet, zu bestimmen, wie das Grundstück genutzt wird.
2. Bei der Abgabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens durch Übergabe in der Form der Eigentumsübertragung ist es für den prinzipiell endgültigen Verlust der Unternehmereigenschaft im Hinblick auf die Wirkung des § 873 Abs 2 BGB als ausreichend anzusehen, daß die Einigung über den Eigentumsübergang notariell beurkundet und dem Erwerber das Land zur Bewirtschaftung überlassen worden war (BSG vom 16.12.1975 11 RLw 11/75 = SozR 5850 § 2 Nr 1). Zwar tritt die dingliche Rechtsänderung - Nießbrauchsbestellung - gemäß § 873 Abs 1 BGB erst mit der Eintragung in das Grundbuch ein. Für die Prüfung jedoch, ob eine Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens oder eines Teiles hiervon gemäß § 2 Abs 3 GAL anzunehmen ist, ist - falls eine Bindung der Beteiligten gemäß § 873 Abs 2 BGB, ua bei notarieller Beurkundung der Einigungserklärungen, erfolgt ist - auf den Zeitpunkt des Eintritts der Bindungseinwirkung abzustellen.
3. Es kommt nicht darauf an, ob der Nießbrauchberechtigte auch tatsächlich von der Nutzung des Grundstückes Gebrauch gemacht hat.
Normenkette
GAL § 2 Abs 3 S 1, § 3 Abs 1 Buchst b; BGB § 873 Abs 2; BGB § 873 Abs 1
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 09.04.1987; Aktenzeichen L 4 Lw 14/85) |
SG Landshut (Entscheidung vom 09.04.1985; Aktenzeichen S 7 Lw 24/84) |
Tatbestand
Streitig ist der Beginn eines Altersgeldes.
Die 1923 geborene Klägerin übertrug das von ihrem verstorbenen Ehemann übernommene landwirtschaftliche Unternehmen durch notariellen Übergabevertrag vom 26. Januar 1984 mit Wirkung vom 1. Januar 1984 auf ihren Sohn (Übernehmer). Von der Übergabe wurden zwei Waldgrundstücke ausgenommen, die im Eigentum der Klägerin verblieben. Als Gegenleistung für die Übergabe erhielt die Klägerin neben einer Reihe anderer Rechte den vollen und uneingeschränkten Nießbrauch an einem Stück Ackerland in der Größe von 1,8544 ha eingeräumt, wobei alle laufenden öffentlichen und privaten Lasten vom Grundstückseigentümer und nicht vom Nießbraucher zu tragen waren. Der Übernehmer bestellte der Klägerin zur Sicherung der ihr eingeräumten Rechte eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit an einem Flurstück, eine Reallast am gesamten übernommenen Anwesen, eine Hypothek zu 50.000,-- DM am gesamten Anwesen für die Zehrpfennigsforderung sowie den Nießbrauch an dem Ackerstück und bewilligte und beantragte die Eintragung dieser dinglichen Rechte in das Grundbuch. Der Flächenwert des Stückes Ackerland, an dem der Klägerin ein Nießbrauch eingeräumt worden war, überschritt 25 vH der nach § 1 Abs 4 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) festgesetzten Mindesthöhe von 6 ha.
Die Klägerin hatte im Januar 1984 Altersgeld bei der beklagten Landwirtschaftlichen Alterskasse beantragt. Nach deren Hinweis, daß wegen des Rückbehalts und des Nießbrauchs die Abgabevoraussetzungen für die Gewährung des Altersgeldes noch nicht erfüllt seien, vereinbarten die Klägerin und ihr Sohn den notariellen Nachtrag vom 27. März 1984 zum Übergabevertrag, mit dem das Nießbrauchsrecht "mit Wirkung vom 26. Januar 1984" wieder aufgehoben wurde und der Antrag auf Eintragung in das Grundbuch als nicht gestellt gelten sollte. Der Nachtrag ging am 29. März 1984 beim Grundbuchamt ein. Die Eintragung des Eigentumsübergangs an den von der Klägerin an ihren Sohn übergebenen Grundstücken in das Grundbuch erfolgte am 16. April 1984.
Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 17. April 1984 Altersgeld ab 1. April 1984. Den Widerspruch, mit dem die Klägerin Altersgeld ab Januar 1984 begehrte, leitete die Widerspruchsstelle der Beklagten mit dem Einverständnis der Klägerin dem Sozialgericht (SG) Landshut als Klage zu.
Durch Urteil vom 9. April 1985 hat das SG den angefochtenen Bescheid der Beklagten abgeändert und diese verurteilt, der Klägerin vorzeitiges Altersgeld ab 1. Februar 1984 zu gewähren. Auf die - vom SG zugelassene - Berufung der Beklagten hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 9. April 1987). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin erfülle die Voraussetzungen auf Altersgeld erst vom 1. April 1984 an, da mit den zunächst zurückbehaltenen Flächen noch keine Abgabe des Unternehmens in dem erforderlichen Umfang erfolgt sei. Die geforderte prinzipiell endgültige Lösung des landwirtschaftlichen Unternehmers von seinem Betrieb liege nicht vor, wenn er zwar das Eigentum übertrage, sich aber zugleich ein Nießbrauchsrecht vorbehalte. Dieses gestatte ihm, jedenfalls nach der Eintragung in das Grundbuch die Bewirtschaftung nach seinem Belieben wieder aufzunehmen. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Klägerin das Nießbrauchsrecht tatsächlich ausgeübt habe. Es sei auch nicht ersichtlich, daß das Nießbrauchsrecht lediglich zur Absicherung von Rechten bestellt worden sei und damit nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) einer prinzipiell endgültigen Lösung des Unternehmers nicht entgegenstehe.
Die Klägerin hat die - vom Senat zugelassene - Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 2 Abs 7 GAL, da bei der Berechnung des Flächenwertes nach dieser Vorschrift das Stück Ackerland, auf dem ihr zunächst ein Nießbrauch noch eingeräumt worden sei, nicht hätte berücksichtigt werden dürfen. Das Nießbrauchsrecht sei nämlich nicht rechtswirksam bestellt gewesen, da zwar eine Einigung erfolgt, das Recht aber noch nicht eingetragen gewesen sei. Allein die Einigung beschränke den Eigentümer jedoch nicht in seiner Verfügungsbefugnis. Ihr, der Klägerin, habe lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch zugestanden, aufgrund dessen ihre prinzipiell endgültige Lösung vom landwirtschaftlichen Unternehmen nicht verneint werden könne. Darüber hinaus habe sie das Nießbrauchsrecht tatsächlich auch nicht ausgeübt. Schließlich sei es nur zur Sicherung der vereinbarten Gegenleistung bestellt worden, wie sich daraus ergebe, daß abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 1030 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht sie als Nießbrauchsberechtigte alle laufenden öffentlichen und privaten Lasten hätte tragen müssen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 9. April 1987 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 9. April 1985 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf BSG-Urteil vom 16. Dezember 1975 - 11 RLw 11/75 = SozR 5850 § 2 Nr 1 = RdL 1976, 76), wonach die dingliche Einigung in Form der Auflassung auch ohne Eintragung in das Grundbuch für die Abgabe in der Form der Eigentumsübertragung ausreiche. Dies müsse auch für den umgekehrten Fall der Eigentumsübertragung unter gleichzeitiger Einräumung eines dinglichen Nießbrauchsrechts gelten. Zwar entstehe das Nießbrauchsrecht als Vollrecht erst mit der Eintragung in das Grundbuch. Nach § 873 Abs 2 BGB seien die Beteiligten aber schon vor der Eintragung an die Einigung gebunden, wenn ua die Erklärungen notariell beurkundet worden seien. Aufgrund dieses Vorganges habe die Klägerin hinsichtlich des Ackerstückes von 1,8544 ha eine derartige Stellung inne, die der des Eigentümers gleiche. Ein prinzipiell endgültiger Verlust der Unternehmereigenschaft sei insoweit nicht eingetreten, so daß ihr Altersgeld erst ab April 1984 zugestanden habe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Ihr stand, wie das LSG zu Recht entschieden hat, vor dem 1. April 1984 Altersgeld nicht zu.
