Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, wann Berufsunfähigkeit iS von GAL § 41 Abs 1 Buchst a Fassung: 1969-07-29 vorliegt.
Normenkette
RVO § 1246 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; GAL § 41 Abs. 1 Buchst. a Fassung: 1969-07-29
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 1. März 1972 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28. April 1971 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Landabgaberente.
Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) arbeitete der am 12. August 1914 geborene Kläger von Jugend an in der im Kreis D gelegenen elterlichen Landwirtschaft; diese umfaßte 7,497 ha landwirtschaftlich und 3,986 ha forstwirtschaftlich genutzten Boden. Der Kläger erlernte außerdem das Schuhmacherhandwerk und bestand 1938 die Meisterprüfung. 1946 übernahm er sowohl die elterliche Landwirtschaft als auch die Schuhmacherei seines Vaters. Beiträge zur landwirtschaftlichen Alterskasse entrichtete er ab Oktober 1957. Die Schuhmacherei betrieb er bis 1966. Mit Wirkung vom 1. April 1970 verpachtete er die landwirtschaftlich genutzten Flächen seines Anwesens mit Ausnahme von 0,598 ha bis zum 30. September 1988. Seit dem 27. April 1970 arbeitet er ganztägig als Werkzeugausgeber (tariflicher Stundenlohn im März 1972 5,- DM brutto) in der Lehrlingswerkstätte der Bayerischen Motorenwerke (BMW) in D, die er von seiner auf seinem Hofgrundstück beibehaltenen Wohnung aus täglich mit einem Bus erreicht. Wegen einer durch Granatsplitter verursachten geringen Bewegungsbehinderung des linken Oberarmes mit geringer Muskelatrophie, eines Leberzellenschadens und einer Untersäuerung des Magensaftes bezieht er Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 %.
Mit Bescheid vom 27. Juli 1970 lehnte es die Beklagte ab, dem Kläger Landabgaberente zu gewähren; er sei noch nicht berufsunfähig. Seine Klage hatte erst vor dem LSG Erfolg; es verurteilte die Beklagte zur Rentengewährung ab 1. April 1970. Nach den übereinstimmenden Gutachten der im Verfahren gehörten Ärzte könne der Kläger keine schweren Arbeiten mehr verrichten. Da bei der Größe des Anwesens eine Beschäftigung von Dienstkräften wirtschaftlich nicht tragbar sei, könne er deshalb seine Landwirtschaft nicht mehr bewirtschaften. Eine Verweisung auf andere Tätigkeiten sei nicht möglich. Die Verweisbarkeit von Landwirten sei bei der Anwendung des § 41 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) räumlich und sachlich eingeschränkt. Dem Kläger dürften als selbständigem Unternehmer angesichts der Größe des von ihm abgegebenen Unternehmens nur besonders hervorgehobene verantwortungsvolle Tätigkeiten zugemutet werden; als Schuhmachermeister könne er ohnehin nicht auf untergeordnete Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Landwirtschaftliche Tätigkeiten mit vorwiegender Aufsichtsfunktion seien am Wohnort des Klägers nur ganz vereinzelt vorhanden; er könnte sie wegen Fehlens der dafür notwendigen Kenntnisse auch nicht ausüben. Dasselbe gelte für besonders hervorgehobene Tätigkeiten in sonstigen Wirtschaftsbereichen, insbesondere als unselbständiger Meister in der Schuhindustrie. Eine Verweisung auf die von ihm jetzt ausgeübte Tätigkeit komme auch nicht in Betracht, weil es sich um eine einfache, keine besonderen Kenntnisse erfordernde Arbeit ohne größere Verantwortung handele.
Mit der zugelassenen Revision beantragt die Beklagte,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) zurückzuweisen.
Sie rügt, das LSG habe den Begriff der Berufsunfähigkeit im Rahmen der §§ 41 GAL, 1246 der Reichsversicherungsordnung (RVO) verkannt. Da der Kläger noch mittelschwere Arbeiten verrichten könne und heute selbst in Kleinstunternehmen die technische Ausstattung im Durchschnitt sehr gut sei, bestünden bereits Zweifel, ob seine Erwerbsfähigkeit als Landwirt auf weniger als die Hälfte eines gesunden Landwirts herabgesunken sei. Jedenfalls könne er aber auf die von ihm freiwillig übernommene Tätigkeit in der Lehrlingswerkstätte eines großen Werkes verwiesen werden. Es handele sich um eine herausgehobene Stellung, die ihn zudem einkommensmäßig besser stelle als einen Landwirt mit einem Betrieb von der Größe des von ihm abgegebenen Anwesens.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet; entgegen der Auffassung des LSG hat der erst 58 jährige Kläger keinen Anspruch auf Landabgaberente.
Der vom Kläger erhobene Anspruch ist zunächst nach § 41 GAL idF vom 29. Juli 1969 (GAL 1969; BGBl I 1017) zu beurteilen. Für die Zeiten ab 1. Januar 1971 bzw. 1. Oktober 1972 sind zusätzlich die Neufassungen des § 41 im GAL 1971 (vom 21. Dezember 1970; BGBl I 1774) und im GAL 1972 (vom 26. Juli 1972; BGBl I 1293) zu berücksichtigen.
§ 41 GAL 1969 enthält mehrere, teils kumulative, teils alternative Anspruchsvoraussetzungen. Alternativ sind die Voraussetzungen in § 41 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3; von ihnen kommt hier nur die zweite Alternative in § 41 Abs. 1 Buchst. a in Betracht. Hiernach ist es erforderlich, daß der (ehemalige) landwirtschaftliche Unternehmer "berufsunfähig i. S. d. § 1246 Abs. 2 RVO ist". An dieser Anspruchsvoraussetzung haben die Neufassungen im GAL 1971 und 1972 nichts geändert.
Das LSG hat Berufsunfähigkeit bejaht und ohne nähere Ausführungen die übrigen - kumulativen - Anspruchsvoraussetzungen als unstreitig gegeben erklärt. Insoweit bestehen jedoch Zweifel, ob die Anspruchsvoraussetzung des § 41 Abs. 1 Buchst. c erfüllt ist. Der Kläger hat nach dem vom LSG festgestellten Sachverhalt 0,598 ha landwirtschaftlich genutzte Fläche und 3,986 ha forstwirtschaftlich genutzten Boden zurückbehalten. Nach § 41 Abs. 2 Satz 1 iVm § 2 Abs. 7 GAL ist eine teilweise Abgabe nur dann eine wirksame Abgabe, wenn der Einheitswert oder der Arbeitsbedarf des nicht abgegebenen Teiles 25 % der nach § 1 Abs. 4 festgesetzten Mindesthöhe nicht überschreitet. Ob dies der Fall ist, läßt sich aus den Feststellungen des LSG ebensowenig entnehmen wie aus den Akten und Schriftsätzen der Beklagten.
Der Senat braucht deswegen jedoch den Rechtsstreit nicht an das LSG zurückzuverweisen. Denn entgegen der Meinung des LSG ist der Kläger nicht berufsunfähig. Ein Anspruch auf Landabgaberente kann ihm deshalb schon aus diesem Grunde nicht zustehen.
Der Begriff der Berufsunfähigkeit ist im Landabgaberecht, wie der in § 41 Abs. 1 Buchst. a beigefügte Zusatz zeigt, grundsätzlich so zu verstehen, wie ihn § 1246 Abs. 2 RVO erläutert. Nach dessen Satz 1 ist berufsunfähig ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt nach Satz 2 alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Dem LSG ist zuzustimmen, daß auch die in der Rechtsprechung zur Auslegung dieser Vorschrift entwickelten Grundsätze zu berücksichtigen sind. Andererseits - das hat das LSG nicht verkannt - ist es jedoch unumgänglich, bei der Auslegung des Begriffs der Berufsunfähigkeit in § 41 GAL stets den Besonderheiten des Landabgaberechtes Rechnung zu tragen (vgl. BSG 30, 71, 73 zum Begriff der Erwerbsunfähigkeit in § 2 Abs. 2 GAL 1965). Das folgt schon daraus, daß die Berechtigten hier keine Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung sind; im übrigen hat die Landabgaberente wesentlich andere Voraussetzungen und Ziele als die Berufsunfähigkeitsrente nach § 1246 RVO. Wann die struktur- und sozialpolitische Zielsetzung der Landabgaberente eine abweichende Auslegung gebietet, läßt sich nicht allgemein festlegen; das ist jeweils für die einzelnen Merkmale der Berufsunfähigkeit zu prüfen.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (vgl. u. a. SozR Nr. 26, 52, 60, 61, 64, 69 zu § 1246 RVO) ist bei der Entscheidung über die Berufsunfähigkeit eines Versicherten dessen "bisheriger Beruf" der Ausgangspunkt der gesamten Beurteilung. Die Erwerbsfähigkeit des Versicherten richtet sich zunächst danach, welche Einkünfte der Versicherte in diesem Beruf noch erzielen kann. Der bisherige Beruf ist außerdem maßgebendes Merkmal für die Frage, in welchen Verweisungsberufen die Erwerbsfähigkeit des Versicherten ferner zu prüfen ist. Schließlich läßt sich auch die "Vergleichsperson", mit deren Erwerbsfähigkeit die konkrete Erwerbsfähigkeit des Versicherten zu vergleichen ist (§ 1246 Abs. 2 Satz 1 RVO), nur vom bisherigen Beruf des Versicherten her zutreffend ermitteln.
Der Senat hält es auch bei Prüfung der Berufsunfähigkeit im Landabgaberecht für angemessen, von einem "bisherigen Beruf" auszugehen. Das kann nach Voraussetzung, Sinn und Zweck der Landabgaberente nur der Beruf des selbständigen Landwirts sein. Die Landabgaberente ist eine aus struktur- und sozialpolitischen Erwägungen gewährte staatliche Gegenleistung für die Abgabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens. Der Rentenbewerber muß landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen sein (vgl. § 41 Abs. 1, Einleitung und Buchst. c u. d); nur in dieser Eigenschaft kann er die 60 Monatsbeiträge geleistet haben, die als Wartezeit nach § 41 Abs. 1 Buchst. b) gefordert werden. Aber der Beruf des selbständigen Landwirts bedarf noch einer näheren Begrenzung. Denn abgesehen davon, daß Landabgaberente (wie landwirtschaftliche Altershilfe) nur für Unternehmer i. S. d. § 1 GAL in Betracht kommt, d. h. für Inhaber von Betrieben, die eine Existenzgrundlage bilden, ist gerade für den Landwirtsberuf zu berücksichtigen, daß er in Betrieben unterschiedlicher Größe in den vielgestaltigsten Formen ausgeübt wird. Es ist deshalb nicht unerheblich, in welchem Betrieb die selbständige landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt worden ist. Nur eine selbständige Erwerbstätigkeit in Betrieben ähnlicher Art und ähnlichen Umfangs ist im Rahmen des § 41 GAL als bisheriger Beruf (bzw. bisherige Berufstätigkeit, vgl. § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO) anzusehen.
Das LSG hat nicht ausdrücklich festgestellt, daß der Kläger eine solchermaßen konkretisierte landwirtschaftliche Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben kann. Es hat aber festgestellt, daß er aus gesundheitlichen Gründen "seine Landwirtschaft" nicht mehr zu bewirtschaften vermag. Dieser Feststellung bedurfte es zwar nicht, weil der Kläger "seine Landwirtschaft" abgegeben haben mußte (§ 41 Abs. 1 Buchst. c GAL) und sie schon darum nicht mehr bewirtschaften konnte. Die Feststellungen des LSG lassen sich jedoch dahin verstehen, daß der Kläger auch zur selbständigen Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Betrieben ähnlicher Art und ähnlichen Umfangs nicht mehr fähig ist.
Das LSG hat diese Feststellung darauf gestützt, daß der Kläger aus gesundheitlichen Gründen (Krankheit und Schwäche seiner körperlichen Kräfte) keine schweren körperlichen Arbeiten in der Landwirtschaft mehr leisten kann. Es hat hinzugefügt, bei der Größe seines Anwesens habe er alle schweren Arbeiten selbst verrichten müssen, eine Beschäftigung von Dienstkräften sei wirtschaftlich nicht tragbar gewesen. Der Senat hat keine Bedenken, diese Feststellungen auch für einen landwirtschaftlichen Betrieb ähnlicher Art und ähnlichen Umfangs gelten zu lassen. Die Beklagte hat demgegenüber in ihrer Revisionsbegründung die vom LSG gezogenen Schlüsse als äußerst zweifelhaft bezeichnet. Das LSG habe sich nicht mit der Frage befaßt, ob im landwirtschaftlichen Betrieb von heute die Zahl der schweren Arbeiten durch Technisierung und Maschinisierung ganz erheblich zurückgegangen sei; auch in kleineren und sogar in Kleinstbetrieben sei die technische und maschinelle Ausstattung im Durchschnitt sehr gut. Mit diesem Vorbringen wendet sich die Beklagte gegen tatsächliche Feststellungen des LSG. Der Senat kann selbst keine tatsächlichen Feststellungen treffen; er ist nach § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) an die tatsächlichen Feststellungen des LSG gebunden, soweit nicht durchgreifende Revisionsgründe dagegen vorgebracht werden. Das ist hier nicht der Fall. Verfahrensrügen i. S. d. § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG hat die Beklagte nicht erhoben. Ihr neues tatsächliches Vorbringen kann der Senat daher nicht berücksichtigen.
Ergibt sich somit, daß der Kläger in seinem bisherigen Beruf nicht mehr erwerbsfähig ist, so gilt ein Gleiches nicht für seine Erwerbsfähigkeit in Verweisungsberufen (Verweisungstätigkeiten). Daß der Kläger nur auf Tätigkeiten verwiesen werden kann, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen (§ 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO), ist nicht streitig und bedarf keiner Begründung. Darüber hinaus muß jede Verweisungstätigkeit für den Kläger aber auch zumutbar sein. § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO nennt als Kriterien für die Zumutbarkeit neben Dauer und Umfang der Ausbildung des Versicherten dessen bisherigen Beruf und die besonderen Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit. Da eine Ausbildung des Klägers für seine landwirtschaftliche Tätigkeit nicht festgestellt ist, kommt es also auf die soziale Bewertung des bisherigen Berufes an. Bisheriger Beruf bzw. bisherige Berufstätigkeit des Klägers ist, wie ausgeführt, die selbständige landwirtschaftliche Erwerbstätigkeit in Betrieben, die seinem früheren Betrieb in Art und Umfang ähnlich sind. Der Kläger darf nicht auf Tätigkeiten verwiesen werden, die im Vergleich hierzu einen wesentlichen sozialen Abstieg bedeuten würden.
Daß ein Selbständiger auf unselbständige Beschäftigungen verwiesen werden kann, ist vom BSG wiederholt hervorgehoben worden (SozR Nr. 3, 60, 64, 69, 70 zu § 1246 RVO); im Rahmen des § 41 GAL kann es hiervon keine Ausnahme geben. Das LSG hat das nicht in Frage gestellt. Es hat jedoch gemeint, der Kläger dürfe nur auf besonders herausragende, mit Verantwortung (etwa mit Aufsichtsfunktion) verbundene abhängige Beschäftigungen verwiesen werden. Dies hat es damit begründet, daß die selbständige Erwerbstätigkeit als Landwirt den Lebensunterhalt der Familie voll gedeckt und eine besondere Lebensform dargestellt habe; da diese Tätigkeit Grundlage der Beitragsleistung gewesen sei, sei der soziale Status als selbständiger Landwirt in besonderem Maße zu schützen. Diese Gründe rechtfertigen nicht die vorgenommene Begrenzung der Verweisungstätigkeiten. Sie gelten im Grunde auch für viele andere, wenn nicht für alle selbständigen Erwerbstätigkeiten; es ist deshalb nicht einzusehen, warum gerade beim selbständigen Landwirt ein erhöhter sozialer Schutz geboten sein sollte.
Bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit im Rahmen des § 41 GAL ist zu bedenken, daß die Landabgaberente den Strukturwandel in der Landwirtschaft fördern soll. Eine Folge des Strukturwandels ist das Überwechseln vieler Landwirte in Arbeitnehmerberufe (vgl. Noell, GAL 1971, S. 65). Dieses Überwechseln wird durch Umschulungsmaßnahmen, besondere Nachentrichtungsmöglichkeiten und Zuschüsse zur Nachentrichtung von Beiträgen (Art. 2 § 50 Buchst. b AnVNG; GAL 1971, 3. Teil) gefördert. Eine Beschränkung der Förderung auf ein Überwechseln in besonders herausgehobene abhängige Beschäftigungen findet dabei nicht statt. Das Überwechseln erfolgt auch üblicherweise nicht nur in besonders herausgehobene Beschäftigungen.
Ferner ist zu berücksichtigen, daß die soziale Bewertung des Landwirtsberufes wesentlich von der Größe des bewirtschafteten Betriebes abhängt. Das BSG hat schon bei der Prüfung der Verweisbarkeit eines früher in der Rentenversicherung selbstversicherten "Kleinlandwirts" ausgeführt (SozR Nr. 64 zu § 1246 RVO), wer eine selbständige Erwerbstätigkeit in so kleinen Verhältnissen ausgeübt habe, daß die wirtschaftlichen Erträge auf die Dauer das Lohneinkommen für ungelernte Tätigkeiten nicht überstiegen hätten, müsse sich auch auf ungelernte Tätigkeiten verweisen lassen. Es muß daher bedacht werden, daß der Kläger zwar einen eine Existenzgrundlage bildenden, aber doch immerhin verhältnismäßig kleinen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet hat. Das hat auch das LSG festgestellt, wenn es ausgeführt hat, Dienstkräfte hätten in einem Betrieb dieser Größenordnung wirtschaftlich nicht verkraftet werden können. Der Betrieb des Klägers erreichte - wie sich aus der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung des § 41 Abs. 1 Buchst. e GAL 1969 ergibt - noch nicht das Zweifache der nach § 1 Abs. 4 GAL festgesetzten Werte. Inzwischen fördert der Gesetzgeber aber schon die Abgabe von Betrieben bis zum Fünffachen dieser Werte (vgl. § 41 Abs. 1 Buchst. e GAL 1971 ).
Aus alledem folgt, daß die soziale Bewertung des "bisherigen Berufes" des Klägers die soziale Bewertung eines Facharbeiters jedenfalls nicht übersteigt. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß Facharbeiter auf solche ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden können, die sich aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten hervorheben (zuletzt SozR Nr. 107 zu § 1246 RVO). Hieraus folgert der Senat, daß ein landwirtschaftlicher Unternehmer, dessen Betrieb wie im Falle des Klägers das Doppelte der nach § 1 Abs. 4 GAL festgesetzten Mindesthöhe nicht erreicht hat, sich auf solche ungelernte Tätigkeiten verweisen lassen muß, die nicht Tätigkeiten einfachster Art (z. B. Reinigungs- und Putzarbeiten, einfache Wächter- und Wartungsdienste) sind.
Welche Tätigkeiten danach im einzelnen für den Kläger in Betracht kämen (z. B. in der Landwirtschaft und auch in der Schuhindustrie), kann dahingestellt bleiben. Es steht fest, daß der Kläger eine Beschäftigung als Werkzeugausgeber in der Lehrlingswerkstätte eines großen Industriebetriebes aufgenommen hat. Diese Tätigkeit ist keine ungelernte Tätigkeit einfachster Art und für den Kläger zumutbar. Die tarifliche Einstufung brachte ihm schon im März 1972 bei einem Stundenlohn von 5,- DM ein Brutto-Einkommen von immerhin rund 900,- DM monatlich. Der Kläger erleidet daher keinen wesentlichen sozialen Abstieg, wenn er auf diese von ihm aufgenommene Beschäftigung verwiesen wird.
Besonderheiten des Landabgaberechts könnten allerdings noch zu einer Begrenzung des Verweisungsgebietes führen; denn Voraussetzung der Gewährung von Landabgaberente ist nicht die restlose Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens. Eine Abgabe zum Zwecke der Strukturverbesserung liegt vielmehr auch dann vor, wenn Unternehmensteile zurückbehalten werden, deren Einheitswert oder Arbeitsbedarf 25 % der festgesetzten Einheitswertmindesthöhe nicht überschreitet (§ 41 Abs. 2 Satz 1 iVm § 2 Abs. 7 GAL). Es wäre deshalb ein Widerspruch, wenn sich ein Unternehmer, der Unternehmensteile dieses Umfangs zurückbehalten hat, bei Prüfung der Berufsunfähigkeit so behandeln lassen müßte, als habe er sein Unternehmen vollständig abgegeben. Ein solcher Unternehmer kann deshalb nicht immer auf das gesamte Arbeitsfeld der Bundesrepublik Deutschland verwiesen werden. Es kommt vielmehr auf das Maß seiner persönlichen Bindungen zu dem bisherigen Betriebssitz an. Der Kläger hat von den landwirtschaftlich genutzten Flächen seines Unternehmens 0,598 ha sowie alle forstwirtschaftlich genutzten Flächen und auch die Wohn- und Wirtschaftsgebäude zurückbehalten und bewohnt noch seine hier befindliche Wohnung. In derartigen Fällen des Fortbestehens der örtlichen Bindungen an die bisherige Wohn- und Betriebsstätte müssen Erwerbsmöglichkeiten, die nur bei einem Umzug oder bei sogenanntem Wochenendpendeln genutzt werden können, in aller Regel ebenso ausscheiden, wie das bei einem Altenteiler der Fall ist, dem aus seinem ehemaligen Anwesen Versorgungsleistungen des nunmehrigen Unternehmers zufließen; sie dürfen für die Beurteilung seiner Erwerbsfähigkeit nicht in Betracht gezogen werden (vgl. BSG 30, 71 = SozR Nr. 3 zu GAL 1965 § 2). Der Kläger kann aber unstreitig seine jetzige Arbeitsstätte im Wege des täglichen Pendelns erreichen.
In dem vom LSG festgestellten Sachverhalt fehlen ausdrückliche Feststellungen, welche Einkünfte ein gesunder selbständiger Landwirt erzielen kann, der einen Betrieb ähnlicher Art und ähnlichen Umfangs wie den vom Kläger angegebenen betreibt. Es bestehen jedoch keine Zweifel, daß das LSG davon ausgegangen ist, der Kläger erziele in seiner jetzigen Beschäftigung jedenfalls mehr als die Hälfte dieser Einkünfte (nach dem Vortrag der Beklagten in der Revisionsbegründung soll sich der Kläger einkommensmäßig sogar besser stehen).
Damit ist der Kläger - in einer zumutbaren Verweisungstätigkeit - noch in einem Maße erwerbsfähig, daß Berufsunfähigkeit bei ihm nicht gegeben ist. Entgegen der Auffassung des LSG steht ihm deshalb Landabgaberente nicht zu.
Auf die Revision der Beklagten sind deshalb das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen