Entscheidungsstichwort (Thema)
Lösung von früherem Beruf
Leitsatz (redaktionell)
Das BSG hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, daß sich ein Versicherter von seinem früheren Beruf gelöst hat, wenn er sich mit einem zu-nächst unfreiwilligen Berufswechsel abgefunden hat. Das ist in der Regel zu bejahen, wenn der Versicherte die neue Tätigkeit längere Zeit ausgeübt hat, ohne versucht zu haben, zur früheren Arbeit zurückzukehren, obgleich ein solcher Versuch nicht als von vornherein erfolglos hätte angesehen werden müssen.
Normenkette
RKG § 46 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1957-05-21; RVO § 1246 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. November 1975 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für die Revisionsinstanz nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf die Gesamtleistung wegen Berufsunfähigkeit nach § 46 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG), § 1246 der Reichsversicherungsordnung (RVO) hat.
Der im Jahre 1921 geborene Kläger, der seit dem 1. Juli 1971 die Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 RKG bezieht, war nach entsprechender Berufsentwicklung bis zum 30. August 1966 etwa 15 Jahre lang als Hauer tätig. Nach Stillegung seiner Schachtanlage war er außerhalb des Bergbaus nacheinander Flächenschleifer, Transportarbeiter und Termingehilfe. Seit Anfang 1974 ist er als Signierer tätig. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 23. Mai 1973 die Gewährung der Gesamtleistung ab, weil der Kläger noch nicht berufsunfähig sei, da er nach den vorliegenden medizinischen Gutachten noch als Magazinarbeiter, Lampenwärter, angelernter Handwerker und Kantinenarbeiter zumutbare Arbeiten verrichten könne. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Das Sozialgericht (SG) hat nach Beweiserhebung am 12. Februar 1975 die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit als Gesamtleistung zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 25. November 1975 das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei nicht berufsunfähig. Es könne nicht von der Hauertätigkeit ausgegangen werden, denn davon habe er sich gelöst. Er sei nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern wegen Stillegung der Schachtanlage gezwungen gewesen, die Hauertätigkeit aufzugeben. Mit seiner neuen Tätigkeit außerhalb des Bergbaus habe er sich abgefunden. Er habe sich nicht oder nur in unzureichender Weise darum bemüht, in den Hauerberuf zurückzukehren, obwohl ein solcher Versuch nicht aussichtslos gewesen wäre.
Es sei daher von der später 5 Jahre lang verrichteten und aus gesundheitlichen Gründen aufgegebenen Tätigkeit als Transportarbeiter auszugehen. Daher könne er auf die tatsächlich verrichtete Tätigkeit eines Signierers verwiesen werden, die er auch schon vor dem 1. Januar 1974 habe ausüben können.
Der Kläger hat dieses Urteil mit der - vom LSG zugelassenen - Revision angefochten. Er trägt vor, auszugehen sei von der langjährig verrichteten Hauertätigkeit. Er habe sich mit dem Verlust dieser Tätigkeit nicht abgefunden. Angesichts der geringen Einstellungsaussichten bei den ihm bekannten Schachtanlagen habe von ihm nicht erwartet werden können, daß er sich auch anderweitig um die Einstellung als Hauer bemühte. Im übrigen sei es unbefriedigend, daß ein Versicherter den Hauerberuf versicherungsrechtlich behält, wenn er nach Aufgabe dieser Tätigkeit keine andere Arbeit aufnehme, während der Versicherte, der zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit eine andere Arbeit aufnehme, den Hauerberuf verliere. Gehe man aber von der Hauertätigkeit aus, so sei er berufsunfähig, denn ein Hauer könne nicht auf die Tätigkeit eines Signierers verwiesen werden.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für richtig und ist der Ansicht, die Revision des Klägers sei unbegründet.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das LSG hat mit Recht das der Klage stattgebende Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Gesamtleistung, denn er ist nicht berufsunfähig im Sinne des § 46 RKG, § 1246 RVO.
Die Tätigkeit eines Signierers, die der Kläger seit dem 1. Januar 1974 tatsächlich ausübt und die er nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG auch vorher verrichten konnte, ist dem Kläger im Sinne der genannten Vorschriften sowohl qualitativ als auch wirtschaftlich zumutbar. Bisherige Berufstätigkeit des Klägers im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 2 RKG, § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO ist trotz langjähriger Verrichtung nicht die Tätigkeit eines Hauers, wie das LSG mit Recht angenommen hat. Der erkennende Senat hat bereits mehrfach entschieden, daß eine früher verrichtete Tätigkeit ohne Rücksicht auf die Dauer ihrer Ausübung dann nicht mehr als bisherige Berufstätigkeit in Betracht kommt, wenn sich der Versicherte endgültig von ihr gelöst hat, d. h. wenn er sie mit dem Willen aufgegeben hat, sie nicht mehr auszuüben (vgl. Urteil vom 27. Juni 1973 - 5 RKn 28/71 -; Urteil vom 21. Juli 1976 - 5 RKn 19/75 -). Eine Lösung vom bisherigen Beruf liegt allerdings im allgemeinen dann nicht vor, wenn sich der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen einer anderen Tätigkeit zugewandt hat, denn für den Fall einer aus gesundheitlichen Gründen erzwungenen Berufsaufgabe hat die gesetzliche Rentenversicherung gerade einzustehen (vgl. SozR 2600 Nr. 6 zu § 45). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG waren aber gesundheitliche Gründe für den Berufswechsel des Klägers nicht maßgebend. Zwar hat der Kläger die Hauertätigkeit aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grund, nämlich wegen Stillegung der Schachtanlage, verloren. Das schließt aber nicht aus, daß sein Verhalten im Laufe der Jahre eine Lösung vom bisherigen Beruf des Hauers bewirkt hat. Auch wenn ein Versicherter aus betrieblichen Gründen gezwungen wird, eine andere Tätigkeit aufzunehmen, so liegt eine Lösung vom bisherigen Beruf vor, wenn er sich später mit dem neuen Arbeitsplatz abgefunden hat (vgl. BSG 15, 213, 214 = SozR Nr. 16 zu § 35 RKG aF und die Urteile des erkennenden Senats vom 27. Oktober 1966, 27. Juni 1973 und 21. Juli 1976 - 5 RKn 74/64, 5 RKn 28/71, 5 RKn 19/75 -).
Die Frage, ob sich ein Versicherter mit einem zunächst unfreiwilligen Berufswechsel abgefunden hat, wird in der Regel zu bejahen sein, wenn der Versicherte die neue Tätigkeit längere Zeit ausgeübt hat, ohne versucht zu haben, zur früheren Arbeit zurückzukehren, obwohl ein solcher Versuch nicht als von vornherein erfolglos hätte angesehen werden müssen. Nach den vom Kläger nicht angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des LSG hat der Kläger nach der durch Stilllegung seiner Schachtanlage bedingten Aufgabe der Hauertätigkeit nicht mehr versucht, auf einer anderen Schachtanlage als Hauer unterzukommen, weil er inzwischen einen anderen Arbeitsplatz gefunden hatte. Ein solcher Versuch wäre aber bei dem Alter des Klägers keinesfalls aussichtslos gewesen, wie das LSG festgestellt hat. Die vom Kläger in der Revisionsbegründung geäußerten Zweifel an dieser Tatsachenfeststellung enthalten keine in der Form des § 164 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vorgebrachte Verfahrensrüge.
Dem Kläger ist zuzugeben, daß er den Versicherungsschutz für die Hauertätigkeit nicht verloren hätte, wenn er nach Stilllegung der Schachtanlage keine andere Tätigkeit aufgenommen hätte. Das ergibt sich aber daraus, daß das Gesetz es auf die bisherige, d. h. eine tatsächlich ausgeübte Berufstätigkeit abstellt, so daß der Versicherungsschutz für eine früher verrichtete Berufstätigkeit nur durch die Aufnahme einer anderen versicherungspflichtigen Tätigkeit, nicht aber durch bloße Aufgabe der bisherigen Berufstätigkeit verlorengehen kann.
Die Hauertätigkeit kann auch nicht deshalb als bisherige Berufstätigkeit im Sinne des § 46 RKG § 1246 RVO gelten, weil die Beklagte sie mit Recht für die Frage der verminderten bergmännischen Berufsfähigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 RKG zugrunde gelegt hat. Während es für die verminderte bergmännische Berufsfähigkeit lediglich auf das knappschaftliche Berufsleben ankommt, ist als bisherige Berufstätigkeit für die Frage der Berufsunfähigkeit auch eine andere, außerhalb des Bergbaus verrichtete versicherungspflichtige Tätigkeit zugrunde zu legen. Bei Wanderversicherten kann die Entscheidung über die Berufsunfähigkeit nur einheitlich getroffen werden. Als bisheriger Beruf ist daher ein einziger und einheitlicher Beruf maßgebend (vgl. BSGE 26, 48 = SozR Nr. 63 zu § 1246 RVO).
Der Senat hat die danach unbegründete Revision des Klägers zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen