Leitsatz (amtlich)
Bei der Entscheidung, ob ein Versicherter, dessen Versicherungsverhältnis auf Beiträgen aus abhängigen Beschäftigungen beruht, berufsunfähig ist, ist eine Verweisung auf selbständige Tätigkeiten nicht schlechthin ausgeschlossen.
Normenkette
RVO § 1246 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. November 1962 wird aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
Dem Kläger war 1953 vornehmlich wegen Verlustes des linken Beines - der Folge einer Kriegsverletzung - die Invalidenrente gewährt worden. Sein Gang war zusätzlich durch einen Schußbruch des rechten Unterschenkels behindert. Außerdem litt er an rezidivierender Knochenmarkseiterung des linken Oberarms und an chronischen Zwölffingerdarmgeschwüren.
Vor dem Kriegsdienst hatte er eine rund 2 1/2-jährige Lehre im Tapezier- und Polsterhandwerk durchgemacht. 1946 nahm er die Arbeit im elterlichen Betrieb, einer Polsterei mit Ladengeschäft auf, bestand im Dezember 1949 die Meisterprüfung im Tapezierhandwerk und übernahm im Frühjahr 1959 als Inhaber den elterlichen Betrieb. In diesem wurden zumeist zwei Gesellen und ein Lehrling beschäftigt. In die Handwerksrolle war jedoch nicht der Kläger, sondern seine Mutter eingetragen, die auch zu einem Drittel am wirtschaftlichen Ertrag des Unternehmens beteiligt war.
Durch Bescheid vom 5. September 1959 entzog die Beklagte dem Kläger die Rente in der Annahme, er sei nicht mehr berufsunfähig. Der Zustand und die Gebrauchsfähigkeit des linken Armes seien nunmehr wesentlich günstiger zu beurteilen; Zwölffingerdarmgeschwüre seien nicht mehr zu ermitteln. Vor allem aber falle ins Gewicht, daß der Kläger nicht mehr auf die aktive Arbeit als Polsterer angewiesen sei, sondern den eigenen Handwerksbetrieb leite. Daran werde er durch seine Versehrtheit nicht gehindert.
Der Klage hat das Sozialgericht (SG) stattgegeben (Urteil des SG Münster vom 20. Februar 1961); das Landessozialgericht (LSG) hat sie dagegen abgewiesen (Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 16. November 1962). Das LSG stimmte der Beklagten darin zu, daß in den genannten Nebenbefunden eine Gesundung zu verzeichnen sei; es ließ die Frage offen, ob der Kläger wegen des Beinverlustes und der Gehbehinderung im rechten Bein in seinem erlernten Handwerksberuf eine ausreichende Arbeitsfähigkeit zurückerlangt habe. Eine genauere Klärung dieses Sachverhalts erübrige sich; denn in den Erwerbsverhältnissen des Klägers sei ohnedies ein die Rentenentziehung rechtfertigender Wandel eingetreten, seitdem der Kläger Inhaber eines Handwerksbetriebes geworden sei. Daß der Kläger die in diesem Rahmen an ihn gestellten handwerklichen, technischen, organisatorischen und kaufmännischen Obliegenheiten erfüllen könne, habe er unter Beweis gestellt, indem er die Meisterprüfung bestanden habe. Hieraus folge, daß er mindestens die Hälfte der Leistungsfähigkeit eines "vergleichbaren gesunden Handwerkers" besitze. Von dieser für die Handwerkerversicherung maßgebenden Richtlinie könne bei Beurteilung der Berufsunfähigkeit des Klägers ausgegangen werden, weil die ausgeübte selbständige Tätigkeit ihrer Art nach eine solche sei, die nach dem Recht der Handwerkerversicherung die Versicherungspflicht begründe. Hieran ändere nichts, daß der Kläger - zu Recht oder zu Unrecht - nicht in die Handwerksrolle eingetragen sei und deshalb nicht dem Versicherungszwang unterliege. In Anbetracht der gesicherten Situation, in der er sich wirtschaftlich befinde, könne auch von einem sonst mit der Selbständigkeit häufig verbundenen unzumutbaren Wagnis nicht gesprochen werden.
Der Kläger hat die - von dem LSG zugelassene - Revision eingelegt, die Aufhebung des Berufungsurteils und die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Erkenntnisses, hilfsweise, die Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz beantragt. Er hat geltend gemacht, das Berufungsgericht hätte bei zutreffender Würdigung des festgestellten Sachverhalts erkennen müssen, daß sich die Verhältnisse, welche seine Berufsunfähigkeit als Polsterer bedingt hätten, seit der Zeit der Rentenbewilligung nicht geändert hätten. Denn auch von einem Polsterermeister, der dem eigenen Betrieb vorstehe, würden in der Tagespraxis so gut wie alle den Beruf kennzeichnenden Aufgaben und Verrichtungen erwartet. Die Arbeiten seien mit einem beträchtlichen körperlichen Kräfteaufwand verbunden, der gesunde Beine voraussetze. Hinzu komme, daß die Feststellung des Berufungsgerichts, die Knochenmarkseiterungen am linken Oberarm seien für dauernd zum Stillstand gekommen, in Widerspruch stehe zur Darstellung des Sachverständigen Dr. H. Dieser Arzt habe ausgeführt, eine Besserung des Befundes sei weder anatomisch noch klinisch eingetreten und für die Zukunft auch nicht zu erwarten; insbesondere weise der linke Oberarm eine erhebliche Umfangsdifferenz zum rechten Oberarm auf. In dieser Beziehung weiche das Berufungsgericht von der Tatsachenwiedergabe im ärztlichen Gutachten ab. Dazu sei das Gericht aber mangels eigener Sachkunde nicht ohne weitere Aufklärung befugt gewesen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 165, 153, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Revision ist zulässig und hat Erfolg, wenn auch den von der Revision vorgetragenen Bedenken nicht uneingeschränkt gefolgt werden kann.
Die Revision beanstandet ohne Grund, daß der Berufungsrichter im Gegensatz zur Schilderung des ärztlichen Sachverständigen von Tatsachen ausgegangen sei, für die es an ausreichenden Belegen gefehlt habe. Richtig ist, daß der Sachverständige Dr. H am Ende seines Gutachtens zusammenfassend erklärt hat, im Befinden des Klägers sei eine Besserung anatomisch und klinisch nicht eingetreten und auch aller Wahrscheinlichkeit nach für die Zukunft nicht zu erwarten. Diese Bemerkung bezog sich jedoch - und das verkennt die Revision - nicht auf die Knochenmarksentzündung am linken Oberarm. Diese erschien dem Sachverständigen als "seit Jahren zur Ruhe gekommen". Die Bestätigung für diese Ansicht entnahm der Sachverständige vornehmlich den wiederholt ermittelten niedrigen Werten der Blutsenkungsgeschwindigkeit. Auch aus einem Vergleich der Umfangsmaße beider Arme gewann der Sachverständige nicht das von der Revision behauptete Resultat, sondern die Erkenntnis, daß von einem erheblich eingeschränkten Gebrauch der linken Hand - der Kläger sei Rechtshänder - nicht die Rede sein könne.
Dem Berufungsgericht ist auch in seiner sachlich-rechtlichen Auffassung weitgehend beizupflichten. Bei den Gegebenheiten des vorliegenden Falles ist es denkbar, daß der Kläger im Hinblick auf seine selbständige Erwerbstätigkeit nicht mehr berufsunfähig ist. Dem steht nicht entgegen, daß das Versicherungsverhältnis des Klägers ausschließlich auf Beiträgen aus abhängigen Beschäftigungen beruht. Für die Frage der Berufsunfähigkeit wird zwar zumeist die Möglichkeit eines Erwerbs aus einer selbständigen, nicht unter die Rentenversicherungsgesetze fallenden Tätigkeit unbeachtlich sein. Daß dies so ist, folgt aber nicht zwangsläufig aus dem Gesetz und muß daher nicht immer rechtens sein. Allerdings hat das Bundessozialgericht (BSG) anfänglich - zum Begriff der Invalidität - angenommen, daß die Verweisung eines Versicherten auf einen selbständigen Beruf "grundsätzlich" nicht in Betracht komme (BSG 1, 82, 89). Von dieser, die selbständige Berufsarbeit prinzipiell ausschließenden Auffassung ist es jedoch in neueren Entscheidungen abgerückt. Es hat später nicht mehr allgemein und unabhängig von den Gegebenheiten des Einzelfalles jede Erwerbsmöglichkeit außer acht gelassen, derentwegen keine Pflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung besteht. So hat es in BSG 8, 31, 33 aus tatsächlichen Gründen und nicht rundweg aus Rechtsgründen die Frage verneint, ob von dem Versicherten die Fortsetzung des bisherigen selbständigen Berufs erwartet werden könne. In dem Urteil vom 26. Februar 1958 - 1 RA 63/57 - hat es zwischen Selbständigkeit und Unselbständigkeit einer zumutbaren Berufsarbeit keine Trennungslinie gezogen. Wesentlich erschien ihm allein, ob der Versicherte die in Erwägung gezogene Erwerbsmöglichkeit "auch wirklich beherrsche". Diese Rechtsprechung wurde in BSG 19, 147, 149 im Zusammenhang mit einer Entscheidung zum Begriff der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 1247 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) fortgesetzt. Dort ist davon die Rede, daß der Einsatz von Kapital für eine unternehmerische Tätigkeit nicht verlangt werden könne, wenn diese nicht schon tatsächlich ausgeübt werde - ein Fall, über den in jenem Urteil, wie ausdrücklich erklärt wurde, nicht zu entscheiden war -.
Für die Begrenzung des Kreises zumutbarer Tätigkeiten hat in der Vergangenheit der Gedanke mitgespielt, daß in der Arbeiterrentenversicherung eine bestimmte soziale Gruppe zur Sicherung gegen Notfälle des Lebens zusammengefaßt werde. Aus der Natur dieser auf ein Gruppeninteresse abgestellten Versicherung ergäben sich auch die Grenzen für die Voraussetzungen des Versicherungsfalls (vgl. RVA AN 1906, 637 Nr. 1280). - Diese Argumentation wird von Gedankengängen des auf rechtsgeschäftlicher Grundlage beruhenden Versicherungsrechts beherrscht. Ob diese Überlegung im Zusammenhang mit der Sozialversicherung überhaupt angebracht ist, kann dahinstehen. Sie mag vielleicht früher einmal in Anbetracht der Verschiedenheiten der einzelnen Versicherungszweige innerhalb der Rentenversicherung eine gewisse Berechtigung gehabt haben. Mit den Grundzügen der sozialen Rentenversicherung, wie sie heute besteht, ist sie nicht vereinbar. Nicht die Wahrnehmung von Gruppen- und Klasseninteressen, sondern die soziale Schutzbedürftigkeit ist entscheidend. Wer nach der Anschauung des Gesetzgebers der Teilnahme an der sozialen Rentenversicherung wirtschaftlich und rechtspolitisch bedarf, wird - solange dieser Zustand besteht - ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe in die Versicherung einbezogen (vgl. Richter, Sozialversicherungsrecht, 1931, S. 31). Hinzu kommt, daß die in der Rechtsentwicklung deutlich hervortretende Tendenz auf eine Vereinheitlichung aller Zweige der gesetzlichen Rentenversicherung hinausläuft. Die Versicherungsfälle in den einzelnen Versicherungszweigen sind immer mehr angeglichen und schließlich durch die Neuregelungsgesetze des Jahres 1957 im Wortlaut übereinstimmend gefaßt worden. Marksteine in dem vorangegangenen Angleichungsprozeß waren die Einführung der Knappschaftsvollrente bei Invalidität durch die Verordnung vom 4. Oktober 1942 und die Annäherung des Invaliditätsbegriffs an den Begriff der Berufsunfähigkeit in der Angestelltenversicherung durch das Sozialversicherungsanpassungsgesetz vom 17. Juni 1949. Der Wille zum Abbau der Besonderheiten und die Motivation der sozialen Rentenversicherung rechtfertigen es nicht, den Bereich zumutbarer Tätigkeiten aus abstrakt-theoretischen Erwägungen heraus von vornherein auf bestimmte Gruppen einzuengen. Vielmehr ist - in Übereinstimmung mit der jüngeren Rechtsprechung des BSG - die Antwort in dem Tatbestand der Berufsunfähigkeit (§ 1246 Abs. 2 RVO) selbst zu suchen.
Dabei zeigt sich, daß es auf die entlohnte Beschäftigung, an welche die Zugehörigkeit des Versicherten zur Rentenversicherung geknüpft wird, nicht allgemein, sondern nur für das Tatbestandsmerkmal des "bisherigen Berufs" ankommt (dazu BSG 7, 66; Urteil vom 9. Juni 1960 - 1 RA 6/58 -). Damit ist aber nicht zugleich der Gesetzestatbestand überhaupt eingegrenzt. Auf den Fall des Klägers angewendet, bedeutet dies, daß zur Beurteilung seiner Arbeits- und Erwerbsfähigkeit von dem Arbeitsfeld eines gelernten Polsterers auszugehen ist. Daran hat sich durch die Meisterprüfung und durch den Besitz des eigenen Handwerksbetriebes nichts geändert.
Hiervon sind jedoch die weiteren - hier vor allem interessierenden - Tatbestandserfordernisse zu trennen, diejenigen nämlich, nach denen die Leistungsfähigkeit des Versicherten und das ihm zumutbare Arbeitsfeld zu bestimmen sind. Dazu zählen "alle Tätigkeiten", die erstens den Kräften und Fähigkeiten des Versicherten entsprechen und zweitens ihm "unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können." In diesem Zusammenhang ist es bedeutsam, daß das Gesetz in § 1246 Abs. 2 RVO nicht etwa von "Beschäftigungen" oder gar - wie anderenorts - von "versicherungspflichtigen Beschäftigungen", sondern schlechthin von "allen Tätigkeiten" spricht. Unter Tätigkeiten wird in der Gesetzessprache jede Art von Erwerbsarbeit verstanden: sowohl die in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgeübte, als auch die in selbständiger Position verrichtete Arbeit (vgl. § 1251 Abs. 2 Buchst. a RVO, § 16 des Fremdrentengesetzes - FRG -; dazu: Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, Anm. III zu § 1227 RVO). Der Rahmen der Erwerbsquellen, die sich der Versicherte entgegenhalten lassen muß, fällt mithin nicht mit dem Sachverhalt zusammen, der die Versicherungspflicht auslöst. Die Definition der Berufsunfähigkeit enthält auch keine Einschränkung dahin, daß der Versicherte, wenn er schon auf eine an sich unversicherbare Erwerbsarbeit verwiesen werde, wenigstens zur Weiterversicherung berechtigt sein müsse. Im Hinblick auf den in Frage kommenden Tätigkeitsbereich ist vielmehr auf die Persönlichkeit des Versicherten im Ganzen und auf seine wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse abzustellen. Freilich gebietet die Anwendung des Begriffs der Berufsunfähigkeit eine Wertung nach möglichst objektiven - von den mehr oder weniger zeitlich und örtlich bedingten Umständen, in denen der Versicherte lebt, unabhängigen - Kriterien. Gleichwohl sind die konkreten Gegebenheiten, die sein Arbeits- und Berufsleben maßgeblich beeinflussen, nicht völlig außer acht zu lassen. Das wird nicht nur bei den Ursachen sichtbar, die den Versicherungsfall hervorrufen (Krankheiten, anderen Gebrechen usw.), sondern folgt ferner auch daraus, daß das Gesetz die Prüfung verlangt, ob der Versicherte die Kraft und Fähigkeit zur angesonnenen Erwerbsarbeit besitzt. Schließlich schreibt das Gesetz auch ein Eingehen auf den konkreten Fall des einzelnen Versicherten durch die Bezugnahme auf die "besonderen Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit" vor.
Die Leistungsgrenze, die mit den Worten umschrieben wird, daß eine Tätigkeit den Kräften und Fähigkeiten des Versicherten entsprechen müsse, wäre überschritten, wenn man dem Versicherten die Führung eines eigenen Geschäfts anheimstellte, noch bevor er seine Fähigkeiten zum Unternehmer oder die Kraft zur Übernahme des mit der Selbständigkeit verbundenen Wagnisses gezeigt hätte. Ebensowenig könnte von ihm ohne weiteren tatsächlichen Anhalt der Einsatz von Kapital für Betriebs- und Anlagezwecke erwartet werden. Anders liegt jedoch der Fall, wenn feststeht, daß der Versicherte unschwer in einer selbständigen Erwerbstätigkeit eine sichere Existenzgrundlage zu finden vermag. So z. B., wenn er eine bisher schon seit langer Zeit in nennenswertem Umfang und mit anhaltendem wirtschaftlichen Erfolg betriebene selbständige Tätigkeit im eigenen Unternehmen nur fortzusetzen braucht. Freilich darf an eine solche wirtschaftliche Lage des Versicherten nur angeknüpft werden, wenn der Ertrag, den der Versicherte aus seiner selbständigen Stellung erzielt, wesentlich von der Verwertung seiner persönlichen Arbeitskraft und nicht ausschlaggebend vom Einsatz finanzieller Mittel abhängt. Auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen Einkommen und Nutzbarmachung des geistigen und körperlichen Leistungsvermögens ist deshalb entscheidend abzustellen, weil der Verlust der menschlichen Arbeitskraft und der daraus allgemein folgende wirtschaftliche Nachteil Anlaß und Grund der gesetzlichen Rentenversicherung sind.
Zusammenfassend ergibt sich hiernach folgendes: Ein Versicherter, dessen Versicherungsverhältnis auf Beiträgen aus abhängigen Beschäftigungen beruht, ist nicht berufsunfähig, wenn er aus einer selbständigen Tätigkeit mindestens die Hälfte des Einkommens zu verdienen vermag, das durchschnittlich in dem früher abhängig ausgeübten Beruf erreicht wird, der Verdienst wesentlich auf dem Gebrauch der geistigen und körperlichen Arbeitskraft beruht, der Versicherte bereits in seiner bisherigen Berufstätigkeit Anforderungen genügte, die der selbständigen Tätigkeit entsprechen, und ihm keine bislang ungewohnten Anstrengungen, wirtschaftlichen Opfer und Wagnisse auferlegt werden.
Auf den gegenwärtigen Streitfall bezogen, bedeutet dies, daß der Kläger nicht allein schon deshalb weiterhin berufsunfähig ist, weil er dem vor der Rentenbewilligung erlernten Beruf eines Polsterers vielleicht nicht mehr nachgehen kann. Die Sachlage kann sich seitdem nach Besserung des gesundheitlichen Zustandes sowie nach mehrjähriger praktischer Bewährung im elterlichen und eigenen Handwerksbetrieb verändert haben. Hierüber läßt allerdings das angefochtene Urteil die genaueren Feststellungen vermissen. Es hat nicht hinreichend dargelegt, auf Grund welcher Tatsachen es zu dem Schluß gelangt ist, daß der Kläger als Inhaber seines Polstererbetriebes mindestens die Hälfte des Durchschnittseinkommens eines gelernten Polsterers aus eigener Arbeitskraft verdienen kann. Die Tatsache, daß der Kläger erst nach seiner Kriegsverletzung den Meistergrad erworben und damit die Qualifikation zur Führung seines Handwerksbetriebes auf theoretischem und praktischem Gebiet erhalten hatte, befreite das Berufungsgericht nicht von der Verpflichtung zu ermitteln, in welchem Umfange der Kläger den an ihn gestellten Aufgaben in Wirklichkeit gewachsen ist. Gerade weil der Kläger kaum alle anfallenden Arbeiten persönlich verrichten kann, war sein Leistungsvermögen konkret in Beziehung zu setzen zu den wesentlichen, für den Beruf des Polsterermeisters typischen Aufgaben. Der Maßstab, nach dem die Berufsunfähigkeit selbständig tätiger Personen zu messen ist, wird im allgemeinen aus der Eigenart der beruflichen Bedingtheiten heraus zu gewinnen sein. Als Richtschnur, die bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit selbständiger Handwerker anzunehmen ist, bieten sich die Grundsätze an, die in der Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis zur Berufsunfähigkeit in der Handwerkerversicherung entwickelt worden sind (BSG 2, 91; SozR Nr. 3 zu § 27 AVG aF). Zwar sind diese Grundsätze auf die Eigentümlichkeiten der berufsständischen Versicherung zugeschnitten (BSG 8, 31, 33). Von der für den in der Handwerkerversicherung versicherten Handwerksmeister typischen Fallgestaltung unterscheiden sich aber die Lebens und Arbeitsformen im vorliegenden Falle nur unwesentlich. Die Ähnlichkeit der Sachverhalte rechtfertigt die analoge Anwendung der zur Berufsunfähigkeit in der Handwerkerversicherung erarbeiteten Regeln.
Das Berufungsurteil, das keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen enthält, ist aufzuheben. Der Rechtsstreit ist zur weiteren Sachermittlung und Erörterung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der nochmaligen Prüfung wird das Berufungsgericht näher auf die Einzelheiten einzugehen haben, welche die Selbständigkeit der gegenwärtigen Berufsposition des Klägers bedingen. Die Tatsache, daß der Kläger nicht in die Handwerksrolle eingetragen ist, läßt die Frage aufkommen, ob er überhaupt - und gegebenenfalls in welcher Rechtsform, z. B. in einer Gesellschaft - selbständig tätig oder ob er Angestellter im Geschäft seiner Mutter ist. Weiterhin wird zu erwägen sein, daß der Kläger seine Arbeitskraft nicht nur als gelernter Arbeiter oder selbständig, sondern möglicherweise auch als Leiter größerer Handwerksbetriebe oder sonst in aufsichtsführenden Funktionen verwerten kann. Er dürfte bei seiner Vorbereitung auf die Meisterprüfung und bei der Führung des elterlichen Geschäfts Kenntnisse und Erfahrungen gesammelt haben, die ihn zur Erfüllung weiterer Berufsaufgaben befähigen. Ob es auf dem danach für ihn in Betracht kommenden Wirtschaftsgebiet Arbeitsplätze mit einer ausreichenden Verdienstchance gibt, wird, erforderlichenfalls durch Befragen geeigneter Dienststellen oder Sachverständiger, zu ermitteln sein.
Die Entscheidung über die Pflicht zur Erstattung der Kosten des gegenwärtigen Rechtszuges bleibt dem Berufungsgericht vorbehalten.
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