Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 17.05.1990)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 17. Mai 1990 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten; im übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Zwischen den Beteiligten ist die berufsgenossenschaftliche Zuordnung des von der Klägerin im Rahmen ihrer anerkannten Werkstatt für Behinderte (WfB) unterhaltenen Gartenbaubetriebes nebst Baumschule und Ladengeschäft streitig.

Die Klägerin ist eine zum 1. Januar 1982 errichtete gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH). Gegenstand des Unternehmens ist nach § 3 des Gesellschaftsvertrages vom 22. September 1981 die Errichtung und der Betrieb von Einrichtungen und Maßnahmen der Behindertenhilfe im weitesten Sinne. Mit Wirkung vom 1. Januar 1982 übernahm die Klägerin von dem Verein Lebenshilfe für geistig Behinderte e.V., N., dem Hauptgesellschafter der Klägerin, die bisher von diesem in N. betriebene WfB, die sich in zwei Fachbereiche gliedert: Einerseits eine Produktionsstätte mit den Abteilungen Tischlerei, Schlosserei, Seilerei, Näherei und einigen Montageabteilungen und andererseits eine Gärtnerei mit Gartencenter und Blumengeschäft sowie eine Baumschule. Außerdem sind der WfB weitere Einrichtungen – eine Tagesbildungsstätte mit Sonderkindergarten und ein Wohnheim – zugeordnet. Die Gärtnerei umfaßt eine Fläche von 2 ha, wovon 0,3 ha auf beheizbares Hochglas entfallen. Die Fläche der Baumschule beträgt 1,8 ha. Die von der Klägerin betreuten Behinderten durchlaufen, um ihre arbeitsmäßigen Neigungen feststellen zu können, alle Einrichtungen der beiden Fachbereiche. Im Gartenbaubetrieb und in der Baumschule werden insgesamt 45 Behinderte unter Anleitung und Aufsicht durch vier Fachgehilfen mit sonderpädagogischer Ausbildung sowie zwei bis drei Aushilfskräfte beschäftigt. Der überwiegende Teil der Erzeugnisse wird über den Großhandel, den eigenen Blumenladen sowie das Gartencenter verkauft. Der kleinere Teil des erzeugten Gemüses dient dem eigenen Bedarf der Einrichtung. Der Gesamtumsatz des Gartenbaubetriebes und der Baumschule betrug im Jahre 1985 etwa 500.000,– DM. Seit ihrer Errichtung ist die WfB mit sämtlichen Einrichtungen Mitglied der Beigeladenen.

Nach vorausgegangener Korrespondenz übersandte die Beklagte der Klägerin unter dem 18. Oktober 1984 den Mitgliedsschein über die Aufnahme der von der WfB betriebenen Unternehmensteile Gartenbau, Baumschule, Ladengeschäft und Gartencenter in das Unternehmerverzeichnis. Der Widerspruch hiergegen und gegen den für das Umlagejahr 1984 erlassenen Beitragsbescheid vom 6. Mai 1985 blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 1986).

Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, daß ab 1. Januar 1982 die Beigeladene der zuständige Versicherungsträger für die Betriebsteile der Klägerin „Gärtnerei, Baumschule, Gartencenter und Ladengeschäfte” sei (Urteil vom 19. April 1989). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 17. Mai 1990). Bei dem Gartenbaubetrieb und der Baumschule der Klägerin handele es sich bei isolierter Betrachtungsweise zwar um ein nach § 776 Abs 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zuzuordnendes Unternehmen. Gleichwohl sei hier die Beigeladene als Träger der allgemeinen Unfallversicherung iS des § 646 RVO zuständig. Denn die von der Klägerin betriebene WfB, die neben einem metall- und holzverarbeitenden Betrieb auch die Gärtnerei und die Baumschule umfasse, stelle ein Gesamtunternehmen iS des § 647 Abs 1 Satz 1 RVO dar. Die einzelnen Teile der WfB stünden unter der einheitlichen Leitung der Klägerin, befänden sich zueinander in einem durch den übergreifenden Zweck der Behindertenbetreuung geprägten Zusammenhang und erführen auch einen gewissen Austausch von Arbeitskräften, der dadurch erfolge, daß die betreuten Behinderten grundsätzlich alle Werkstattbereiche durchliefen. Gärtnerei und Baumschule stellten auch keine Nebenunternehmen iS des § 644 RVO dar. Sie seien vielmehr ein wesentlicher Bestandteil des Gesamtunternehmens „Werkstatt für Behinderte” und damit ein sog Hilfsunternehmen, so daß sie auch als ein an sich landwirtschaftliches Unternehmen nach § 647 Abs 1 Satz 1 RVO in die Zuständigkeit des für die gesamte Einrichtung zuständigen Versicherungsträgers fielen.

Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Beklagte eine Verletzung formellen (§§ 103 und 128 des SozialgerichtsgesetzesSGG –) und materiellen Rechts (§§ 644, 647, 776 RVO). Entgegen der Auffassung des LSG sei § 647 RVO im Hinblick auf seine Entstehungsgeschichte dahin auszulegen, daß landwirtschaftliche Betriebe oberhalb der in § 644 Abs 2 RVO genannten Flächengrößen stets im Zuständigkeitsbereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung verbleiben sollten. Ab einer bestimmten Größe könnten landwirtschaftliche oder gärtnerische Betriebe generell der allgemeinen Unfallversicherung nicht mehr zugeordnet werden. Sie seien dann einfach nicht mehr Hilfsbetrieb oder unwesentlicher Bestandteil eines gewerblichen Unternehmens, sondern hätten mindestens die rechtliche Qualität eines Nebenunternehmens, für das bei landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Betriebsteilen der bereits vom Reichsversicherungsamt (RVA) hervorgehobene und vom Gesetzgeber im Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz (UVNG) auch normierte Sonderstatus hinsichtlich der berufsgenossenschaftlichen Zuständigkeit zu beachten sei. Davon abgesehen stünde § 644 Abs 2 RVO einer Zuständigkeit der Beigeladenen entgegen. Allein aus der Beschäftigung Behinderter in einem Betrieb folge nicht, daß dieser nicht mehr ein landwirtschaftlicher oder gärtnerischer Betrieb sein könne. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stelle das Gesetz nicht darauf ab, mit welcher Motivation der landwirtschaftliche Betrieb ausgeübt werde; entscheidend sei vielmehr die Art und die Verrichtung der anfallenden Arbeiten. Unterschieden sich diese Arbeiten – wie hier – durch die damit unterstützte Therapie nicht wesentlich von den Tätigkeiten in anderen landwirtschaftlichen Unternehmen, so sei für eine abweichende Beurteilung kein Raum. Auf jeden Fall wäre das LSG zu einem zutreffenden Ergebnis gelangt, wenn es der von ihr – der Beklagten – beantragten Einnahme des Augenscheins gefolgt wäre. Bei dessen Durchführung hätte das LSG festgestellt, daß der von der Klägerin unterhaltene Gartenbaubetrieb in seinen Arbeits- und Produktionsmethoden durchaus anderen Gartenbaubetrieben entspreche. Deshalb hätte eine abweichende Beurteilung nicht erfolgen dürfen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 17. Mai 1990 sowie das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 19. April 1989 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 17. Mai 1990 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin und die Beigeladene beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist nicht begründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die Beklagte die Gärtnerei, die Baumschule und das damit verbundene Ladengeschäft der WfB zu Unrecht in ihr Unternehmerverzeichnis aufgenommen hat. Zuständiger Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ist nicht die Beklagte, sondern auch insoweit die Beigeladene. Damit ist auch der Beitragsbescheid der Beklagten für das Umlagejahr 1984 rechtswidrig (§ 54 Abs 2 SGG).

Die Klägerin hat die erstmalige Eintragung der genannten Betriebsteile in das Unternehmerverzeichnis der Beklagten angefochten. Dementsprechend sind hier die vom Senat entwickelten Rechtsgrundsätze und Beschränkungen für die Berichtigung des Unternehmerverzeichnisses nach § 664 Abs 3 RVO wegen eines irrtümlich, aber aufgrund eines bindenden Bescheides eingetragenen Unternehmens (s grundlegend BSG SozR 2200 § 664 Nr 1; s auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 513/514 mwN) nicht anwendbar. Der Bescheid über die Aufnahme in das Unternehmerverzeichnis ist vielmehr in vollem Umfang nachprüfbar (BSG Urteil vom 19. März 1991 – 2 RU 58/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen; BSGE 39, 112, 113; Brackmann aaO S 513). Ob Rechtsgrundlage für die Eintragung der angeführten Betriebsteile allerdings § 664 Abs 1 oder § 667 Abs 1 RVO ist, kann dahinstehen, weil die Beklagte nicht der zuständige Versicherungsträger ist.

Unternehmen des Gartenbaues werden nach § 776 Abs 1 Nr 1 RVO zwar grundsätzlich von der landwirtschaftlichen Unfallversicherung mit der Beklagten als der zuständigen Berufsgenossenschaft (s § 790 Abs 1 RVO iVm Nr 19 der Anlage 2 zu § 790 Abs 1 RVO idF des UVNG vom 30. April 1963 – BGBl I S 241, 285) erfaßt. Nach den Feststellungen des LSG umfaßt die von der Klägerin betriebene WfB, ein Unternehmen iS der gesetzlichen Unfallversicherung (s BSGE 36, 111, 115 mwN), verschiedene Bestandteile, ua die Produktionsstätten mit unterschiedlichen handwerklichen Abteilungen sowie die Gärtnerei und die Baumschule mit dem Ladengeschäft. Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, richtet sich dementsprechend die berufsgenossenschaftliche Zuordnung der Klägerin nach der besonderen Zuständigkeitsregel des § 647 Abs 1 RVO, die auf dem Gedanken beruht, daß auch ungleichartig gestalteten Unternehmen, die zu einem Gesamtunternehmen verbunden sind, möglichst nur ein einziger Versicherungsträger gegenüberstehen sollte (BSG Urteil vom 19. März 1991 – 2 RU 33/90 -zur Veröffentlichung vorgesehen; Brackmann aaO S 508b). Diese Vorschrift enthält eine besondere Zuständigkeitsregel für Bestandteile eines Unternehmens; dies sind Teile eines Unternehmens, von denen jeder eine gewisse Selbständigkeit hat. Dient ein Bestandteil allein oder überwiegend unmittelbar den Zwecken des Hauptunternehmens, so ist er dessen wesentlicher Bestandteil (Brackmann aaO S 509; KassKomm-Ricke, § 647 RVO RdNr 8); hat er den Umfang eines Unternehmens, so ist er ein Hilfsunternehmen des anderen (BSGE 39, 112, 116; Brackmann aaO). Dient der eine Teil dagegen nicht den Zwecken des anderen, sondern verfolgt er vom Hauptunternehmen unabhängig wirtschaftliche Zwecke, so ist er als unwesentlicher Bestandteil ein Nebenunternehmen (BSGE 39, 112, 116/117). Nebenunternehmen könnten wegen der Verfolgung eigener wirtschaftlicher Zwecke allein ohne das Hauptunternehmen existieren (KassKomm-Ricke, § 647 RVO RdNr 11). Hilfs-und Nebenunternehmen sind danach rechtlich unterschiedliche Begriffe; der gemeinsame Oberbegriff ist der des Gesamtunternehmens (BSGE 39, 112, 117). Das Hauptunternehmen ist dabei das Unternehmen, das im Gesamtunternehmen hervortritt. Das Hauptunternehmen gibt ihm sein besonderes Gepräge und ist maßgeblich für seine sozialversicherungsrechtliche Stellung (RVA AN 1921, 157, 158; BSGE 49, 283, 285; Brackmann aaO S 508b/509).

Diese aus § 647 Abs 1 RVO abgeleitete Zuständigkeitsabgrenzung betrifft nicht nur ihrer Art nach sämtliche in der allgemeinen Unfallversicherung versicherte Unternehmen; sie gilt vielmehr kraft der ausdrücklichen Verweisungsvorschrift des § 791 RVO ua auf § 647 Abs 1 RVO auch im Verhältnis zwischen landwirtschaftlicher und allgemeiner Unfallversicherung (s Brackmann aaO S 510; KassKomm-Ricke, § 647 RVO RdNr 16). Daraus folgt, daß ein der landwirtschaftlichen Unfallversicherung an sich zugehöriges Hilfsunternehmen, das wesentlicher Bestandteil eines der allgemeinen Unfallversicherung unterliegenden Hauptunternehmens ist, beim Unfallversicherungsträger der allgemeinen Unfallversicherung dieses Hauptunternehmens versichert ist. Die Zuständigkeit der landwirtschaftlichen Unfallversicherung ist hingegen gegeben, wenn der Betriebsteil ein landwirtschaftliches Nebenunternehmen (§ 644 Abs 1 RVO) eines gewerblichen Hauptunternehmens ist und die in § 644 Abs 2 RVO bestimmte Mindestgröße (5 ha für landwirtschaftliche Unternehmen oder O,25 ha für Unternehmen des Gartenbaues, Weinbaues, Tabakbaues und anderer Spezialkulturen) überschreitet (s Brackmann aaO S 510; KassKomm-Ricke aaO). Bilden hingegen das gewerbliche und das landwirtschaftliche Unternehmen eine untrennbare Einheit, kommt diese Ausnahme nicht zum Zuge, und zwar ohne Rücksicht darauf, wie groß der landwirtschaftliche Unternehmensteil ist (Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 644 Anm 9). Dabei kommt es, wie die Revision zu Recht darauf hinweist, nicht darauf an, „mit welcher Motivation der landwirtschaftliche Betrieb ausgeübt wird” (s Beschluß des Senats vom 14. Juni 1988 – 2 BU 30/88 –). Entscheidend ist vielmehr, inwieweit nach den jeweils konkreten Gegebenheiten der landwirtschaftliche Betrieb dem Unternehmen dient und Bestandteil des Gesamtunternehmens ist.

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist das LSG zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß die von der Klägerin im Rahmen der WfB betriebene Gärtnerei und Baumschule nebst der Ladengeschäfte nicht als Nebenunternehmen iS des § 644 RVO bezeichnet werden können; sie sind vielmehr wesentliche Bestandteile der Gesamteinrichtung „Werkstatt für Behinderte” und damit Hilfsunternehmen dieses Gesamtunternehmens. Nach den Feststellungen des LSG dienen die Gärtnerei und die Baumschule ausschließlich den Zwecken des Gesamtunternehmens, nämlich der WfB. Sie sind ebenso wie die anderen Betriebsteile, insbesondere die Produktionsstätten, integraler Bestandteil der gesamten Betreuungseinrichtung. Die einzelnen Betriebsteile der WfB stehen unter der einheitlichen Leitung der Klägerin; sie befinden sich zueinander in einem durch den übergreifenden Zweck der Behindertenbetreuung geprägten Zusammenhang; sie erfahren auch einen Austausch von Arbeitskräften, der nach den Feststellungen des LSG dadurch erfolgt, daß die betreuten Behinderten grundsätzlich alle Arbeitsbereiche durchlaufen (s BSGE 39, 112, 117; 49, 283, 285/286; Brackmann aaO S 509). Die Betriebsteile könnten ohne die Organistation als WfB nicht existieren. Sämtliche Arbeitsbereiche dienen ausschließlich der Erfüllung der durch § 54 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) näher bestimmten Aufgaben. Zutreffend weist das LSG darauf hin, daß der Betrieb sowohl einer Holz- und Metallwerkstatt als auch einer Gärtnerei und Baumschule der in § 54 Abs 2 Satz 2 SchwbG normierten Zielsetzung entspricht, den Behinderten ein möglichst breites Angebot an Arbeitsplätzen sowie an Plätzen für Arbeitstraining und an Gelegenheit zur Ausübung einer geeigneten Beschäftigung zur Verfügung zu stellen (s Jung/Cramer, Schwerbehindertengesetz, 3. Aufl, § 54 SchwbG RdNr 11). Auch die Vermarktung der Erzeugnisse dieser Betriebsteile ändert nichts an der Zweckbestimmung aller Arbeitsbereiche; sie ist für die hier zu entscheidende Frage ohne Bedeutung. Um nämlich den in ihrem Arbeitsbereich beschäftigten Behinderten ein ihrem Leistungsvermögen möglichst angemessenes Arbeitsentgelt (s § 54 Abs 2 Satz 1 SchwbG) zahlen zu können, muß die WfB wirtschaftliche Ergebnisse anstreben. Sie muß daher nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen organisiert sein (Jung/Cramer aaO § 54 SchwbG RdNr 18). Dessen ungeachtet behält aber die WfB ihren Charakter als Einrichtung zur Integration und Rehabilitation Behinderter bei. Alle – auch die schwerpunktmäßig unterhaltenen – Betriebsteile verhalten sich ihr gegenüber wie wesentliche Bestandteile zur Hauptsache. Damit geht auch die von der Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Rüge fehl, das LSG habe verfahrensfehlerhaft (§ 103 SGG) ihren Antrag auf Beweis durch Augenschein, „daß der von der Klägerin unterhaltene Gartenbaubetrieb in seinen Arbeits- und Produktionsmethoden durchaus anderen Gartenbaubetrieben entspricht”, abgelehnt.

Nicht zu folgen ist der Auffassung der Revision, die in § 647 Abs 1 RVO geregelte berufsgenossenschaftliche Zuordnung eines verschiedenartige Bestandteile umfassenden Unternehmens sei auf alle landwirtschaftlichen Betriebe ab einer bestimmten Größenordnung nicht anwendbar (s Noell/ Breitbach, Landwirtschaftliche Unfallversicherung, 1963, § 647 Anm 1). Eine solche Auslegung widerspricht nicht nur dem Wortlaut des § 647 Abs 1 iVm § 791 RVO, sondern findet auch keine Stütze in der von der Revision hervorgehobenen Entstehungsgeschichte des durch das UVNG neugefaßten § 647 Abs 1 RVO. In der Amtlichen Begründung zum UVNG wird lediglich zum Ausdruck gebracht, daß die Neufassung des § 647 Abs 1 RVO an die §§ 648, 631 RVO anschließe (s BT-Drucks IV/120 S 64 zu § 648). Der ferner von der Revision angeführte Schriftliche Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (BT-Drucks IV/938 – neu –) verweist auf Absatz 3 des § 648 idF des Entwurfs, der vorsah, daß die berufsgenossenschaftliche Zuständigkeit sich nach dem Hauptunternehmen richten sollte, wenn ein Unternehmen neben diesem noch andere Unternehmen im Bezirk derselben Gemeinde hat. Dieser, im übrigen völlig andere Sachverhalte betreffende Absatz wurde gestrichen, weil durch ihn das Prinzip durchbrochen worden wäre, „die Gliederung der Berufsgenossenschaften nach Gewerbezweigen soweit als irgendmöglich” aufrechtzuerhalten (BT-Drucks aaO S 19 zu § 648). Im Gegensatz zur Revision vermag der Senat hieraus, gerade auch im Hinblick auf die vom Gesetzgeber schließlich beschlossene Fassung des § 647 Abs 1 RVO, nicht die allgemeine Schlußfolgerung zu ziehen, daß es „dem Gesetzgeber des UVNG daran gelegen gewesen sei, Einheitsunternehmen zu vermeiden”.

Dieses Ergebnis widerspricht auch nicht den von der Revision angezogenen Entscheidungen des RVA zur Frage, ob und inwieweit eine einem gewerblichen Hauptbetrieb dienende Landwirtschaft als wesentlicher Bestandteil des gewerblichen Hauptbetriebes anzusehen ist. Dazu hat das RVA in seinen Entscheidungen vom 3. Dezember 1931 (EuM 31, 220) und vom 20. Juni 1932 (EuM 32, 496) dargelegt, daß nach § 631 RVO (aF) zwar landwirtschaftliche Betriebe auch als wesentliche Bestandteile eines gewerblichen Betriebes der gewerblichen Unfallversicherung unterliegen könnten; der Aufbau der berufsgenossenschaftlichen Organisation verlange jedoch, daß „hierin nicht zu weit gegangen werde”. Das RVA hat sodann zwei jeweils einem Betrieb der Wohlfahrtspflege dienende landwirtschaftliche Betriebe von 100 bzw 368 ha mit Viehhaltung „trotz wirtschaftlicher und technischer Zusammenhänge mit dem Pflegeanstaltsbetriebe doch so viel eigene Bedeutung” zuerkannt, daß sich seine Zuteilung zu der gewerblichen Berufsgenossenschaft aufgrund des § 631 Abs 1 RVO (aF) nicht rechtfertigen ließ.

Der vorliegende Fall jedoch unterscheidet sich hiervon entscheidend. Denn nach den Feststellungen des LSG verwirklicht die Klägerin mit der Einrichtung der WfB ihren Gesellschaftszweck (Errichtung und Betrieb von Einrichtungen und Maßnahmen der Behindertenhilfe im weitesten Sinne). Allein schon aus den tatsächlichen Verhältnissen ergibt sich eine untrennbare Einheit zwischen der WfB und allen Arbeitsbereichen. Die Gärtnerei und die Baumschule bilden zusammen mit den übrigen Arbeitsbereichen eine wirtschaftliche und betriebstechnische Einheit. Dies erfaßt auch die Unfallverhütung in den hier maßgebenden Betriebsteilen der WfB. Im Vordergrund steht auch hier nicht die Arbeit in einer Gärtnerei, sondern der Einsatz von Behinderten bei gärtnerischen Arbeiten mit den Besonderheiten eines Schutzes dieses Personenkreises vor Unfällen.

Hierin besteht auch der entscheidende Unterschied zu dem von der Revision angeführten Beschluß des Senats vom 14. Juni 1988 (2 BU 30/88). Nach dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt betrieb eine in Berlin ansässige „Gemeinnützige und mildtätige Stiftung” räumlich getrennt im Raum K. einen landwirtschaftlichen Betrieb, um Drogenabhängigen und Drogengefährdeten ein Leben ohne Drogen und ohne Kriminalität zu lehren. In diesem Fall gab nach den Feststellungen des LSG das landwirtschaftliche Unternehmen dem Gesamtunternehmen sein besonderes Gepräge und war damit maßgebend für seine sozialversicherungsrechtliche Stellung (s BSGE 49, 283, 285).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1173553

BSGE, 273

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