Leitsatz (amtlich)
Bereits vor Inkrafttreten des NEhelG vom 1969-08-19 (BGBl 1 1969, 1243) stand ein nichteheliches Kind bei festgestellter Vaterschaft oder Unterhaltspflicht (BKGG § 2 Abs 1 Nr 4) zu einem ehelichen Kind desselben Vaters in einem Geschwisterverhältnis iS des BKGG § 2 Abs 1 Nr 7.
Normenkette
BKGG § 2 Abs. 1 Nr. 4 Fassung: 1964-04-14, Nr. 7 Fassung: 1964-04-14
Tenor
Das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. November 1968 wird aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der Kläger bezog Kindergeld unter Berücksichtigung seiner drei in den Jahren 1955, 156 und 1959 geborenen ehelichen Kinder. Am 1. Dezember 1964 beantragte er, bei der Gewährung des Kindergeldes zusätzlich das am 29. Dezember 1948 geborene Kind W L (W.), ein nichteheliches Kind des am 31. Oktober 1951 verstorbenen Vaters des Klägers, zu berücksichtigen. Dieses Kind lebte seit der Geburt bei seiner Mutter und seinem Stiefvater M L in N. Durch Urteil des Amtsgerichts Altötting vom 28. März 1950 war der Vater des Klägers verurteilt worden, für W. Unterhalt zu leisten. Der Kläger übernahm die Unterhaltsverpflichtung seines Vaters auf Grund des Hofübergabevertrages vom 30. August 1951 (Urkunde des Notars Sch in Altötting - UR-Nr. 1962/51 -). Er zahlte vom 1. Januar 1964 an 85,- DM und vom 1. Februar 1966 an 95,- DM Unterhalt. W. stand von August 1963 bis 31. August 1966 in einem Lehrverhältnis. Seine Lehrlingsvergütung betrug im ersten Lehrjahr 70,- DM, im zweiten 80,- DM und im dritten 90,- DM.
Durch Bescheid vom 28. Dezember 1964 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, W. sei mit dem Kläger nicht verwandt und könne deshalb nicht als Kind im Sinne des § 2 Abs. 1 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) berücksichtigt werden. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 1965).
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) München mit Urteil vom 1. Februar 1967 den Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 1964 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 1965 aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli 1964 bis 31. August 1966 Kindergeld unter Berücksichtigung des Kindes W. zu gewähren. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die - nicht zugelassene - Berufung eingelegt. Sie hat als wesentlichen Verfahrensmangel gerügt, das SG habe es unterlassen, den für die Beurteilung der überwiegenden Unterhaltsgewährung maßgebenden Sachverhalt erschöpfend aufzuklären. Durch Urteil vom 6. November 1968 hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat dazu ausgeführt: Die Berufung sei nach § 150 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Die Beklagte habe zu Recht unzureichende Sachaufklärung als wesentlichen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens gerügt. Das SG hätte aufklären müssen, welcher Betrag für den gesamten Lebensunterhalt des W. in der in Betracht kommenden Zeit erforderlich gewesen und aus welchen Mitteln der Lebensunterhalt bestritten worden sei. Zum Bedarf seien nicht nur Kleidung und Essen zu rechnen, sondern auch die übrigen Aufwendungen für die Betreuung und Erziehung des Kindes. Diesen Bedarf zu ermitteln sei umso notwendiger gewesen, als nach der Berechnung des SG die Unterhaltsleistungen des Klägers nur geringfügig über den sonstigen für das Kind zur Verfügung stehenden Unterhaltsbeiträgen und von August 1965 bis Januar 1966 "eventuell" sogar darunter gelegen hätten. Das SG hätte auch nicht unterstellen dürfen, daß der Stiefvater des W. in den Jahren 1964 und 1965 dasselbe Einkommen wie im Jahr 1966 erzielt habe. Die somit zulässige Berufung sei auch begründet. Der Kläger und W. seien zwar Söhne eines gemeinsamen Vaters und damit Halbbrüder, aber gleichwohl keine Geschwister i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 7 BKGG. Denn nach § 1589 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gelte ein uneheliches Kind mit seinem Vater nicht als verwandt. Die Aufzählung des § 2 Abs. 1 BKGG - eheliche, für ehelich erklärte, an Kindes Statt angenommene und uneheliche Kinder - zeige, daß der Status des Kindes dem bürgerlichen Recht entnommen sei. Gerade die besondere Erwähnung der unehelichen Kinder in Nr. 4 des § 2 Abs. 1 BKGG beweise, daß diese nicht wie eheliche Kinder schlechthin berücksichtigt würden, also insoweit nicht das natürliche (blutsmäßige), sondern das familienrechtliche Verwandtschaftsverhältnis maßgeblich sei. Auch der Große Senat des Bundessozialgerichts (BSG) habe in seinem Beschluß vom 11. Mai 1960 (BSG 12, 147) ausgeführt, daß die auf familienhafte Beziehungen verweisenden Begriffe des Sozialversicherungsrechts inhaltlich durch das bürgerliche Familienrecht bestimmt würden und die Unterscheidung zwischen ehelichen und unehelichen Kindern sich auch im Sozialversicherungsrecht nur dann durchführen lasse, wenn man die im öffentlichen wie im bürgerlichen Recht allein maßgeblichen Begriffe des BGB zugrunde lege. Da Enkel und Geschwister nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 BKGG offensichtlich wegen des engen familienähnlichen Verhältnisses zum Berechtigten als Kinder berücksichtigt würden, ein solches Verhältnis zwischen dem unehelichen Kind und dessen Vater aber regelmäßig nicht bestehe, verstoße die Vorschrift bei dieser Auslegung auch nicht gegen Art. 3 und Art. 6 Abs. 5 des Grundgesetzes (GG).
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Kläger hat Revision eingelegt. Zur Begründung führt er aus: Die Berufung sei unzulässig gewesen, weil das erstinstanzliche Verfahren an keinem wesentlichen Mangel (§ 150 Nr. 2 SGG) leide. Das SG habe seine Feststellungen auf die Aussage der Zeugin L - der Mutter des W. - über die festen Auslagen des Familienhaushalts und die Aufwendung des W. stützen können. Eine Vernehmung des Ehemannes der Zeugin sei nicht erforderlich gewesen. In materiell-rechtlicher Hinsicht habe das LSG zu Unrecht ein Geschwisterverhältnis i. S. des BKGG verneint. Es sei zwar richtig, daß nach den Vorschriften des BGB der Kläger und W. nicht als verwandt anzusehen seien. Der Gesetzgeber habe es jedoch versäumt, den Verfassungsauftrag des Art. 6 Abs. 5 GG zu erfüllen und die unehelichen Kinder den ehelichen Kindern gleichzustellen. Die Säumnis des Gesetzgebers führe dazu, daß die Vorschriften des BGB außer Kraft getreten seien, soweit sie Nachteile für das uneheliche Kind gegenüber dem ehelichen Kind brächten. Zudem sei die zivilrechtliche Regelung des Verwandtschaftsverhältnisses für das BKGG nicht anwendbar. Insbesondere sei das uneheliche Kind kindergeldrechtlich praktisch dem ehelichen Kind gleichgestellt worden. Es widerspreche deshalb dem Sinn und Zweck des § 2 Abs. 1 Nr. 7 BKGG, insoweit auf den längst überholten Verwandtschaftsbegriff des Zivilrechts zurückzugreifen. Schließlich sei der Kläger als Gesamtrechtsnachfolger in die Rechte und Pflichten seines Vaters eingetreten, so daß W. auch bei ihm als uneheliches Kind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 BKGG berücksichtigt werden müsse.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 6. November 1968 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG München vom 1. Februar 1967 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält die Berufung für zulässig und meint, daß die Aussage der vom SG gehörten Zeugin L keinen Aufschluß über den gesamten Unterhaltsbedarf des W. gebe und das SG insoweit weitere Feststellungen hätte treffen müssen. In der Sache selbst hält die Beklagte das Urteil des LSG für richtig.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).
II
Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist zulässig und begründet.
Das LSG hat allerdings entgegen der Auffassung des Klägers mit Recht eine Sachentscheidung über die Berufung der Beklagten getroffen. An sich war die Berufung nach § 27 Abs. 2 BKGG nicht zulässig, weil sie nur Kindergeld für bereits abgelaufene Zeiträume (Juli 1964 bis August 1966) betraf. Die nicht nach § 150 Nr. 1 SGG zugelassene Berufung konnte deshalb nur zulässig sein, wenn ein wesentlicher Mangel im Verfahren des SG gerügt war und vorlag (§ 150 Nr. 2 SGG; BSG, SozR Nr. 3 zu § 52 SGG). Die Beklagte hatte im Berufungsverfahren vorgebracht, das SG habe es unterlassen, den für die Rechtsfindung maßgebenden Sachverhalt zu erforschen. Damit hatte sie die Verletzung des § 103 SGG gerügt. Die Berufungsbegründung - an die hinsichtlich der Rüge eines Verfahrensmangels nicht die Formerfordernisse des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG zu stellen sind (BSG, SozR Nr. 31 zu § 150 SGG) - ließ auch erkennen, worin eine Verletzung der Aufklärungspflicht gesehen wurde. Die Beklagte hatte beanstandet, das SG habe, obwohl es bei der Darlegung seiner sachlich-rechtlichen Auffassung auf den "gesamten Lebensbedarf sowie die Kosten der Erziehung und der Vorbildung zu einem Beruf" des Kindes W. abgestellt habe, es unterlassen, den über die bloße Nahrung hinausgehenden Bedarf für die Betreuung und Erziehung des Kindes - u. a. auch die Kosten für Heizung, Licht usw. - betragsmäßig festzustellen. Der behauptete wesentliche Mangel im Verfahren des SG lag auch vor. Das SG hätte, um den Anteil des Klägers am Unterhalt des Kindes W. bestimmen zu können, insbesondere ermitteln müssen, welcher Betrag für den gesamten Lebensunterhalt des Kindes in der in Betracht kommenden Zeit erforderlich war und aus welchen Mitteln der Lebensunterhalt bestritten wurde. Das ist nicht geschehen. Außerdem durfte das SG, worauf die Beklagte und das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend hingewiesen haben, nicht "unterstellen", daß der Stiefvater des W. in den Jahren 1964 und 1965 ein ebenso hohes Einkommen erzielt habe wie im Jahr 1966. Die Voraussetzungen des § 150 Nr. 2 SGG waren daher gegeben und die Berufung der Beklagten damit zulässig.
Der Berücksichtigung des Kindes W. beim Kläger nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 BKGG stehen die Erwägungen, welche die Beklagte und das LSG aus dem bis zum 1. Juli 1970 geltenden Familienrecht (§ 1589 Abs. 2 BGB aF) hergeleitet haben, nicht entgegen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 BKGG werden als Kinder Enkel und Geschwister berücksichtigt, die der Berechtigte in seinen Haushalt aufgenommen hat oder überwiegend unterhält. Das LSG hat die Voraussetzungen dieser - hier ausschließlich in Betracht kommenden - zweiten Alternative des § 2 Abs. 1 Nr. 7 BKGG mit der Begründung verneint, der Kläger und W. seien zwar Söhne eines gemeinsamen Vaters, aber trotzdem nicht Geschwister i. S. des BKGG, weil W. als uneheliches Kind mit seinem Vater und folglich auch mit dem Kläger nicht verwandt sei (§ 1589 Abs. 2 BGB aF). Dieser Rechtsansicht vermag der Senat nicht beizutreten. Der Begriff der Geschwister ist gesetzlich nicht definiert; in § 4 des Ehegesetzes (EheG) ist allerdings zwischen vollbürtigen und halbbürtigen Geschwistern unterschieden, ohne daß jedoch der Begriff Geschwister festgelegt wird. Auch die allgemeine Auffassung kennt diese Unterscheidung. Sie versteht unter vollbürtigen Geschwistern solche, die von gemeinsamen Eltern abstammen, und unter halbbürtigen solche, die nur einen Elternteil gemeinsam haben. Danach steht der Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 7 BKGG nicht entgegen, daß der Kläger und W. nicht von gemeinsamen Eltern, sondern nur von einem gemeinsamen Vater abstammen, also nicht vollbürtige Geschwister sind. Bedenken gegen ein Geschwisterverhältnis zwischen dem Kläger und W. lassen sich entgegen der Auffassung des LSG auch nicht aus § 1589 Abs. 2 BGB aF herleiten. Nach dieser Vorschrift galten ein uneheliches Kind und dessen Vater nicht als verwandt. Diese gesetzliche Fiktion durchbrach den Grundsatz, daß Personen, deren eine von der anderen abstammt, - in gerader Linie = verwandt sind (§ 1589 Abs. 1 BGB). Gemäß Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969 (NeG - BGBl I 1243) ist § 1589 Abs. 2 BGB weggefallen. Daraus folgt, daß auch der nichteheliche Vater und seine Verwandten jetzt Verwandte des Kindes und seiner Abkömmlinge sind. Bei der Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ist indessen noch das alte Recht anzuwenden. Das NeG ist am 1. Juli 1970 in Kraft getreten (Art. 12 § 27 NeG). Die rechtliche Stellung eines vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes geborenen Kindes und seiner Verwandten bestimmt sich gemäß Art. 12 § 1 NeG erst für die Zeit nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nach dessen Vorschriften, soweit sich nicht aus dem Art. 12 §§ 2 bis 23 NeG ein anderes ergibt. Keiner dieser Ausnahmetatbestände kommt hier in Betracht. Der Kläger und W. galten mithin während des Zeitraumes von Juli 1964 bis August 1966, für den die Höhe des Kindergeldanspruchs streitig ist, nach § 1589 Abs. 2 BGB nicht als verwandt.
Der Geschwisterbegriff des § 2 Abs. 1 Nr. 7 BKGG wird aber entgegen der Ansicht des LSG durch die gesetzliche Fiktion des § 1589 Abs. 2 BGB nicht eingeschränkt. § 1589 Abs. 2 BGB war ein Mittel juristischer Gesetzestechnik, um die allgemeinen Folgen der Verwandtschaft im Verhältnis des nichtehelichen Kindes zu seinem Vater auszuschalten und die familienrechtlichen Beziehungen dieser Personen selbständig zu regeln (vgl. §§ 1708 ff BGB aF). Hierin erschöpfte sich der Zweck der Vorschrift. Sie mußte daher außer Betracht bleiben, wenn eine verwandtschaftsbezogene Norm außerhalb des BGB von einem Gedanken beherrscht war, der - wie zum Beispiel das Eheverbot des § 4 EheG - dem Zweck der Fiktion fern stand (Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, S. 23). Andererseits war für bestimmte Gesetze, z. B. das Gerichtsverfassungsgesetz, die Zivilprozeßordnung und die Strafprozeßordnung, aufgrund ausdrücklicher Verweisung (Art. 33 des Einführungsgesetzes zum BGB) der Verwandtschaftsbegriff des BGB und damit auch dessen Beschränkung durch § 1589 Abs. 2 BGB maßgebend. Für das BKGG fehlt eine solche Verweisung auf den Verwandtschaftsbegriff des BGB. Das BKGG läßt im Gegenteil erkennen, daß die nichtehelichen Kinder unter bestimmten Voraussetzungen auch zur Familie des Vaters gerechnet werden und deshalb mit dessen anderen - ehelichen und nicht ehelichen - Kindern "verschwistert" sind. Denn nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 BKGG werden als Kinder im Sinne des BKGG nichteheliche Kinder im Verhältnis zum Vater berücksichtigt, wenn seine Vaterschaft oder seine Unterhaltspflicht festgestellt ist. Der Gesetzgeber hat sich dabei offenbar von der Erwägung leiten lassen, daß es dem Zweck der Kindergeldgewährung, Familienlasten auszugleichen, entspricht, konsequent auf die blutsmäßige Abstammung abzustellen. Überdies weist das Sozial- und Kriegsfolgenrecht allgemein die Tendenz auf, den durch § 1589 Abs. 2 BGB aF früher eingeschränkten Verwandtschaftsbegriff des BGB nicht zu übernehmen, vielmehr das nichteheliche Kind zur Familie auch des Vaters zu rechnen (vgl. z. B. § 583 Abs. 5, §§ 595, 1262 Abs. 2, § 1267 RVO, §§ 39 Abs. 2, 44 AVG, § 60 Abs. 2 RKG, § 45 Abs. 2 BVG; hierzu Ramm, JuS 1967, 209, 211).
Im Kindergeldrecht wird die Verwandtschaft des nichtehelichen Kindes zu seinem Vater allerdings nur berücksichtigt, wenn seine Vaterschaft oder seine Unterhaltspflicht festgestellt ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 BKGG). Diese zusätzliche Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt. Denn der Vater des W. hatte auf Grund des Urteils des Amtsgerichts Altötting vom 28. März 1950 für W. Unterhalt zu leisten. Da der Kläger und W. von demselben Vater abstammen und die Fiktion des § 1589 Abs. 2 BGB für die Berücksichtigung von Kindern nach § 2 Abs. 2 BKGG nicht gilt, sind und waren W. und der Kläger Geschwister i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 7 BKGG.
Dieser Auslegung des § 2 Abs. 1 Nr. 7 BKGG steht auch nicht der Beschluß des Großen Senats des BSG vom 11. Mai 1960 (BSG 12, 147) entgegen. Anläßlich der Frage, wie der Begriff des "ehelichen Kindes" im Sinne des § 1258 Abs. 2 Nr. 1 RVO aF zu bestimmen ist, ist in dieser Entscheidung (aaO, 148) u. a. ausgeführt, daß auch aus rechtstechnischen Erwägungen die auf familienhafte Beziehungen verweisenden Begriffe des Sozialversicherungsrechts inhaltlich durch das bürgerliche Familienrecht bestimmt werden, weil das Sozialversicherungsrecht kaum Anhaltspunkte für eine eigenständige Ausgestaltung der auf die Familie bezogenen rechtlichen Grundbegriffe biete. Damit ist nur gesagt, daß die familienrechtlichen Begriffe im Regelfall auch für das Sozialversicherungsrecht - für das Kindergeldrecht kann nichts anderes gelten - maßgeblich sind. Daraus ist aber gleichzeitig zu schließen, daß der Rückgriff auf das bürgerliche Familienrecht unterbleiben muß, wenn sich im Sozialversicherungs- bzw. Kindergeldrecht eine eigenständige Regelung findet. Das Kindergeldrecht enthält insofern eine solche eigenständige Regelung, als es die familienrechtliche Fiktion, daß ein uneheliches Kind und dessen Vater nicht als verwandt gelten, nicht übernommen, sich vielmehr zu ihr in Widerspruch gesetzt hat.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 BKGG sind Geschwister als Kinder i. S. des BKGG indessen nur unter der Voraussetzung zu berücksichtigen, daß der Berechtigte sie in seinen Haushalt aufgenommen hat oder überwiegend unterhält. W. lebt nicht im Haushalt des Klägers, so daß es entscheidend darauf ankommt, ob der Kläger ihn durch seine Unterhaltsleistungen überwiegend unterhalten, d. h. mehr als die Hälfte des Unterhalts aufgebracht hat (BSG 20, 148, 150; BSG, SozR Nr. 2 zu § 12 BKGG). Das LSG hat hierzu - von seiner Rechtsauffassung aus verständlich - keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Es hat nur die Höhe der Unterhaltsleistungen des Klägers und die Höhe der Lehrlingsvergütung des W. festgestellt. Die Bezugnahme auf die Aussage des Stiefvaters des W. kann die erforderlichen Feststellungen nicht ersetzen, zumal sie nur die Bekundung "über die Unterhaltsgewährung an das Stiefkind in den Jahren 1964 bis 1966" umfaßt. Da es somit an hinreichenden Feststellungen zur Frage, ob der Kläger W. in der Zeit von Juli 1964 bis August 1966 überwiegend unterhalten hat, fehlt, kann der Senat in der Sache keine Entscheidung treffen. Der Rechtsstreit muß daher gemäß § 170 Abs. 2 SGG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden. Das LSG wird die Höhe der gesamten Aufwendungen für den Unterhalt des W. konkret festzustellen haben. Soweit es in diesem Zusammenhang erforderlich ist, das Gesamteinkommen der Familie des Stiefvaters und der Mutter des W. zu ermitteln, wird nicht nur das Bareinkommen zu berücksichtigen sein, sondern auch die - geldwerte - Leistung, welche die Ehefrau und Mutter durch die Haushaltsführung erbringt (Urteil des erkennenden Senats vom 16. Februar 1968, SozR Nr. 2 zu § 12 BKGG; Urteil des 5. Senats des BSG vom 10. Dezember 1970, SozR Nr. 41 zu § 1267 RVO). Das LSG wird in seiner abschließenden Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen