Leitsatz (amtlich)
Geistliche der römisch-katholischen Kirche sind allein auf Grund ihrer kirchlichen Trauungsbefugnis nicht auch iS des EheG § 15a ermächtigt, in Deutschland bei Eheschließungen spanischer Staatsangehöriger katholischen Glaubens mitzuwirken. Die Eintragung der Trauung in das spanische Zivilregister ersetzt nicht die fehlende Ermächtigung. Sollte diese Ermächtigung in der Benennung von Geistlichen durch die spanische Regierung bestehen können (vergleiche BGH 1965-01-22 IV ZB 441/64 = BGHZ 43, 213), so hat sie doch keine rückwirkende Kraft.
Normenkette
EheG § 15a Fassung: 1946-02-20; RVO § 1264 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4. März 1970 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Witwenrente aus der Rentenversicherung nach dem Spanier A F S (Versicherten) hat. Der Versicherte ist am 27. November 1964 an den Folgen eines Arbeitsunfalls in Remscheid gestorben. Nach der Sterbeurkunde des Standesamts R war er nicht verheiratet. Die Klägerin besaß und besitzt nur die spanische Staatsangehörigkeit und ist katholischer Konfession. Sie wurde am 18. Mai 1963 in D (Wupper) von dem Spanierseelsorger der Erzdiözese K, dem spanischen Geistlichen de A, mit dem Versicherten kirchlich getraut. Die Trauung wurde als kanonische Eheschließung noch im Mai 1963 in Abschn. II Band 4 S. 72 des Zivilregisters des Spanischen Generalkonsulats in D eingetragen. Vor einem deutschen Standesbeamten fand keine Eheschließung statt; auch ist die Trauung nicht in ein deutsches Standesregister eingetragen. Die am 1. Januar 1965 geborene Tochter der Klägerin und des Versicherten bezieht eine Waisenrente als nichteheliches Kind des Versicherten nach den §§ 1267, 1262 Abs. 2 Nr. 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit dem deutschspanischen Sozialversicherungsabkommen.
Dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik ging im Jahre 1964 eine Liste der Spanischen Botschaft in B zu, in welcher der Geistliche de A als berechtigt bezeichnet wird, Eheschließungen zwischen spanischen Staatsangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland vorzunehmen (§ 15 a des Ehegesetzes - EheG -). In einer weiteren Note aus dem Jahre 1964 teilte die Spanische Botschaft dem Auswärtigen Amt mit, daß der Geistliche de A diese Ermächtigung bereits zur Zeit der Trauung der Klägerin besessen habe.
Das Sozialgericht Düsseldorf hat die Beklagte - unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Februar 1966 - verurteilt, der Klägerin Witwenrente zu zahlen (Urteil vom 25. April 1968). Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat dagegen die Klage abgewiesen (Urteil vom 4. März 1970) und zur Begründung ausgeführt: Ob die Klägerin die Witwe des Versicherten (§ 1264 RVO) sei, ergebe sich allein aus den Vorschriften des deutschen bürgerlichen Rechts (BSG 10, 1; 27, 96). Die nur kirchlich geschlossene Ehe möge nach spanischem Recht gültig sein; sie sei es aber nicht nach deutschem Recht. Die Form einer in der Bundesrepublik geschlossenen Ehe bestimme sich ausschließlich nach den deutschen Gesetzen (Art. 13 Abs. 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch; §§ 11 bis 15, 15 a, 17 EheG). Da keine Eheschließung vor einem deutschen Standesbeamten stattgefunden habe, könnte die Ehe der Klägerin nach deutschem Recht nur gültig sein, wenn die Eheschließung der Form der Ausnahmevorschrift des § 15 a EheG entspräche. Nach dieser Vorschrift könne eine Ehe zwischen Verlobten, von denen keiner die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, vor einer von der Regierung des Landes, dessen Staatsangehörigkeit einer der Verlobten besitze, ordnungsgemäß ermächtigten Person in der von den Gesetzen dieses Landes vorgeschriebenen Form geschlossen werden. Eine ordnungsgemäße Ermächtigung liege nur vor, wenn sie in besonderer Form erteilt sei. Die allgemeine, auf den jeweiligen Landesgesetzen beruhende Ermächtigung, eine nach diesen Gesetzen rechtswirksame Ehe zu schließen, genüge nicht. Dies folge schon aus dem Wortlaut des § 15 a EheG, ergebe sich aber auch aus dem Zweck dieser Regelung. Unbeachtlich sei, daß das EheG Besatzungsrecht darstelle und nach spanischem Recht eine besondere Ermächtigung des trauenden Geistlichen überflüssig oder unzulässig sei. Der nach der Trauung erteilten Ermächtigung komme keine rückwirkende Kraft zu; sie sei erst mit ihrem Zugang bei der deutschen Regierung für die Zukunft wirksam geworden. Die Eintragung der Trauung in das spanische Heiratsregister sei nur ein Beweismittel für die Gültigkeit der Eheschließung nach spanischem Recht, wirke aber nicht rechtserzeugend nach den deutschen Gesetzen. § 15 a Abs. 2 EheG habe keine vom deutschen Recht abweichende besondere Regelung geschaffen. Nach alledem sei nach deutschem Recht eine wirksame Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten nicht zustande gekommen. Zwischenstaatliche Abkommen oder sonstige Staatsverträge, aus denen sich etwas anderes ergebe, beständen nicht.
Mit der Revision bringt die Klägerin vor: Sie sei - entgegen der Auffassung des LSG - die Witwe des Versicherten. § 15 a EheG biete seinem Wortlaut nach keinen Anhalt dafür, daß eine besondere Ermächtigung durch Einzelerklärung erforderlich sei und eine generelle, sich aus den Landesgesetzen ergebende Ermächtigung nicht ausreiche. Nach der Entstehungsgeschichte und dem Zweck des § 15 a EheG bedürfe es bei der Eheschließung von Verlobten aus Ländern mit obligatorischer kirchlicher Trauung nicht einer Ermächtigung durch die Heimatregierung. Wenn das Erfordernis einer besonderen Ermächtigung aus dem Grundsatz der obligatorischen Zivilehe in Deutschland herzuleiten sei, so sei es nicht folgerichtig, die bloße Benennung von Geistlichen durch die Regierung des ausländischen Staates genügen zu lassen, wenn das Heimatrecht die kirchliche Eheschließung vorsehe, die Regierung also eine Ermächtigung nicht aussprechen könne; vielmehr ermögliche § 15 a EheG den ausländischen Verlobten in diesen Fällen, die Ehe in der Bundesrepublik nach dem Recht des Heimatlandes zu schließen. Die Eintragung der Eheschließung in das spanische Zivilregister gewährleiste, daß die Ehe nach den geltenden ausländischen Rechtsvorschriften wirksam geschlossen sei. Die Benennung befugter Geistlicher durch die Spanische Botschaft gehe auf eine Verbalnote des Auswärtigen Amtes zurück; an der Rechtslage, daß weltliche Stellen nach spanischem Recht bei der Eheschließung nicht mitwirkten, habe die Benennung nichts geändert. Deshalb komme es auch nicht darauf an, in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt eine "Ermächtigung" erteilt worden sei.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Die Revision hat keinen Erfolg.
Nach dem Tode des versicherten Ehemannes erhält seine Witwe eine Witwenrente (§ 1264 RVO). Das LSG verneinte einen Anspruch der Klägerin, weil die kirchliche Trauung mit dem Versicherten keine nach deutschem Recht (§ 15 a EheG) gültige Eheschließung gewesen, die Klägerin also nicht Witwe des Versicherten sei.
Zu dieser Entscheidung war das LSG befugt. Das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe ist normalerweise in einem besonderen Verfahren festzustellen; grundsätzlich ist das Urteil eines Zivilgerichts herbeizuführen. Ausnahmen hiervon setzen voraus, daß besondere Umstände eine zivilgerichtliche Klärung, die für und gegen alle verbindlich wäre, unmöglich machen. Ist dies - wie hier - der Fall (§§ 606 b, 638 Satz 2 der Zivilprozeßordnung), so dürfen Fragen des Eherechts in anderen Gerichtsverfahren als Vorfragen entschieden werden.
Das LSG mußte über die Vorfrage entscheiden. Die Beklagte stützte ihren Ablehnungsbescheid auf eine "Nichtehe". Jedermann darf das Vorliegen einer Nichtehe geltend machen, und zwar selbst dann, wenn etwa die Personenstandsurkunden etwas anderes besagen sollten. - Im vorliegenden Fall hätte sich die Beklagte für ihre ablehnende Haltung möglicherweise schon auf die Sterbeurkunde, welche die Klägerin vorgelegt hat, berufen können. Mit dieser Urkunde, in der der Versicherte als unverheiratet bezeichnet ist, läßt sich sein Tod, aber nicht seine Eigenschaft als Ehemann und schon gar nicht der Witwenstand der Klägerin beweisen. Die zum Nachweis einer in der Bundesrepublik vollzogenen, gültigen Eheschließung bestimmte Heiratsurkunde, die beim Anspruch auf Witwenrente neben der Sterbeurkunde als Beweisstück vorzulegen ist (§ 1613 Abs. 1 Satz 2 RVO, § 76 Abs. 1 der Verordnung über Geschäftsgang und Verfahren der Versicherungsämter), fehlt außerdem, und zwar nach den Feststellungen des LSG deshalb, weil die Trauung der Klägerin mit dem Versicherten nicht in ein deutsches Standesregister eingetragen ist. Seit 1958 ist aber der zuständige deutsche Standesbeamte verpflichtet, eine nach § 15 a EheG wirksame Eheschließung in sein Heiratsbuch einzutragen. Es fragt sich, ob Massenverwaltungen wie die Rentenversicherungsträger gehalten sind, einen erhobenen Anspruch zu prüfen, wenn die Erfüllung seiner personenstandsrechtlichen Voraussetzungen zwar durch zwei Urkunden beweisbar wäre, die eine - vorgelegte - Urkunde jedoch einen Hinweis auf das Fehlen einer Anspruchsvoraussetzung enthält und die andere Urkunde, mit der diese Anspruchsvoraussetzung dennoch bewiesen werden könnte, nicht beschafft wird, obwohl das Gesetz diese Möglichkeit bietet (§§ 45 ff des Personenstandsgesetzes). Unter diesen Umständen sollte es dem Antragsteller überlassen bleiben, den Widerspruch zu klären. Der vorliegende Rechtsstreit erfordert jedoch dazu keine Entscheidung.
Der Senat hält nämlich die Entscheidung des LSG in der Sache selbst für rechtens. Die Frage, ob zwischen der Klägerin und dem Versicherten zur Zeit seines Todes eine in der Bundesrepublik gültige Ehe bestand, ist nach dem deutschen Familien- und Personenstandsrecht zu beurteilen; sie ist in allen Zweigen des Rechts der Bundesrepublik einheitlich zu beantworten. Das Sozialversicherungsrecht bietet insoweit keinen Ansatzpunkt für eine eigenständige Ausgestaltung; in der RVO sind in der Regel familienrechtliche Begriffe nicht mit einem anderen Gedankeninhalt als in den Vorschriften des bürgerlichen Rechts verbunden (vgl. dazu Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. III S. 686 e; BSG 10, 1, 3; 12, 147, 148; 27, 96, 98).