Für den Anspruch der Klägerin als Witwe eines landwirtschaftlichen Unternehmers auf Altersgeld gemäß § 3 Abs 1 Buchst b GAL ist neben anderen Voraussetzungen, die hier erfüllt sind, erforderlich, daß das landwirtschaftliche Unternehmen iS des § 2 Abs 3 GAL abgegeben wurde. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist Abgabe iS des § 2 Abs 1 Buchst c GAL die Übergabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens oder ein sonstiger Verlust der Unternehmereigenschaft. Ist mit der Abgabe des Unternehmens iS des § 2 Abs 1 Buchst c GAL nicht der Übergang des Eigentums verbunden, so ist die Voraussetzung des Abs 1 Buchst c aaO nur erfüllt, wenn die Abgabe für einen Zeitraum von mindestens 9 Jahren nach Vollendung des 65. Lebensjahres des Unternehmers unbeschadet weitergehender gesetzlicher Formvorschriften schriftlich vereinbart wird (§ 2 Abs 3 Satz 2 GAL). Das war hier nicht der Fall.
Eine Abgabe im vorgenannten Sinne kann auch bei nur teilweiser Übergabe des landwirtschaftlichen Unternehmens vorliegen. Hierbei ist gemäß § 2 Abs 7 Satz 1 GAL die Voraussetzung des § 2 Abs 1 Buchst c GAL erst dann erfüllt, wenn der Wirtschaftswert, der Flächenwert oder der Arbeitsbedarf des nicht abgegebenen Teiles des Unternehmens 25 vH der nach § 1 Abs 4 GAL festzusetzenden Mindesthöhe nicht überschreitet.
Wegen des ihr auf dem Ackerstück von 1,8544 ha vertraglich eingeräumten dinglichen Nießbrauchrechts hatte die Klägerin diesen Teil des landwirtschaftlichen Unternehmens nicht iS des § 2 Abs 3 Satz 1 GAL abgegeben. Die Abgabe setzt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG einen "prinzipiell endgültigen Verlust" der Unternehmereigenschaft voraus, einen Verlust mithin, der es dem bisherigen Unternehmer verwehrt, alsbald die Bewirtschaftung wieder aufzunehmen (s zuletzt BSG-Urteil vom 22. Juni 1986 - 4 RLw 4/88 - mwN). Ein solcher Verlust tritt, wie das BSG bereits für die Einräumung eines Nießbrauchs entschieden hat, nicht ein, wenn der Abgebende zwar sein Eigentum verliert, sich aber ein dingliches Recht vorbehält, daß ihn zur Nutzung der übergebenen Grundstücke berechtigt (BSG-Urteil vom 23. Januar 1986 - 11a RLw 10/84 - RdL 1986, 208, 209). Der Abgebende kann nämlich insoweit seine Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer fortführen, da er die Nutzung des Grundstückes, an dem ihm ein dingliches Recht wie der Nießbrauch zusteht, bestimmen kann. So liegt der Fall auch hier. Denn der Klägerin war in dem notariellen Vertrag vom 26. Januar 1984 ein voller und uneingeschränkter Nießbrauch an dem Ackerstück eingeräumt worden, der es ihr gestattete, zu bestimmen, wie das Grundstück genutzt wird.
Der Ansicht der Klägerin, der für die Abgabe erforderliche prinzipiell endgültige Verlust der Unternehmereigenschaft sei trotz der vertraglichen Vereinbarung des Nießbrauchsrechts eingetreten, weil dieses Recht erst mit seiner Eintragung in das Grundbuch wirksam sei, kann nicht gefolgt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG ist es, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, bei der Abgabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens durch Übergabe in der Form der Eigentumsübertragung für den prinzipiell endgültigen Verlust der Unternehmereigenschaft im Hinblick auf die Wirkung des § 873 Abs 2 BGB als ausreichend anzusehen, daß die Einigung über den Eigentumsübergang notariell beurkundet und dem Erwerber das Land zur Bewirtschaftung überlassen worden war (BSG SozR 5850 § 2 Nr 1). Für die Frage, wann eine Abgabe iS des § 2 Abs 3 GAL erfolgt ist, soll in diesen Fällen nämlich nicht auf die - den Einwirkungen der Vertragsparteien entzogene und oftmals später durchgeführte - Eintragung in das Grundbuch abgestellt werden. Dieser Rechtsgrundsatz ist auch hier heranzuziehen. Zwar tritt die dingliche Rechtsänderung - Nießbrauchsbestellung - gemäß § 873 Abs 1 BGB erst mit der Eintragung in das Grundbuch ein. Für die Prüfung jedoch, ob eine Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens oder eines Teiles hiervon gemäß § 2 Abs 3 GAL anzunehmen ist, ist - falls eine Bindung der Beteiligten gemäß § 873 Abs 2 BGB, ua bei notarieller Beurkundung der Einigungserklärungen, erfolgt ist - auf den Zeitpunkt des Eintritts der Bindungseinwirkung abzustellen. Das erweist sich gerade in Fällen der vorliegenden Art als notwendig, in dem mit der Eintragung des Eigentumsübergangs zugleich auch ein Nießbrauchsrecht eingetragen werden soll, die Nutzungsberechtigung der übergebenen Grundstücke also abweichend von der Eigentümerstellung vereinbart worden ist.
Angesichts des Umstandes, daß die Klägerin bis zur Eintragung des Eigentumsübergangs an den von ihr übergebenen landwirtschaftlichen Grundstücken am 16. April 1984 noch Eigentümerin der Grundstücke war, muß davon ausgegangen werden, daß sie als Noch-Eigentümerin und - zukünftige - Nießbrauchsberechtigte des Ackerstückes über 1,8544 ha die tatsächliche Möglichkeit zur Nutzung dieses Grundstückes hatte. Darauf, daß sie - uU aufgrund der jahreszeitlichen Gegebenheiten - hiervon möglicherweise keinen Gebrauch gemacht hat, kommt es nicht an. Ebensowenig kann die Aufhebung des Nießbrauchsrechts im notariellen Nachtragsvertrag vom 27. März 1984 mit Wirkung vom 26. Januar 1984 den im Rahmen des § 2 Abs 3 GAL maßgebenden tatsächlichen Umstand, daß bis zum 27. März 1984 hinsichtlich des fraglichen Ackerstückes die Möglichkeit zur Nutzung bestanden, also noch keine Abgabe stattgefunden hatte, nachträglich beseitigen. Schließlich sind, wie das LSG zutreffend dargelegt hat, dem Übergabevertrag vom 26. Januar 1984 keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß nach der Gesamtheit der Umstände die Vereinbarung des Nießbrauchsrechts ausschließlich zur Sicherung der übrigen Rechte der Klägerin erfolgt ist, was nach der Entscheidung des BSG vom 26. Februar 1969 - 7 RLw 1/66 (GVLAK-Rundschreiben 31/69) einer Abgabe nicht entgegensteht.
Nach allem hatte die Klägerin das Ackerstück von 1,8544 ha vor dem 27. März 1984 noch nicht iS des § 2 Abs 3 Satz 1 GAL abgegeben. Das Ackerstück überschritt nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG 25 vH der Mindesthöhe iS des § 1 Abs 4 GAL in Höhe von 6 ha, so daß bis zur Aufhebung des Nießbrauchsrechts im notariellen Nachtrag vom 27. März 1985 auch keine unschädliche Teilabgabe iS des § 2 Abs 7 Satz 1 GAL erfolgt war.
Der Klägerin stand somit Altersgeld erst mit Ablauf des Monats März 1984, in dem sie die Voraussetzungen erfüllte (§ 10 Abs 2 GAL), also ab 1. April 1984 zu. Ihre Revision war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen