Entscheidungsstichwort (Thema)
rückwirkende Ermächtigung des Klägers zur Teilnahme an der (damals noch) kassenärztlichen Versorgung
Beteiligte
…, Kläger und Revisionskläger |
Berufungsausschuß für Kassenarztzulassungen Nordrhein,Düsseldorf, Emanuel-Leutze-Straße 8, Beklagter und Revisionsbeklagter |
1) AOK-Landesverband Rheinland, Düsseldorf, Kasernenstraße 61, 2) IKK-Landesverband Nordrhein und Rheinland-Pfalz, Bergisch-Gladbach, St.-Josef-Straße 20, 3) Landesverband der Betriebskrankenkassen Nordrhein-Westfalen, Essen,.. |
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Ermächtigung des Klägers zur Teilnahme an der (damals noch) kassenärztlichen Versorgung rückwirkend für die Zeit vom 1. Juli bis 11. Dezember 1991 zu erteilen war.
Der Kläger ist Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des E. K. L. in E. . Er übernahm die Chefarztstelle zum 1. Juli 1991 von seinem Vorgänger Prof. Dr. K. , der zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung ermächtigt war. Mit Schreiben vom 5. Juli 1991 beantragte er die Ermächtigung zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung für bestimmte Leistungen. Durch Beschluß vom 11. Dezember 1991 ermächtigte ihn der Zulassungsausschuß für Ärzte Duisburg mit Wirkung ab 12. Dezember 1991 und befristet bis zum 31. Dezember 1993 im beantragten Umfang zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung. Für eine rückbezogene Ermächtigung sah der Ausschuß keinen Bedarf.
Der Kläger nahm die ambulante Behandlung von Versicherten der Krankenkassen schon vor der Entscheidung des Zulassungsausschusses auf. Nach Mitteilung der Beigeladenen zu 5) legte er für die Zeit vom 1. Oktober bis 11. Dezember 1991 498 Behandlungsausweise zur Abrechnung vor.
Mit Bescheid vom 25. März 1992 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Ein Krankenhausarzt sei erst dann zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung ermächtigt, wenn dies der zuständige Zulassungsausschuß nach Prüfung des Antrages so entschieden habe. Die Ermächtigung wirke rechtsbegründend (konstitutiv), und zwar nur für die Zukunft, nicht für die Vergangenheit. Der Antrag sei insoweit nicht maßgeblich, sondern allein die vom Zulassungsausschuß verfügte Ermächtigung.
Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 21. August 1992 die Bescheide des Zulassungsausschusses vom 11. Dezember 1991 und des Beklagten vom 25. März 1992 abgeändert und den Beklagten verurteilt, über den Ermächtigungsantrag des Klägers vom 5. Juli 1991 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht hinreichend ausgeschöpft. Die Frage, ob eine Ermächtigung rückwirkend erteilt werden könne, sei gesetzlich nicht eindeutig geregelt. Der Kläger habe daher Anspruch zumindest darauf, daß die Zulassungsgremien unter Berücksichtigung aller widerstreitenden Belange über seinen Antrag auf rückwirkende Ermächtigung entschieden. Soweit er darüber hinaus die Verurteilung des Beklagten zur Erteilung der Ermächtigung begehre, sei die Klage abzuweisen, weil damit unzulässig in den Beurteilungsspielraum des Beklagten eingegriffen werde.
Auf die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zu 5) hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 3. März 1993 das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Ermächtigung dürfe nicht rückwirkend erteilt werden; insofern stehe dem Beklagten auch kein Beurteilungsspielraum zur Verfügung. Die mit der Ermächtigung als einem statusbegründenden Verwaltungsakt verbundenen Rechtsfolgen träten erst von dem Zeitpunkt an ein, in oder zu dem der Zulassungsausschuß die Ermächtigung ausspreche. Für die Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits 1963 (BSGE 20, 86 ff) entschieden, daß diese nicht rückwirkend ausgesprochen werden dürfe. Ergebnis und Begründung der Entscheidung, die 1992 bekräftigt worden sei (BSG SozR 3-2200 § 368c Nr 1), beanspruchten Geltung auch für den Rechtszustand seit Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs - Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) am 1. Januar 1989. Für die Ermächtigung als zweite Form der Teilnahme an der (heute) vertragsärztlichen Versorgung gelte nichts anderes als für die Zulassung selbst. Der Umstand, daß nach § 95 Abs 4 SGB V SGB V die Ermächtigung im Unterschied zur Zulassung keine mitgliedschaftsrechtlichen Folgen für den ermächtigten Arzt habe, stehe nicht entgegen. Auch die Ermächtigung binde den Arzt in ein Rechte- und Pflichten-Verhältnis ein, was nur mit Wirkung für die Zukunft erfolgen könne. Wie die Zulassung lasse sich die Ermächtigung nicht auf eine bloße Abrechnungsberechtigung reduzieren, die ggf nachträglich eingeräumt werden könne. Jeder Versicherte habe gegenüber seiner Krankenkasse, die ihm die ärztliche Behandlung als Sachleistung erbringe, einen Anspruch darauf, nur von Ärzten behandelt zu werden, die sich vor Aufnahme der Behandlung den Regeln über die vertragsärztliche Versorgung unterworfen hätten und von denen durch die Zulassungsgremien festgestellt worden sei, daß sie dafür die persönlichen Voraussetzungen erfüllten. Vor allem die in § 31 Abs 7 Satz 1, § 31a der Zulassungsverordnung für Kassen(Vertrags-)Ärzte [Ärzte-ZV] getroffene Anordnung, die Ermächtigung inhaltlich, zeitlich und räumlich zu bestimmen, stelle zur Zulassung, die den Vertragsarzt grundsätzlich zur vollen und uneingeschränkten Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung berechtige, einen wesentlichen Unterschied dar. Nur der von den Zulassungsgremien festgelegte Ermächtigungskatalog könne Grundlage der vertragsärztlichen Tätigkeit eines Krankenhausarztes sein. Da die Zulassungsgremien konstitutiv auch über die inhaltliche Begrenzung der Ermächtigung entschieden, könne diese Entscheidung Wirkungen allein für die Zukunft entfalten. Es sei infolgedessen auch ausgeschlossen, daß Ermächtigungen leitender Krankenhausärzte bei einem Wechsel in der Leitung einer Krankenhausabteilung an den Nachfolger weitergegeben würden. Ob nach den allgemeinen Vorschriften des Sozialgesetzbuches - Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren - (SGB X) Rechtspositionen rückwirkend zuerkannt werden könnten, sei unerheblich. Die Vorschriften des Kassenarztrechts enthielten insoweit spezielle Regelungen, die den allgemeinen Vorschriften des SGB X vorgingen. Ob für die Zeit vom 1. Juli bis 11. Dezember 1991 ein Bedarf an den vom Kläger angebotenen Leistungen bestanden habe, sei ohne Belang. Die Beurteilung der Bedarfslage sei Sache des zuständigen Zulassungsausschusses; dieser habe unmittelbar nach Eingang des Antrags des Klägers die notwendigen Ermittlungen angestellt und zeitnah eine Entscheidung getroffen, in der er die Beurteilung der Bedarfslage ab 11. Dezember 1991 dargelegt habe. Für die Zeit davor habe er die Bedarfslage nicht zu prüfen brauchen, weil insoweit eine rückwirkende Ermächtigung des Klägers nicht in Betracht gekommen sei. Ein Vertrauen des Klägers auf eine von den dargestellten Rechtsgrundsätzen abweichende Praxis sei im Verhältnis zum Beklagten unerheblich. Der Rat des Obmanns der Orthopäden und Chirurgen im Bereich der Kreisstelle Essen der Beigeladenen zu 5), im selben Umfang wie sein Vorgänger unmittelbar nach Übernahme der Chefarztstelle auch ambulant tätig zu werden, rechtfertige nicht die rückwirkende Erteilung der Ermächtigung. Der Obmann habe eine Zusicherung des Inhalts, der Kläger werde zum 1. Juli 1991 ermächtigt werden, nicht abgegeben. Selbst wenn der Kläger den Obmann anders verstanden haben sollte, ändere dies an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Beklagten nichts. Der Beklagte sei an Recht und Gesetz gebunden und könne durch Erklärungen von Personen, die ihm nicht als Mitglieder angehörten, nicht zu einem mit dem Gesetz unvereinbaren Verwaltungshandeln unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes gezwungen sein.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die Anwendung des § 32 Abs 2 Nr 1 SGB X sei nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil §§ 36 ff Ärzte-ZV speziellere Bestimmungen enthielten. Der zur Entscheidung stehende Sachverhalt habe in der Ärzte-ZV keine Regelung erfahren. Mangels ausdrücklicher Normierung sei die rückwirkende Anordnung des Inkrafttretens eines Verwaltungsaktes nicht ausgeschlossen. Der Begriff des statusbegründenden Verwaltungsaktes führe in die falsche Richtung. Die Ermächtigung begründe nur die Berechtigung zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung, dh ein minderes Teilnahmerecht, auf das die Kriterien, die für die Zulassung gelten, nicht ohne weiteres übertragen werden könnten. Der vorliegende Rechtsstreit sei mit dem Fall vergleichbar, in dem es um die Gewährung eines vorläufigen (Fort-)Bestands der Ermächtigung bei Auslauf der Ermächtigung infolge einer Befristung gehe. Jedenfalls materiell könnten für die vorläufige Ermächtigung keine anderen Grundsätze als für die rückwirkende Ermächtigung gelten. Er (der Kläger) habe auf die entsprechende, für mehr als zehn Jahre nachgewiesene Verwaltungsübung durch den Zulassungsausschuß vertrauen dürfen. Die Frage der fehlenden Bindung an rechtswidrige Entscheidungen stelle sich nicht; denn von allen Beteiligten sei die Rechtspraxis bis zum Beschluß des Beklagten gebilligt, zumindest aber hingenommen worden, so daß ein Problem der Gleichheit im Unrecht nicht vorliege. Insoweit werde eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gerügt. Der Zulassungsausschuß habe die Rückwirkung auch unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes anordnen können und müssen. § 31a Abs 1 Ärzte-ZV, § 116 Satz 2 SGB V enthielten keine Beschränkung dahin, daß lediglich eine Befristung für die Zukunft gemeint sei; sie ließen bei positiver Bedarfslage vielmehr auch eine Rückbeziehung zu. Davon gehe auch § 9 Abs 14 Arzt-Ersatzkassenvertrag (EKV-Ärzte) aus, der die Möglichkeit der Rückbeziehung ausdrücklich beinhalte. Ein Nachrang der Ermächtigung gegenüber der Zulassung könne nicht festgestellt werden. Von einer zeitnahen Entscheidung des Zulassungsausschusses könne nicht gesprochen werden. Alle Argumente, die das Berufungsgericht gegen die Rückbeziehung angeführt habe, könnten bei der Ermessensausübung berücksichtigt werden.
Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. März 1993 aufzuheben und die Berufung des Beklagten und der Beigeladenen zu 5) gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21. August 1992 zurückzuweisen. |
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Der Beklagte beantragt,
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die Revision des Klägers zurückzuweisen. |
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Er tritt der Rechtsauffassung des Klägers entgegen und schließt sich im Ergebnis der Begründung des Berufungsgerichts an.
Die Beigeladenen zu 2) bis 5) beantragen,
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die Revision zurückzuweisen. |
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Sie schließen sich der Begründung des angefochtenen Urteils und/oder dem Vortrag des Beklagten an.
Der Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt und sich nicht zur Sache geäußert.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht das Urteil des SG abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 25. März 1992 ist rechtmäßig. Zutreffend ist dem Kläger die Rückbeziehung seiner Ermächtigung mit der Wirkung, daß er an der kassenärztlichen Versorgung im beantragten und zuerkannten gegenständlichen Umfang bereits ab 1. Juli 1991 teilnehmen konnte, verweigert worden. Ein Rechtsanspruch auf rückbezogene Erteilung besteht nicht.
Die Ermächtigung eines Krankenhausarztes mit abgeschlossener Weiterbildung zur Teilnahme an der kassenärztlichen (ab 1. Januar 1993 vertragsärztlichen) Versorgung der Versicherten ist nur in der Weise zulässig, daß die mit ihr verbundene Rechtsfolge - Berechtigung und Verpflichtung des ermächtigten Arztes zur Teilnahme an der Versorgung, § 95 Abs 4 SGB V - frühestens in dem Zeitpunkt eintritt, in dem der Bescheid des Zulassungsausschusses gemäß § 39 Abs 1 Satz 1 SGB X wirksam wird. Eine Rückverlagerung des Beginns der Rechtsfolge in die Zeit davor ist nach Eigenart und Funktion der Ermächtigung im Regelungszusammenhang des Leistungserbringungsrechts des Vierten Kapitels des SGB V ausgeschlossen.
Die Frage, ab wann eine Ermächtigung von Krankenhausärzten zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung in Kraft tritt oder in Kraft gesetzt werden kann, ist in den Normen, die die rechtliche Grundlage für die Ermächtigung bilden (§ 95 Abs 4, § 116 SGB V und §§ 31, 31a Ärzte-ZV), nicht ausdrücklich geregelt. Dies gilt in dem doppelten Sinn, daß in den Vorschriften dem Wortlaut nach weder eine Anordnung positiv dahin getroffen ist, welcher Zeitpunkt für den Wirkungsbeginn maßgeblich ist, noch negativ dahin, daß eine spezielle - insbesondere rückbezogene - Zeitbestimmung ausgeschlossen ist. Die Formulierung in § 31 Abs 7 Satz 1 Ärzte-ZV "Die Ermächtigung ist zeitlich ... zu bestimmen" (vgl hierzu Urteil des Senats in BSGE 70, 167, 171 ff = SozR 3-2500 § 116 Nr 2) ist sprachlich auf keine der beiden Möglichkeiten gerichtet.
In der Rechtsprechung des BSG ist zum Wirkungsbeginn einer Ermächtigung bisher noch nicht Stellung genommen worden. Entschieden ist lediglich, daß die Zulassung eines Kassenzahnarztes nicht rückwirkend erfolgen kann (Urteil vom 30. Oktober 1963 - 6 RKa 18/62 - BSGE 20, 86, 90 = SozR Nr 25 zu § 368a RVO). Das Recht, an der kassenzahnärztlichen Versorgung teilzunehmen, beginne erst mit der Zulassung. Erst durch sie erhalte der Bewerber die Rechtsstellung als Kassenzahnarzt und werde ordentliches Mitglied der für seinen Kassenarztsitz zuständigen Kassenzahnärztlichen Vereinigung. Allein aufgrund der Zulassung sei er berechtigt und verpflichtet, die ihn in Anspruch nehmenden Kassenpatienten zu Lasten der zuständigen Krankenkasse zu behandeln. Die Zulassung zur Kassenpraxis stelle somit einen konstitutiven Verwaltungsakt dar, der nach der gesetzlichen Ordnung der kassenärztlichen Versorgung nicht rückwirkend ausgesprochen werden könne. - Im kassen(zahn)arztrechtlichen Schrifttum wird - soweit ersichtlich -zu dem Fragenkreis nicht Stellung genommen.
In Fortführung seiner Rechtsprechung zur Unzulässigkeit der Rückwirkung der Zulassung eines niedergelassenen Arztes verneint der Senat auch für die Ermächtigung eines Krankenhausarztes nach § 95 Abs 4 Satz 1, § 116 SGB V die Möglichkeit, den Eintritt der materiellen Rechtsfolgen auf einen Zeitpunkt vor der Wirksamkeit iS des § 39 Abs 1 Satz 1 SGB X zu verlegen. Die Rechtsnatur der Ermächtigung und der Regelungszusammenhang, in den Zulassung und Ermächtigung rechtssystematisch gehören, lassen für die Ermächtigung ebenfalls nur eine Wirkung ex nunc zu.
Zulassung und Ermächtigung sind Rechtsakte, die für den zugelassenen bzw ermächtigten Arzt gemäß § 95 Abs 3 Satz 1 und Abs 4 Satz 1 SGB V in gleicher rechtsgestaltender Weise die Berechtigung und Verpflichtung zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung der Versicherten begründen; sie sind in dieser Beziehung 'konstitutiv' wirkende Rechtsakte. Der Umstand, daß die Zulassung dem niedergelassenen Arzt nach § 95 Abs 3 Satz 1 SGB V zugleich die korporationsrechtliche Stellung eines Mitglieds der für den Kassenarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung gibt, eine gleichartige oder vergleichbare Wirkung mit der Ermächtigung dagegen für den ermächtigten Krankenhausarzt seit Inkrafttreten des SGB V nicht mehr (vgl zuvor § 368a Abs 8 Satz 3 iVm Abs 4, § 368k Abs 4 RVO) verbunden ist, nimmt der Ermächtigung den bezeichneten rechtlichen Charakter nicht. Ihrem Inhalt nach ist die durch Zulassung bzw Ermächtigung begründete Rechtsstellung eine Kompetenz zum Handeln. In dieser Ausrichtung auf ein menschliches Verhalten ist sie prinzipiell in die Zukunft orientiert und kann nach dem Grundsatz 'in praeteritum non vivitur' nicht in die Vergangenheit rückbezogen wirken.
Mit dieser Rechtsansicht weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zur Frage ab, zu welchem Zeitpunkt ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt inhaltlich Geltung erlangt. Zwar hat das BVerwG - ausgehend von der Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes - prinzipiell die Möglichkeit anerkannt, daß die im Verwaltungsakt enthaltene Regelung (Begründung, Änderung oder Aufhebung eines Rechts oder Rechtsverhältnisses, der Pflicht zur Vornahme oder Unterlassung einer Handlung) unabhängig von dem Beginn der äußeren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden kann (grundlegend BVerwGE 13, 1, 7; daran anschließend BVerwGE 55, 212, 215; 88, 278, 281; VerwRspr 32 [1981], 32, 34). Das Gericht hat aber eine Ausnahme hiervon nicht nur für belastende Regelungen gemacht, denen es rückwirkende Geltung nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung der Behörde zu entsprechender Anordnung zuerkannte (zustimmend Klappstein in Knack, VerwVerfG Komm 3. Aufl 1989 § 43 RdNr 2.2.1.3; auf das Fehlen eines ausdrücklichen Ausschlusses abstellend Sachs in Stelkens/Bonk/Leonhardt, VerwVerfG Komm 4. Aufl 1993 § 43 RdNr 131). Es hat vielmehr auch für die Verleihung eines höheren Dienstgrades nach § 40 des Wehrpflichtgesetzes entschieden, daß eine Ernennung wegen ihrer konstitutiven Wirkung nicht rückwirkend möglich ist. Die rückwirkende Begründung des durch dienstliche Bekanntgabe verliehenen Status des Soldaten wäre eine Fiktion, die ohne ausdrückliche Gesetzesvorschrift unzulässig ist. Die Unmöglichkeit einer rückwirkenden Ernennung sei Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens; die eindeutige ausdrückliche Regelung in § 10 Abs 2 Satz 2 des Bundesbeamtengesetzes über die Unzulässigkeit einer Ernennung auf einen zurückliegenden Zeitpunkt habe lediglich klarstellende Funktion (VerwRspr 32 [1981], 32, 34 mwN). Unter dem einen wie unter dem anderen vom BVerwG als Ausnahmegrund angeführten Gesichtspunkt ist für die Zulassung und die Ermächtigung schon wegen ihres konstitutiven Charakters und des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift die Rückbeziehung der inhaltlichen Wirkung ausgeschlossen.
Die Begrenzung auch der Ermächtigung auf eine Wirkung ex nunc ergibt sich darüber hinaus aus dem das Leistungs- und Leistungserbringungsrecht des SGB V prägenden Natural(oder Sach-)leistungsprinzip. Zulassung und Ermächtigung sind Rechtsakte, mit denen die reale Erbringung der Leistungen, auf die die Versicherten bei Eintritt des Versicherungsfalles unter dem Begriff der vertragsärztlichen Versorgung iS des § 73 Abs 2 SGB V Anspruch haben, organisatorisch vorbereitet wird: Wie § 2 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1, § 13 Abs 1 SGB V zeigen, sind die Krankenkassen nicht bloße Kostenträger der krankenversicherungsrechtlichen Leistungen iS des § 21 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch, Allgemeiner Teil -(SGB I), § 11 Abs 1 SGB V, die wie die privatrechtliche Krankenversicherung im Regelfall ihren Versicherten lediglich die Aufwendungen wieder erstatten, die diese für ihre Behandlung an den Behandelnden bereits erbracht oder noch zu erbringen haben. Ihre Aufgabe und entsprechende Rechtsstellung ist vielmehr insofern anders angelegt, als sie ihrer originären Funktion nach selbst Schuldner der jeweils erforderlichen Leistungen sind und diese durch geeignete Leistungserbringer iS des Vierten Kapitels des SGB V den Versicherten gewähren. Die für die private Krankenversicherung typische Kostenerstattung ist für sie die Ausnahme (vgl § 13 SGB V).
Die Folge dieser Ausrichtung des Versicherungsschutzes am Naturalleistungsprinzip ist die Begrenzung der konkreten Leistungsabwicklung auf die Zeit ab Erfüllung aller rechtlichen Voraussetzungen, die im Gesetz für ordnungsgemäße, dh den Krankenkassen als Erfüllung ihrer Aufgaben gegenüber den Versicherten zurechenbare Maßnahmen iS des Dritten Kapitels des SGB V aufgestellt sind. Nur dann hat der einzelne Versicherte die Gewähr, daß er bei Inanspruchnahme eines bestimmten Leistungserbringers auch wirklich den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung erhält und nicht individuellen Zahlungsansprüchen des Leistungserbringers aus einem privatrechtlichen Schuldverhältnis (etwa Vertrag oder ungerechtfertigter Bereicherung) ausgesetzt ist. Bei ärztlicher Behandlung im besonderen muß diese Gewißheit über die rechtliche Grundlage vor allem auch im Blick auf die Befugnis des Arztes bestehen, die Durchführung erforderlicher diagnostischer oder therapeutischer Leistungen durch einen anderen zugelassenen oder ermächtigen Arzt oder eine ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtung mittels Überweisung zu veranlassen (§ 21 Abs 1 BMV-Ä). Dasselbe hat für Verordnungen und Anordnungen des Arztes gemäß § 73 Abs 2 Nrn 5 bis 8 SGB V zu gelten, aufgrund deren andere, nichtärztliche Leistungserbringer (zB Apotheker, Heil- oder Hilfsmittelerbringer) ihrerseits befugt sind, in Ausführung des gesetzlichen Auftrags der Krankenkassen an deren Versicherte spezifische Leistungen zu erbringen. In Übereinstimmung hiermit kann der Arzt die förmlichen Erfordernisse seiner entsprechenden Maßnahmen (Benutzung der vereinbarten Formblätter/Vordrucke, des Kassenarztstempels, §§ 28 ff BMV-Ä) befugterweise nur erfüllen, wenn er bereits zugelassen oder ermächtigt ist.
Diese gesetzlichen und vertraglichen Regelungen entfalten über ihre unmittelbare Zwecksetzung hinaus, für die kassenärztliche Tätigkeit die Leistungsabwicklung und die Leistungsabrechnung näher zu bestimmen, mittelbar auch eine Schutzwirkung zugunsten der Versicherten in dem Sinn, daß diesen die Sicherung, die § 1 Satz 1 SGB V als Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung normiert, in verläßlicher, vorhersehbarer und gleichförmiger Weise gewährleistet und das Risiko der Kostentragung insoweit abgenommen wird. Eine rückwirkend in Kraft gesetzte Zulassung oder Ermächtigung könnte schon faktisch diesen Schutz nicht bieten. Sie ermöglichte zudem, daß die Versicherten zunächst - dh bis zur rückwirkend erteilten, bis dahin aber durchaus ungewissen Zulassung oder Ermächtigung - für das Honorar des sie behandelnden Arztes jedenfalls auslageweise aufzukommen hätten und auf bloße Kostenerstattung durch ihre Krankenkasse angewiesen wären. Damit aber würde im Ergebnis nicht nur der bezeichnete mittelbare Schutz der Versicherten, sondern auch die im Gesetz lediglich als Ausnahme konzipierte Kostenerstattungsregelung des § 13 SGB V unterlaufen.
Entgegen der Auffassung der Revision kann aus der Regelung des § 9 Abs 14 EKV-Ärzte in der ab 1. Oktober 1990 geltenden Fassung kein anderes Ergebnis abgeleitet werden. Zwar wird dort eine Ermächtigung "ausnahmsweise rückwirkend für einen Zeitraum von höchstens sechs Monaten" für zulässig erklärt, wenn die Umstände, die zu der ihr vorangegangenen Ermächtigung geführt haben, fortbestehen. Diese Bestimmung ist aber ungeachtet ihrer Vereinbarkeit mit den vorstehend dargelegten Rechtsgrundsätzen hier schon deshalb nicht einschlägig, weil der Rechtsstreit um die erstmalige Ermächtigung des Klägers geführt wird.
Auch dem Antrag des Arztes auf Ermächtigung kommt abweichend von der Meinung der Revision für den Beginn seiner Befugnis zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung keine Bedeutung zu. Der Antrag ist lediglich formale Grundlage für die Entscheidung der Zulassungsgremien, nicht aber konstitutiv für die Rechtsstellung, die sich erst aus der Entscheidung über ihn ergibt. Allein sein Fehlen ist für den ermächtigenden Bescheid insofern bedeutsam, als damit der Bescheid fehlerhaft - allerdings heilbar, § 41 Abs 1 Nr 1 SGB X - ist. Daß die Zulassungsgremien über einen Ermächtigungsantrag innerhalb angemessener Frist entscheiden müssen, versteht sich dabei von selbst. Gegebenenfalls hat der Arzt die ihm gesetzlich zustehenden Möglichkeiten zu nutzen, um eine rechtzeitige Entscheidung zu erreichen. Ein Zeitraum von etwa fünf Monaten, wie im vorliegenden Fall, erscheint dem Senat im Hinblick darauf, daß vor einer Entscheidung entsprechende Ermittlungen zur Bedarfslage angestellt werden müssen, noch vertretbar (vgl auch § 88 Abs 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Keinen Erfolg kann der Kläger mit seinem Hinweis auf eine von der oben dargestellten Rechtslage abweichende Praxis der Zulassungsgremien und die Erklärungen des Obmanns haben. Eine etwaige Verwaltungspraxis allein kann eine bestehende Rechtslage nicht verändern, insbesondere dann nicht, wenn sie gegen geltendes Recht verstößt. Die Erklärungen des Obmanns sind unabhängig von ihrem Inhalt - insoweit wäre der Senat an die Feststellungen des LSG dazu gebunden -für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung, weil der Obmann nicht befugt war, verbindliche Erklärungen mit Wirkung für und gegen die Zulassungsgremien abzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1, 4 Satz 2 SGG.BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen
AusR 1995, 2 |
AusR 1995, 20 |
AusR 1995, 9 |