§ 15 a EheG (eingefügt durch das Gesetz des Kontrollrats Nr. 52 vom 21. April 1947 - KRABl 273) wird verschieden ausgelegt. In dem Meinungsstreit, ob der Ermächtigungsbegriff in § 15 a EheG (französisch: personne dûment habilitée par le gouvernement ; englisch: person duly empowered by the Government) konkret oder abstrakt ausgelegt werden kann, oder überhaupt auszuschalten und allenfalls durch das Erfordernis der Registrierung zu ersetzen ist (Sonnenberger in StAZ 1964, 289, 290), schließt sich der Senat in Übereinstimmung mit dem LSG der - auch im Schrifttum geteilten - Auffassung des Bundesgerichtshofs - BGH - (BGHZ 43, 213) und des Bayerischen Obersten Landesgerichts (FamRZ 1966, 144 und 147) an. Danach sind Geistliche der römisch-katholischen Kirche allein auf Grund ihrer kirchlichen Trauungsbefugnis nicht auch im Sinne des § 15 a EheG ermächtigt, in Deutschland bei Eheschließungen spanischer Staatsangehöriger katholischen Glaubens mitzuwirken. Sollte eine besondere staatliche Ermächtigung einer bestimmten Person zur Eheschließungsassistenz im Sinne des § 15 a EheG bei spanischen Staatsangehörigen gar nicht denkbar sein (vgl. OLG Celle in FamRZ 1965, 43), so wäre die Lösung des BGH, daß die "Benennung" befugter Geistlicher genüge, keineswegs die einzig mögliche. Dies ist den weitgehend auf Weyers (FamRZ 1964, 169; 1965, 1 und 70) gestützten Argumenten der Revision entgegenzuhalten. Ebensogut könnte man annehmen, daß im Fall der generellen Unzulässigkeit einer besonderen staatlichen Ermächtigung eine Eheschließung nach § 15 a EheG niemals wirksam sein könne. Der BGH - ihm folgt der Senat trotz dieses Bedenkens - hat sich mit vertretbaren, wenn auch wohl nicht auf ausschließlich juristischen Erwägungen beruhenden Gründen für das Gegenteil entschieden. Die Konsulate und Standesämter verfahren danach; die Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden enthält entsprechende Vorschriften (neuerdings § 195 Abs. 3). Deshalb besteht kein Anlaß, den spanischen oder anderen Gastarbeitern, auch wenn sie mit Sicherheit nicht mit dem durch den Gesetzgeber des § 15 a EheG ursprünglich begünstigten Personenkreis identisch sind, jene durch die Zivilgerichtsbarkeit eingeräumte Rechtswohltat zu beschneiden. Aus diesem zivilgerichtlichen Entgegenkommen noch weitergehende Vorteile abzuleiten, geht jedoch nicht an. Die Registrierung einer kirchlichen Trauung im spanischen Zivilregister vermag die nach § 15 a EheG notwendige Ermächtigung - wie diese im einzelnen auch aussehen mag - nicht zu ersetzen (vgl. OLG Hamm in FamRZ 1967, 570 und NJW 1970, 1509). Die staatliche Mitwirkung wird in § 15 a EheG bereits für die Eheschließung selbst gefordert. Selbst wenn die nachfolgende Eintragung der Trauung in das Zivilregister nach spanischem Recht eine gewisse konstitutive Wirkung hätte, könnte dies für das deutsche Recht nicht von Bedeutung sein. Weil es auf den Zeitpunkt der Trauung ankommt, besitzt eine nachträgliche Ermächtigung, wie der BGH (aaO) entschieden hat, auch keine rückwirkende Kraft. Der Vorwurf etatistischen Eherechtsdenkens, des Formalismus oder des Hochmuts (vgl. Habscheid in FamRZ 1967, 357; Bosch ua. in FamRZ 1967, 572 und 1970, 406) erscheint unbegründet. Die Kritiker lassen außer Acht, daß eine nicht ordnungsgemäß vollzogene Eheschließung wegen der öffentlich-rechtlichen Auswirkungen, wie sie sich gerade auch aus dem Sozialversicherungsrecht ergeben, den deutschen ordre public empfindlich stören kann. Deshalb muß die Eheschließungsordnung auf klaren und allgemein anerkannten Tatbeständen aufbauen (vgl. Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 1964, § 11 III 1 Anm. 2 - S. 102 -).
Da das angefochtene Urteil des LSG hiernach weder im Ergebnis noch in der Begründung zu beanstanden ist, muß die Revision zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen
BSGE, 219 |
NJW 1972, 1021 |
IPRspr. 1971, 41 |