Leitsatz (amtlich)
Ist der Beschwerdeausschuß paritätisch besetzt (RVO § 368n Abs 5 iVm BMV-Zahnärzte § 22 Abs 1 und 3), so ist er bei Anfechtung eines von ihm erlassenen Verwaltungsakts der richtige Beklagte.
Normenkette
RVO § 368n Abs. 5 Fassung: 1955-08-17; SGG § 70; BMV-Z § 22 Abs. 1, 3
Tenor
Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. Dezember 1967 wird, soweit dieses den Bescheid des Beschwerdeausschusses vom 6. Mai 1966 hinsichtlich des Quartals IV/1964 betrifft, als unzulässig verworfen.
Im übrigen wird das angefochtene Urteil aufgehoben. Der Rechtsstreit wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, gegen wen eine Klage zu richten ist, mit der ein Prüfungsbescheid eines paritätisch mit Kassenzahnärzten und Vertretern der Krankenkassen besetzten Beschwerdeausschusses (§ 368 n Abs. 5 der Reichsversicherungsordnung - RVO - i.V.m. § 22 Abs. 1 und 3 des Bundesmantelvertrags-Zahnärzte - BMV-Z -) angefochten wird.
Auf Antrag der beigeladenen Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) überprüfte der RVO-Prüfungsausschuß bei der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB) die Abrechnungen des zur kassenzahnärztlichen Versorgung zugelassenen Klägers für die Quartale I und II/1964 hinsichtlich der Leistungen nach Position 8 BMV-Z und weitere namentlich aufgeführte Einzelbeanstandungen. In seiner Sitzung vom 17. November 1965 beschloß er eine Honorarberichtigung von 30 v.H. der abgerechneten Leistungen. Hinsichtlich des Quartals IV/1964 wurde eine Honorarkürzung von 73,48 DM beschlossen. Der paritätisch mit Kassenzahnärzten und Vertretern der Krankenkassen besetzte RVO-Beschwerdeausschuß wies die Beschwerden im wesentlichen zurück. Daraufhin hat der Kläger Klage erhoben. Nach Beiladung der AOK Regensburg und nach Bejahung der Passivlegitimation der KZVB hat das Sozialgericht (SG) durch Urteil vom 6. Juni 1967 den Bescheid des Beschwerdeausschusses bezüglich der Quartale I und II/1964 aufgehoben und hinsichtlich des Quartals IV/1964 die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die AOK Berufung eingelegt. Diese hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 5. Dezember 1967). Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Beschwerdeausschuß werde zwar von den Partnern der gemeinsamen Selbstverwaltung durch Vertreter in gleicher Zahl beschickt; daraus könne jedoch nicht gefolgert werden, daß seine Entscheidungen sowohl namens der KZVB als auch der vier Landesverbände der Krankenkassen ergingen, da auch der paritätisch besetzte Beschwerdeausschuß wie der Beschwerdeausschuß nach § 368 n Abs. 4 RVO im Rahmen der der KZVB obliegenden Aufgaben tätig werde. Die Berührung der wirtschaftlichen Interessen der Krankenkassen sei bei der Prüfung der Frage, in wessen Namen die Entscheidungen des Beschwerdeausschusses ergangen seien, unerheblich. Maßgebend sei vielmehr, daß der Kassenzahnarzt, der eine Entscheidung des Beschwerdeausschusses nach § 368 n Abs. 5 RVO anfechte, zu den Krankenkassen bzw. deren Verbänden in keinem Vertragsverhältnis stehe. Im übrigen seien die Prüfungseinrichtungen "bei" den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen errichtet (§ 22 Abs. 1 BMV-Z). Die Klage sei gegen den Träger der Verwaltung zu richten, dem der Verwaltungsakt zuzurechnen sei.
Gegen dieses Urteil hat die AOK die zugelassene Revision eingelegt und unter Hinweis auf die Entscheidung in BSG 21, 237 vorgetragen: Entscheidend sei, wie die Prüfungsinstanzen zusammengesetzt seien. Hier seien sie nichts anderes als zusammengefaßte Verwaltungsstellen der durch ihre gemeinsame Aufgabe insoweit verbundenen öffentlich-rechtlichen Körperschaften der Kassenzahnärzte und der Krankenkassen. Da die Prüfungsinstanzen keine Organe der KZVB seien und die Tätigkeit dieser Einrichtungen den beteiligten Körperschaften zuzurechnen sei, habe sich die Klage gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses gegen alle beteiligten Körperschaften zu richten.
Die Beigeladene hat beantragt,
die Klage des Kassenzahnarztes Dr. S K gegen die KZVB wird als unzulässig verworfen, die vorinstanzlichen Urteile werden aufgehoben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
II
Der erkennende Senat hat zunächst geprüft, ob er mit je einem Bundessozialrichter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Kassenärzte als ehrenamtlichen Beisitzern vorschriftsmäßig besetzt ist. Er hat diese Frage bejaht. Bei der Abgrenzung der Angelegenheiten des Kassen(zahn)arztrechts (§ 12 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 33 Satz 2, § 40 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) von denen der Kassen(zahn)ärzte (§ 12 Abs. 3 Satz 2 SGG) hat der Senat in ständiger Rechtsprechung darauf abgestellt, ob der angefochtene Verwaltungsakt in den Aufgabenbereich der kassen(zahn)ärztlichen Selbstverwaltung fällt oder zum Zuständigkeitsbereich der gemeinsamen Selbstverwaltung der Kassen(zahn)ärzte und der Krankenkassen gehört. Als entscheidendes Merkmal hat er hierbei angesehen, ob im Verwaltungsverfahren eine ausschließlich mit Kassen(zahn)ärzten besetzte Stelle zu entscheiden hatte oder ob hier auch Vertreter der Krankenkassen stimmberechtigt mitwirken mußten. Davon hängt die Besetzung der Kammern und Senate ab (vgl. ua BSG 21, 237, 238, in SozR Nr. 13 zu § 12; BSG 26, 16, 17; BSG 28, 84).
Wie der Senat in BSG 21, 237 ff entschieden hat, liegt bei Streit wegen Prüfungsmaßnahmen gegen einen Kassen(zahn)arzt eine "Angelegenheit des Kassen(zahn)arztrechts " i.S. des § 12 Abs. 3 Satz 1 SGG vor, wenn die von einer Krankenkasse an eine Kassenzahnärztliche Vereinigung zu entrichtende Gesamtvergütung gemäß § 368 f Abs. 3 RVO nach Einzelleistungen berechnet wird und die Vertragspartner vereinbart haben, daß an einer Entscheidung des Beschwerdeausschusses Vertreter der Krankenkassen stimmberechtigt mitwirken (vgl. § 368 n Abs. 5 RVO). Das ist hier der Fall. Nach § 22 Abs. 3 BMV-Z besteht der Beschwerdeausschuß aus je drei von der KZVB und den Landesverbänden der Krankenkassen benannten Vertretern. Für den Beschwerdeausschuß ist also eine paritätische Besetzung mit Stimmrecht aller Vertreter verbindlich vorgeschrieben. Der Beschwerdeausschuß muß deshalb der gemeinsamen Selbstverwaltung der Kassenzahnärzte und der Krankenkassen zugeordnet werden.
Bezüglich des Quartals IV/1964 ist die AOK durch das Urteil des LSG nicht beschwert. Insoweit hat nämlich das angefochtene Urteil durch die Zurückweisung der Berufung das Urteil des SG, das hinsichtlich dieses Quartals die Klage gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses vom 6. Mai 1966 abgewiesen hatte, bestätigt. Zwar ist dem Antrag der AOK auf Abweisung der Klage als unzulässig nicht entsprochen worden; aber die Abweisung der Klage als unbegründet geht der größeren Rechtskraftwirkung wegen weiter.
Die AOK ist aber durch das Urteil des LSG insoweit beschwert, als es sich um die Quartale I und II/1964 handelt. In dieser Beziehung hatte das Urteil des SG den Beschluß des Beschwerdeausschusses vom 6. Mai 1966 aufgehoben, und diese Aufhebung ist durch das die Berufung zurückweisende Urteil des LSG bestätigt worden.
Zu Unrecht hat das LSG die Auffassung vertreten, daß die KZVB die richtige Beklagte sei. Das vom LSG in erster Linie verwandte Argument, der Beschwerdeausschuß sei "bei" der KZVB errichtet, spricht ebensowenig für deren Prozeßführungsbefugnis wie die ähnliche Vorschrift des § 368 b Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 6 Satz 5 RVO beim Berufungsausschuß, bei dem außer Streit steht, daß nicht die Kassenärztliche Vereinigung, "bei" der die Geschäfte des Berufungsausschusses geführt werden, sondern der Berufungsausschuß der richtige Beklagte ist. Im Gegenteil ist aus dem Wortsinn eher zu entnehmen, daß eine "bei" der KZVB errichtete Stelle der KZVB nur organisch angegliedert, aber nicht in diese eingegliedert ist (BSG 28, 84, 86).
Entscheidend für die richtige Beurteilung der Beklagtenrolle ist jedoch, daß der von einem paritätisch besetzten Beschwerdeausschuß erlassene Verwaltungsakt eine Entscheidung der gemeinsamen Selbstverwaltung der Kassenzahnärzte und der Krankenkassen darstellt. Die KZVB ist nur ein Träger dieser gemeinsamen Selbstverwaltung. Mit der im Wesen einer solchen Selbstverwaltung begründeten Parität ihrer Träger wäre die Heraushebung eines einzelnen Trägers dergestalt, daß er allein im Streitfall über den Prozeßstoff verfügen oder gar die Entscheidung des für die gemeinsame Selbstverwaltung - weisungsfrei - tätig gewordenen Beschlußorgans aufheben könnte (vgl. BSG 28, 84, 86), unvereinbar.
Allenfalls könnte mit der beigeladenen AOK erwogen werden, ob nicht alle Träger des Beschwerdeausschusses gemeinsam zu verklagen wären. Dagegen steht das Bedenken, daß der angegriffene Verwaltungsakt von mehreren Trägerverbänden mit unterschiedlicher Interessenlage verteidigt werden würde, so daß stark differenzierte, möglicherweise sogar widersprüchliche Stellungnahmen der Beteiligten nicht ausgeschlossen wären; das Beschlußorgan selbst würde in dem Verfahren, in dem die Rechtmäßigkeit des von ihm erlassenen Verwaltungsakts geprüft wird, überhaupt nicht zu Gehör kommen. Diese schwerwiegenden Bedenken sprechen dafür, den Beschwerdeausschuß selbst in Verfolg eines in § 70 Nr. 4 SGG zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedankens für parteifähig und außerdem für allein befugt zu erachten, den von ihm erlassenen Verwaltungsakt im gerichtlichen Verfahren zu verteidigen (vgl. für den ähnlichen Fall einer paritätisch besetzten Berufungskommission BSG 28, 84). Den Interessen der beteiligten Trägerkörperschaften ist dadurch ausreichend Rechnung getragen, daß sie nach § 75 Abs. 1 SGG beigeladen werden.
Um dem LSG Gelegenheit zu geben, darauf hinzuwirken (§ 106 Nr. 1 SGG), daß die Beteiligten im Wege der Klageänderung (§ 99 SGG) eine Parteiänderung vornehmen - ein solcher Wechsel ist im Gegensatz zur Revisionsinstanz (§ 168 SGG) auch noch im Berufungsverfahren zulässig (BSG 8, 114, 115) -, war das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen