Entscheidungsstichwort (Thema)

Knappschaftliche Witwenrente. Unfallwitwenrente. Zusammentreffen. Ruhen. Rentenüberzahlung. Rentenrückforderung

 

Orientierungssatz

Ist der Empfänger einer Rente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung erkennbar davon überzeugt, daß er den Tatbestand für die Gewährung zugleich einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung erfülle, so kann er, wenn ihm ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit später unter Billigung seiner Auffassung die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung rückwirkend rechtskräftig zuerkennt, der Rückforderung der wegen Zusammentreffens mit dieser Rente ruhenden und daher überzahlten knappschaftlichen Witwenrente nicht entgegenhalten, er habe bei ihrem Empfang nicht gewußt oder nicht wissen müssen, daß sie ihm nicht in dieser Höhe zustehe; dem Erfordernis des Wissens oder Wissenmüssens im Sinne des § 93 Abs 2 S 2 RKG genügt es in diesem Falle, daß die Überzeugung, es lägen die Voraussetzungen für die - rückwirkende - Gewährung der Unfallrente vor, erst später mit der Rechtskraft des die Rechtslage klärenden Urteils von der positiven Kenntnis des Empfängers, daß dem so sei, abgelöst wird (vgl BSG 1971-06-24 5 RKn 49/68 = SozR Nr 14 zu § 1301 RVO).

 

Normenkette

RKG § 76 Abs. 1; RVO § 1279 Abs. 1; RKG § 93 Abs. 2 S. 2; RVO § 1301 S. 2

 

Verfahrensgang

SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 20.05.1970)

 

Tenor

Auf die Sprungrevision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20. Mai 1970 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Die Klägerin ist die Witwe des ehemaligen Bergmannes P N. Dieser hat seit langen Jahren wegen einer als Berufskrankheit anerkannten Silikose von der Bergbau-Berufsgenossenschaft (Bergbau-BG) Verletztenrente von zuletzt 50 v.H. der Vollrente und daneben von der beklagten Knappschaft Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit bezogen. Nach dem Tode des Ehemannes am 25. Juni 1966 zahlte die Bergbau-BG der Klägerin in der Zeit von August 1966 bis September 1967 eine Reihe von Vorschüssen "auf die ggf. festzusetzenden Leistungen" im Betrage von 250,- DM monatlich. Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 30. November 1966 rückwirkend ab 1. Juli 1966 knappschaftliche Witwenrente ohne Berücksichtigung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, wies aber im Bescheid darauf hin, daß eine Umrechnung der Rente unter Berücksichtigung der einschlägigen Ruhensvorschriften erforderlich werden würde, wenn Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt würde.

Am 8. November 1967 verurteilte das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen die Bergbau-BG unter Aufhebung eines inzwischen erlassenen Rentenablehnungsbescheides vom 12. Oktober 1966 rechtskräftig, der Klägerin Unfallwitwenrente ab 25. Juni 1966 - Tod des Ehemannes - zu gewähren. Dieses Urteil führte die Bergbau-BG in der Folge aus, zahlte laufende Witwenrente von monatlich 323,70 DM und unterrichtete die Beklagte davon.

Mit dem streitbefangenen Bescheid vom 28. Juni 1968 - zugunsten der Klägerin abgeändert durch Bescheid vom 22. Dezember 1969 - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 1968 stellte die Beklagte hierauf die knappschaftliche Witwenrente der Klägerin unter Anwendung der Ruhensvorschriften der §§ 75 bis 77 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) unter Berücksichtigung der von der Bergbau-BG erbrachten Leistungen für die Zeit vom 1. Oktober 1966 bis 30. Juni 1968 neu fest und forderte zugleich die errechnete Überzahlung von 4.155,30 DM in monatlichen Raten von 100,- DM von der Klägerin zurück.

Der von der Klägerin gegen diesen Bescheid erhobenen Klage hat das SG Gelsenkirchen am 20. Mai 1970 im wesentlichen stattgegeben und die Beklagte verurteilt, "die von der Bergbau-Berufsgenossenschaft gewährte Witwenbeihilfe nach näherer gesetzlicher Maßgabe unberücksichtigt zu lassen". Das Gericht war der Auffassung, der Klägerin sei aus der gesetzlichen Unfallversicherung in dem Zeitraum, für den die Beklagte die Knappschaftsrente neu festgestellt habe, Witwenbeihilfe gezahlt worden. Nach § 76 Abs. 1 RKG ruhe die Rente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung jedoch nur, wenn sie mit einer Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusammentreffe; das sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Die Berufung hat das SG im Urteil zugelassen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die mit dem Einverständnis der Klägerin eingelegte Revision der Beklagten. Sie trägt vor: Die als Vorauszahlungen auf die der Klägerin in jedem Fall zustehende Witwenbeihilfe nach § 600 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) erbrachten Zahlungen der Bergbau-BG in Höhe von monatlich 250,- DM verlören vom nachträglich ab 25. Juni 1966 anerkannten Beginn der Witwenrente aus der Unfallversicherung ihren Charakter als Witwenbeihilfe und würden rückwirkend zur Witwenrente. Sie seien daher richtig auf den Anspruch auf Unfallwitwenrente angerechnet worden. Die Leistungen der Bergbau-BG in der Zeit vom 12. August 1966 bis zum 25. Juli 1967 gälten folglich als Auszahlung der Witwenrente aus der Unfallversicherung im Sinne der §§ 75 Abs. 4, 76 Abs. 5 RKG. Sie, die Beklagte, habe hiernach richtig die Witwenrente nur bis zum Ende des Monats September 1966 unverkürzt gewährt, weil in diesem Monat die später rechtlich zur Unfallwitwenrente gewordene Leistung der gesetzlichen Unfallversicherung als zum ersten Mal ausgezahlt anzusehen sei. Sei aber § 76 Abs. 1 RKG ab 1. Oktober 1966 anzuwenden, so habe die Klägerin den Betrag von 4.155,30 DM zu Unrecht empfangen und sei daher zur Rückzahlung verpflichtet. Die Klägerin habe davon ausgehen müssen, daß das von ihr gegen die Bergbau-BG angestrengt Verfahren wegen Gewährung einer Unfallwitwenrente erfolgreich sein würde. Somit habe sie aber beim Empfang der ihr von der Beklagten zuerkannten knappschaftlichen Witwenrente auch wissen müssen, daß diese wegen eines Rentenanspruchs aus der Unfallversicherung im Hinblick auf §§ 75, 76 RKG in Wirklichkeit niedriger sei, als sie die Beklagte durch - für sie insoweit nicht verbindlichen - Bescheid festgestellt gehabt habe. Bei einem Gesamtrenteneinkommen der Klägerin von monatlich 596,40 DM ließen deren wirtschaftliche Verhältnisse eine Rückzahlung des unrechtmäßig erhaltenen Betrages von 4.155,30 DM im Wege der ratenweisen Aufrechnung gegen die fortlaufend zu zahlende knappschaftliche Witwenrente (§ 90 RKG) zu.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die zulässige Sprungrevision der Beklagten ist zum größeren Teil begründet.

Der streitbefangene Bescheid der Beklagten vom 28. Juni 1968 - in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22. Dezember 1969 und in der Gestalt des bestätigenden Widerspruchsbescheides - enthält mehrere Verfügungssätze: Zum einen hat die Beklagte die knappschaftliche Witwenrente der Klägerin ab 1. Oktober 1966 "umgerechnet", d.h. ihren erstmals knappschaftliche Witwenrente bewilligenden, nicht angefochtenen und bindend im Sinne des § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gewordenen Bescheid vom 30. November 1966 für Rentenbezugszeiten ab 1. Oktober 1966 aufgehoben und von diesem Zeitpunkt an die Witwenrente erneut zu einem geringeren Betrag gewährt; zum anderen hat die Beklagte die danach für die Zeit vom 1. Oktober 1966 bis 30. Juni 1968 zuviel gezahlte Witwenrente im Betrage von 4.155,30 DM zurückgefordert. Es kann kein begründeter Zweifel daran bestehen, daß die Klägerin mit Widerspruch und Klage nicht nur die Rückforderung, sondern, bei wiederholten Angriffen auch gegen die "unrichtige Anwendung der Ruhensvorschriften gemäß § 76 RKG", auch die Rentenneufeststellung unter Rücknahme des Erstbewilligungsbescheides bekämpft hat.

Die rechtliche Würdigung des Angriffes gegen diesen ersten Verfügungssatz des angefochtenen Bescheides ergibt folgendes:

Eine knappschaftliche Witwenrente ruht gemäß § 76 Abs. 1 RKG (§ 1279 Abs. 1 RVO) bereits dann, wenn eine Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit ihr "zusammentrifft"; das Ruhen tritt also kraft Gesetzes ein, ohne daß es eines das Ruhen anordnenden oder auch nur feststellenden Bescheides bedürfte (BSG 26, 98, 100 = SozR Nr. 10 zu § 1278 RVO; BSG in SozR Nr. 12 zu § 1301 RVO). Für den ein Ruhen nicht berücksichtigenden Bewilligungsbescheid des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung folgt daraus, daß er bei seinem Erlaß rechtswidrig war. Die Lücke, die - in Verbindung mit § 162 RKG - § 1744 RVO wegen Fehlens einer Ermächtigung zur Rücknahme eines solchermaßen rechtswidrigen Rentenbescheides enthält, ist indessen auszufüllen, indem bei gleicher Interessenlage die unvollständigen Rücknahmetatbestände der genannten Vorschrift entsprechend ergänzt werden (so der erkennende Senat in seinem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 25. November 1971 - 5 RKn 20/70 -). Hiernach durfte die beklagte Knappschaft den Erstbewilligungsbescheid vom 30. November 1966 mit Wirkung ab 1. Oktober 1966 aufheben und durch eine für die Klägerin ungünstigere Rentenneufeststellung ersetzen, wenn die Knappschaftsrente tatsächlich wegen Zusammentreffen mit einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung geruht hat. Das war der Fall.

Durch Urteil des SG Gelsenkirchen vom 8. November 1967 ist der Klägerin nach ihrem verstorbenen Ehemann ab dessen Tod am 25. Juni 1966 Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung rückwirkend rechtskräftig zuerkannt worden. Damit steht rechtsverbindlich fest, daß grundsätzlich vom Beginn der Witwenrente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung an - zu den für das sog. Sterbevierteljahr geltenden Besonderheiten ist weiter unten Stellung genommen - die Voraussetzungen für deren teilweises Ruhen nach § 76 Abs. 1 RKG gegeben waren. Nach - dem gemäß § 76 Abs. 5 RKG (= § 1279 Abs. 5 RVO) entsprechend anwendbaren - § 75 Abs. 4 RKG (= § 1278 Abs. 4 RVO) wird die knappschaftliche Witwenrente jedoch - abweichend von § 76 Abs. 1 RKG - unverkürzt bis zum Ende des Monats gewährt, in dem die Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zum ersten Mal ausgezahlt wird. Im konkreten Fall ist unübersehbar, daß der Klägerin Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung erst durch Urteil des SG Gelsenkirchen vom 8. November 1967 rückwirkend rechtskräftig zuerkannt worden ist; vorher hat die Klägerin vom Träger der gesetzlichen Unfallversicherung - von August 1966 bis September 1967 - nur Vorschüsse "auf die ggf. festzusetzenden Leistungen" ausgezahlt erhalten.

Die vor Anwendung der §§ 75 und 76 RKG (= §§ 1278 und 1279 RVO) zu prüfende Frage, ob die von der Bergbau-BG an die Klägerin gezahlten Vorschüsse wie die Auszahlung von Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu behandeln seien, hat der Senat in seinem o.a. Urteil vom 25. November 1971 bejaht; er hat in der eingehenden Begründung insbesondere ausgeführt, daß solche Zahlungen nach ihrer Zweckbestimmung - Unterhaltsersatzfunktion - nicht anders als von vornherein als Rentenvorschüsse deklarierte Zahlungen behandelt werden könnten; solche Vorschüsse aber sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Rahmen des § 75 Abs. 4 RKG (= § 1278 Abs. 4 RVO) wie Rentenzahlungen selbst zu werten (BSG 22, 233, 235 = SozR Nr. 6 zu § 1278 RVO; SozR Nr. 3 zu § 75 RKG; SozR Nr. 13 zu § 1278 RVO).

Bei diesem rechtlichen Sachverhalt ist § 75 Abs. 4 RKG (= § 1278 Abs. 4 RVO) auf Fälle der vorliegenden Art nicht anwendbar. Diese den Rentenberechtigten schützende Vorschrift erfaßt - ihrer Schutzfunktion entsprechend - nur Fälle, in denen zwar schon die knappschaftliche Rente festgestellt und gezahlt wird, Zahlungen von Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung dagegen aber noch nicht laufen (Urteile des erkennenden Senats vom 25. November 1971 aaO und vom 15. Dezember 1971 - 5 RKn 6/70 -). Im zu entscheidenden Falle ist, wie oben dargestellt, der Klägerin eine wie eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu behandelnde Leistung seitens der Bergbau-BG erstmals bereits im August 1966 gezahlt worden, wogegen knappschaftliche Witwenrente von der Beklagten erst mit Bescheid vom 30. November 1966 rückwirkend bewilligt und entsprechend ausgezahlt worden ist. Das bedeutet, daß in bezug auf die Knappschaftsrente die Ruhensvoraussetzungen seit 1. Juli 1966 gegeben sind, freilich - nachdem § 75 Abs. 4 RKG nicht einzugreifen vermag - mit der Folge, daß - grundsätzlich - § 85 Abs. 2 RKG (= § 1294 RVO) anzuwenden wäre, wonach die knappschaftliche Rente für den Monat, in dem das Ruhen eintritt, für den ganzen Monat gezahlt wird (so der Senat in seinen beiden Entscheidungen vom 25. November 1971 und 15. Dezember 1971 aaO). Im konkreten Fall tritt allerdings § 85 Abs. 2 RKG hinter der für die knappschaftliche Witwenrente geltenden günstigeren Sondervorschrift des § 76 Abs. 3 RKG (§ 1279 Abs. 3 RVO) für das Sterbevierteljahr zurück, so daß die Witwenrente der Klägerin vom 1. Juli bis 30. September 1966 nicht ruht (vgl. Entscheidung des erkennenden Senats vom 29. April 1971 - 5 RKn 34/69 -). Die Beklagte hat daher ab 1. Oktober 1966 die knappschaftliche Rente zutreffend als teilweise ruhend erachtet und ihren Zahlbetrag - nach Rücknahme des Erstbewilligungsbescheides vom 30. November 1966 - von diesem Zeitpunkt an neu und niedriger festgestellt.

Die im angefochtenen Bescheid mit einem weiteren Verfügungssatz ausgesprochene Rückforderung der sich sodann errechnenden Überzahlung ist wie folgt zu beurteilen:

Nach § 93 Abs. 2 Satz 2 RKG (= § 1301 Satz 2 RVO) darf die Beklagte unter den dort normierten Voraussetzungen die Leistung zurückfordern, die dem Empfänger "nicht oder nicht in dieser Höhe zustand", die die Beklagte also "zu Unrecht gezahlt hat" (Satz 1 aaO). Den ruhenden Teil der - aufgrund des zulässigerweise zurückgenommenen Bescheides vom 30. November 1966 gezahlten - Witwenrente hat die Beklagte der Klägerin ohne Rechtsgrund, also zu Unrecht erbracht. Daß die Beklagte an der unrechtmäßigen Zahlung kein Verschulden im Sinne des § 93 Abs. 2 Satz 2 aaO trifft, liegt auf der Hand: Im Zeitpunkt der Feststellung und Zahlung der zu hohen Witwenrente hatte die Berufsgenossenschaft der Klägerin aus der gesetzlichen Unfallversicherung allein Vorschüsse auf selbst der Art noch nicht feststehende zukünftige Leistungen - Witwenbeihilfe oder Witwenrente - gewährt; die Beklagte wußte mithin noch nicht, ob es endgültig zur Bewilligung von Unfallwitwenrente und demgemäß zu einem Ruhen der knappschaftlichen Rente kommen werde; denn neben einer Witwenbeihilfe nach § 600 Abs. 1 RVO ruht die Hinterbliebenenrente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung gemäß § 76 Abs. 1 RKG nicht. Die Beklagte mußte daher am 30. November 1966 die knappschaftliche Witwenrente ohne Anwendung von Ruhensvorschriften feststellen und in der Folge so lange zahlen, bis sie von dem Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung rückwirkend zusprechenden Urteil des SG Gelsenkirchen vom 8. November 1967 und seiner Rechtskraft Kenntnis erhalten hatte. Auch mußte die Klägerin im Sinne des § 93 Abs. 2 Satz 2 RKG wissen, daß ihr die Leistung nicht in der gewährten Höhe zustand. Seit August 1966 erhielt sie, wie dargestellt, von der Bergbau-BG Vorschüsse "auf die ggf. festzusetzenden Leistungen". Bereits im Erstbewilligungsbescheid vom 30. November 1966 hatte die Beklagte die Klägerin eingehend darüber belehrt, daß eine Umrechnung der Rente "unter Beachtung der Ruhensvorschriften des § 75 RKG (§ 76 RKG)" erforderlich werden würde, wenn ihr eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt würde; ferner hat die Beklagte die Klägerin schon damals ausdrücklich verpflichtet, ihr "von der Gewährung einer Rente ... durch den Unfallversicherungsträger ... sofort Nachricht zu geben". Danach war die Klägerin schon vor und bei Empfang der zu hohen knappschaftlichen Rente durch beide Versicherungsträger darüber unterrichtet, daß sie einerseits mit der Gewährung auch einer Unfallwitwenrente und in diesem Fall aber andererseits damit zu rechnen habe, daß eine solche Rente im Hinblick auf die dann anzuwendenden "Ruhensvorschriften" den Betrag der zu zahlenden knappschaftlichen Rente mindern könne. Im Gefolge dieser Unterrichtung hat dann die Klägerin die Überzeugung gefaßt und ihr erkennbar Ausdruck verliehen, daß ihr die Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zustehe. Sie hat nämlich gegen den Witwenrente versagenden Bescheid der Bergbau-BG vom 12. Oktober 1966 den Rechtsweg beschritten und ein zusprechendes Urteil erkämpft. Bei dieser Sachlage ist Wissen oder Wissenmüssen der Klägerin um den unrechtmäßigen Bezug einer zu hohen knappschaftlichen Witwenrente bereits bei deren Empfang nach der Rechtsprechung des Senats zu bejahen: Ist der Empfänger einer Rente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung erkennbar davon überzeugt, daß er den Tatbestand für die Gewährung zugleich einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung erfülle, so kann er, wenn ihm ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit später unter Billigung seiner Auffassung die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung rückwirkend rechtskräftig zuerkennt, der Rückforderung der wegen Zusammentreffens mit dieser Rente ruhenden und daher überzahlten knappschaftlichen Witwenrente nicht entgegenhalten, er habe bei ihrem Empfang nicht gewußt oder nicht wissen müssen, daß sie ihm nicht in dieser Höhe zustehe; dem Erfordernis des Wissens oder Wissenmüssens im Sinne des § 93 Abs. 2 Satz 2 RKG genügt es in diesem Falle, daß die Überzeugung, es lägen die Voraussetzungen für die - rückwirkende - Gewährung der Unfallrente vor, erst später mit der Rechtskraft des die Rechtslage klärenden Urteils von der positiven Kenntnis des Empfängers, daß dem so sei, abgelöst wird (zur Veröffentlichung bestimmtes Urteil des Senats vom 24. Juni 1971 - 5 RKn 49/68 -).

Die letzte Rückforderungsvoraussetzung nach § 93 Abs. 2 Satz 2 aaO, ob nämlich die Rückforderung wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers vertretbar sei, kann der Senat nicht abschließend prüfen. Die Beklagte hat die der Klägerin im angefochtenen Bescheid auferlegte Verpflichtung, 4.155,30 DM zurückzuzahlen, im Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 1968 dadurch erleichtert, daß sie eine Rückzahlung nur noch in monatlichen Raten von 100,- DM im Wege der Einbehaltung von den laufenden Witwenrentenzahlungen verlangt hat. Nachdem die Klägerin laut Vortrag der Beklagten vor dem Senat nur über ein Gesamtrenteneinkommen von monatlich 596,40 DM verfügt und das SG über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin nichts erhoben hat, vermag der Senat nicht zu entscheiden, ob eine Rückforderungsrate von 100,- DM monatlich wirtschaftlich vertretbar ist. Daher mußte er auf die Revision der Beklagten zwar die Entscheidung der Vorinstanz aufheben, zugleich die Sache aber gemäß § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG an diese zurückverweisen; das SG wird die erforderlichen Feststellungen zu treffen und sodann erneut zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung war der Endentscheidung vorzubehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1648130

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