Entscheidungsstichwort (Thema)
Durchführung eines Bauvorhabens. Vorbereitungshandlungen. Selbsthilfe
Orientierungssatz
1. Der Transport einiger von dem Vormieter zurückgelassener, für den Sperrmüll bestimmter Möbelstücke ist der vom Verletzten beabsichtigten Erweiterung seines Wohnhauses nicht zuzurechnen. Er dient auch nicht dazu, Baukosten durch Selbsthilfe zu sparen, so daß für solche Arbeiten kein Versicherungsschutz nach § 539 Ab 1 Nr 15 RVO gegeben ist.
2. Für die Begriffsbestimmung der Selbsthilfe iS des § 539 Abs 1 Nr 15 RVO ist § 36 Abs 2 des 2. Wohnungsbaugesetzes (WoBauG 2) maßgebend.
Normenkette
RVO § 539 Abs 1 Nr 15; WoBauG 2 § 36 Abs 2; RVO § 539 Abs 1 Nr 15 S 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene am 31. Januar 1980 einen Arbeitsunfall erlitt. Das Sozialgericht -SG- (Urteil vom 6. Juli 1982) hat dies angenommen; das Landessozialgericht -LSG- (Urteil vom 22. August 1984) hat es verneint.
Der Beigeladene beabsichtigte, durch Aufstockung seines im Jahre 1921 errichteten Wohnhauses Wohnraum zu schaffen. Die Arbeiten begannen im September 1980. Durch Bescheid der zuständigen Behörde vom 1. Oktober 1980 wurden Ausbau und Erweiterung des Gebäudes als steuerbegünstigt anerkannt. Der Unfall ereignete sich, als der Beigeladene einige vom letzten Mieter zurückgelassene kleinere Möbelstücke vom Obergeschoß ins Erdgeschoß bringen wollte, um sie für die nächste Sperrmüllabfuhr bereitzustellen.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten 5.225,84 DM erstattet, welche aus Anlaß der Behandlung der Folgen des Unfalles am 31. Januar 1980 entstanden.
Das SG hat - ausgenommen die Kosten für ein medizinisches Hilfsmittel - dem Antrag der Klägerin entsprochen. Der Beigeladene sei nach § 539 Abs 1 Nr 15 der Reichsversicherungsordnung (RVO) versichert gewesen, weil die unfallbringende Tätigkeit für die Durchführung des Bauvorhabens ursächlich gewesen sei und ihr damit unmittelbar gedient habe. Demgegenüber ist das LSG zu dem Ergebnis gekommen, daß die Tätigkeit des Beigeladenen mit den beabsichtigten Bauarbeiten in keinem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang gestanden habe. Es habe sich um private Aufräumungsarbeiten gehandelt, welche auch für Tätigkeiten im Bauhaupt- und Nebengewerbe nicht charakteristisch seien; die Arbeiten seien der privaten Haushaltung des Beigeladenen zuzurechnen. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Revision ist der Auffassung, die Entrümpelungsarbeiten seien als notwendige Vorbereitungsmaßnahmen versichert gewesen, zumal da sie dem Umbau unmittelbar gedient und im Zusammenhang mit der Erweiterung des Familienheimes gestanden hätten; sie hätten die Bauarbeiten erst ermöglicht.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. August 1984 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. Juli 1982 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Nach seiner Meinung hatten die Entrümpelungsarbeiten einen derart geringen Wert, daß sie von vornherein nicht als Selbsthilfearbeiten anzusehen sind. Sie hätten auch nicht in einem rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit den beabsichtigten Bauarbeiten gestanden. Auch ein zeitlicher Zusammenhang fehle insoweit.
Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Der Beigeladene hat aus den in dem angefochtenen Urteil dargelegten Gründen am 31. Januar 1980 keinen Arbeitsunfall erlitten.
Die von der Klägerin verlangte Erstattung setzt gem § 1504 Abs 1 RVO ua voraus, daß die Kosten für die Folgen eines Arbeitsunfalles aufgewendet wurden, den ein Träger der Unfallversicherung zu entschädigen hat. Der Beklagte wäre im vorliegenden Falle entschädigungspflichtig, wenn der Beigeladene einen Unfall iS von § 548 iVm § 539 Abs 1 Nr 15 RVO erlitten hätte. Nach diesen Vorschriften besteht Versicherungsschutz ua für Personen, welche beim Bau eines Eigenheimes - hierzu gehört auch dessen Erweiterung (BSG USK 80150) - im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind. Für die Begriffsbestimmung der Selbsthilfe ist § 36 Abs 2 des 2. Wohnungsbaugesetzes (2. WoBG) aufgrund der Bezugnahme in § 539 Abs 1 Nr 15 Satz 3 RVO maßgebend. Hiernach gehören zur Selbsthilfe alle die "Arbeitsleistungen, die zur Durchführung eines Bauvorhabens erbracht werden".
Mit Recht weist das LSG in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Selbsthilfe in einem rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit der Durchführung des Bauvorhabens stehen (BSG USK 80138 und 80143) und ihr unmittelbar dienen (BSG USK 80143) muß. An diesem Zusammenhang fehlt es hier ebenso wie an der Unmittelbarkeit zwischen der unfallbringenden Entrümpelungsaktion und dem beabsichtigten Erweiterungsbau. Nach den Feststellungen des LSG, an welche der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), waren die von dem Vormieter zurückgelassenen Möbelstücke, bei deren Transport der Beigeladene verunglückte, für den Sperrmüll bestimmt und demgemäß auch ohne die beabsichtigte Baumaßnahme aus der verlassenen Wohnung zu transportieren (Seite 7). Infolgedessen ereignete sich der Unfall des Beigeladenen im Zusammenhang mit der Beendigung des letzten Mietverhältnisses vor Beginn des Erweiterungsbaues. Demgegenüber spielte der erst für einen um Monate später geplante Beginn des Bauvorhabens nur eine untergeordnete Rolle. Entsprechend diente der Möbeltransport diesem Vorhaben nicht unmittelbar.
Hieran ändert nichts, daß der Beigeladene die Möbel bis zur Beseitigung durch die Bauarbeiter hätte stehen lassen können. Abgesehen davon, daß der Möbeltransport auch dann nicht im Rahmen der Selbsthilfe erfolgt wäre, sondern bei einer abhängigen Beschäftigung (§ 539 Abs 1 Nr 1 RVO), hätte es sich für den Kläger nach wie vor um die Erledigung einer Arbeit aus dem letzten Mietvertragsverhältnis gehandelt. Damit aber ist gleichzeitig gesagt, daß der Kläger den Möbeltransport nicht etwa durchführte, um Baukosten durch Selbsthilfe zu sparen. Der Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 15 RVO dient aber dem Schutz derjenigen Bauherren, welche durch Eigenleistungen fehlende finanzielle Mittel ausgleichen müssen oder wollen (BSGE 28, 128; 34, 82, 87; USK 80138).
Nach alledem ist das LSG zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß der Unfall des Beigeladenen sich in einem Teil seines privaten Bereichs ereignete, welcher nicht zur Selbsthilfe iS von § 539 Abs 1 Nr 15 RVO gerechnet werden kann. Er erlitt keinen Arbeitsunfall.
Die Revision war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen