Leitsatz (amtlich)
Unter "Arbeitszeit (§ 69)" in AFG § 68 Abs 1 S 2 Nr 2 ist die Arbeitszeitdauer (Stundenzahl) zu verstehen. In diesem Rahmen sind auch außerhalb der betriebsüblichen Schichtzeit liegende Entgeltstunden nach AFG § 68 Abs 1 S 2 Nr 2 Halbs 2 "nicht zu berücksichtigen".
Normenkette
AFG § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Hs. 2 Fassung: 1969-06-25, § 69 Fassung: 1969-06-25, § 68 Abs. 5 Fassung: 1969-06-25, § 86 Abs. 1
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. September 1971 und das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 1. März 1971 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die an einem Ausfalltage außerhalb der betriebsüblichen Schichtzeit geleisteten Arbeitsstunden bei der Bemessung des Schlechtwettergeldes (SWG) leistungsmindernd zu berücksichtigen sind.
Die Klägerin - ein Bauunternehmen - bezog während der SWG-Periode 1969/1970 wiederholt SWG für ihre Arbeitnehmer. Die Zahlungen erfolgten antragsgemäß regelmäßig nach Vorlage der einzelnen Abrechnungslisten vor deren Überprüfung an Hand der betrieblichen Arbeitszeit- und Lohnunterlagen; dementsprechend erfolgten im erklärten Einverständnis der Klägerin die Zahlungen unter Vorbehalt der Rückforderung etwa zuviel gezahlter Beträge.
Die Klägerin erhielt u. a. SWG für bestimmte Ausfalltage im Januar und März 1970 für Arbeitnehmer, die nur stundenweise ausgesetzt hatten. Bei der nachfolgenden Prüfung der Betriebsunterlagen ergab sich, daß die Arbeitnehmer zum Teil über die betriebsübliche Schichtzeit (7 bis 15.30 Uhr) hinaus gearbeitet und damit vorher am gleichen Tage ausgefallene Arbeitsstunden nachgeholt hatten. Die Beklagte errechnete unter Berücksichtigung dieser Zeiten das SWG neu und forderte von der Klägerin einen Betrag von 429.- DM zurück (Bescheid vom 28. September 1970). Der Widerspruch der Klägerin, mit dem sie geltend machte, das SWG richtig abgerechnet zu haben, war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13.11.1970).
Das Sozialgericht Duisburg (SG) hat der auf Aufhebung der Bescheide gerichteten Klage mit der Begründung stattgegeben, die außerhalb der betriebsüblichen Schichtzeit geleisteten Arbeitsstunden dürften nicht auf die Ausfallzeiten angerechnet werden; es hat die Berufung zugelassen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das am 26. Januar, 27. Januar, 12. März, 18. März, 19. März, 20. März 1970 nach 15.30 Uhr erzielte Einkommen der Aussetzer gemäß § 68 Abs. 5 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zur Hälfte auf das SWG anzurechnen sei. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt: Arbeitszeit i. S. des § 68 Abs. 1 Nr. 2 AFG sei die regelmäßige betriebsübliche Arbeitszeit. Da bei der SWG-Bemessung auf den Ausfalltag abgestellt werde (§§ 68 Abs. 1 Nr. 2, 77 Abs. 1 AFG), komme es darauf an, welcher Teil der wöchentlichen Arbeitszeit i. S. des § 69 AFG betriebsüblich auf den Ausfalltag entfalle. Dieser Teil habe bei den Aussetzern der Klägerin acht Stunden betragen. Diese Zahl gebe aber nur die Dauer der werktäglichen Arbeit an. Der Begriff "Arbeitszeit" i. S. der §§ 69, 68 Abs. 1 Nr. 2 AFG erschöpfe sich hierin aber nicht. Es sei vielmehr mit diesem Begriff auch diejenige Zeit gemeint, in der die Arbeit betriebsüblich zu erbringen sei, also der Zeitraum, der in § 75 Abs. 3 Satz 1 AFG als Arbeitsschicht bezeichnet werde. Dieser Auslegung entspreche der allgemeinere und umfassendere Wortsinn in § 68 Abs. 1 Nr. 2 AFG, der den Zeitraum als "innerhalb der Arbeitszeit" bestimme und durch die Inbezugnahme des Betriebsüblichen an die konkreten Verhältnisse des Betriebes anknüpfe. Im vorliegenden Fall sei die Zeit von 7.00 bis 15.30 Uhr als regelmäßige betriebsübliche werktägliche Arbeitszeit der Klägerin anzusehen.
Da die nachgearbeitete Zeit nicht innerhalb dieser Zeit gelegen habe, müsse sie bei der Bemessung des SWG nach § 68 Abs. 1 Nr. 2 AFG außer Betracht bleiben; denn nach Halbsatz 2 dieser Vorschrift seien entgoltene Arbeitsstunden "nicht zu berücksichtigen". Diese Auslegung ergebe sich auch aus dem Normzweck, da die Rechtswohltat des § 75 Abs. 3 AFG beseitigt würde, wenn bei Aufnahme oder Wiederaufnahme der Arbeit stets etwaige Mehrarbeitsstunden zu Lasten der SWG-Bemessung gingen. Zu berücksichtigen sei hier, daß nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Schriftlicher Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, Drucks. V/4110 S. 15 zu § 69) § 75 Abs. 3 AFG nicht i. S. eines auf die Anwesenheit des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz gerichteten Weisungsrechts des Arbeitgebers zu verstehen sei. Es hänge daher allein vom Willen des Arbeitnehmers ab, ob er die Arbeit aufnehme oder wieder aufnehme. Nur insoweit als der Aussetzer innerhalb der betriebsüblichen regelmäßigen Arbeitszeit die Arbeit erbringe, sei die Anrechnung dieser Arbeitsstunden wegen des gegenüber dem SWG höheren Arbeitslohnes zumutbar. Nach dem Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau) vom 31.3.1965 könnten durch Witterungseinflüsse ausgefallene Arbeitsstunden innerhalb der folgenden 12 Werktage nachgeholt werden. Werde davon Gebrauch gemacht, dann trete auch ohne Beeinträchtigung des SWG kein Lohnausfall ein. Es könne nicht entscheidend sein, daß im vorliegenden Fall der Lohnausfall noch an demselben Tage ausgeglichen worden sei.
Hier sei jedoch § 68 Abs. 5 AFG entsprechend anzuwenden, wonach das Einkommen, das der Arbeitnehmer am Ausfalltage aus einer anderen unselbständigen oder selbständigen Tätigkeit erzielt, zur Hälfte anzurechnen sei. Zwar stelle diese Vorschrift auf eine "andere" Tätigkeit ab; ausgehend von dem Normzweck der Vorschrift sei aber der Umstand, daß es sich hier letztlich um "dieselbe" Tätigkeit handele, nicht entscheidend. Somit sei die Beklagte berechtigt, das durch die Nacharbeit erzielte Entgelt gemäß § 68 Abs. 5 AFG auf das SWG anzurechnen. Das Recht zur Rückforderung folge aus dem in den Bewilligungsbescheiden (vom 5. März und 14. April 1970) enthaltenen Vorbehalt. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses Urteil hat allein die Beklagte Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung der §§ 68, 69 iVm § 77 AFG und wendet sich dagegen, daß die im Anschluß an die betriebsübliche Arbeitsschicht geleisteten Arbeitsstunden bei der SWG-Bemessung nicht anzurechnen seien. Nach § 68 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 AFG blieben bei Feststellung der Zahlung der Ausfallstunden die Stunden mit Arbeitsentgelt (oder mit Anspruch auf Arbeitsentgelt) unberücksichtigt, die innerhalb der "regelmäßigen betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit" verrichtet worden seien. Da nach § 69 AFG daneben auch die "tarifliche wöchentliche Arbeitszeit" maßgebend sein könne und diese in der Regel nur die Dauer und nicht auch die Lage der Arbeitszeit betreffe, komme es allein auf die Arbeitszeitdauer an. Daß im Rahmen des § 69 AFG die Lage der Arbeitszeit ohne Bedeutung sei, ergebe sich auch daraus, daß § 69 AFG dem früheren § 123 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) nachgebildet sei, der als Höchstgrenze auf die "gesetzlich zulässige Arbeitszeit" verweise. Beide Vorschriften stellten auf die "regelmäßige" Arbeitszeit ab, unter der auch nach § 3 der Arbeitszeitordnung (AZO) vom 30. April 1938 (RGBl I, 447) nur die Dauer der Arbeitszeit verstanden werde. Die Amtliche Begründung in BT-Drucks. V/2291 S. 73 wäre nicht schlüssig, wenn es neben der Dauer auch auf die Lage der Arbeitszeit ankommen sollte. Hiernach sei die tarifliche Arbeitszeit nämlich als Höchstarbeitszeit gewählt worden, um Schwierigkeiten bei der Feststellung der betriebsüblichen Arbeitszeit zu vermeiden. Solche Schwierigkeiten entstünden jedoch weiterhin, wenn es im Rahmen des § 69 AFG auch auf die Lage der Arbeitszeit ankäme, die sich regelmäßig aus den tarifvertraglichen Regelungen nicht ergebe.
Auch nach dem Ergebnis rechtfertige sich allein die Auffassung, daß es im Rahmen der hier in Betracht kommenden Vorschriften nur auf die Dauer, nicht aber auf die Lage der Arbeitszeit ankomme. Anderenfalls könnte ein Betrieb bei entsprechender Lage der Arbeitszeit eine ganze ausgefallene Arbeitsschicht bei Wetterbesserung am gleichen Tag nach regulärem Schichtende nacharbeiten und damit einen Lohnausfall vermeiden, ohne daß das SWG beeinträchtigt würde. Das sei mit dem Sinn und Zweck des SWG unvereinbar, das eine spezielle Leistung zum Ausgleich von Lohnausfällen sein solle. Dem könne nicht die Möglichkeit zur Nacharbeit an anderen Tagen entgegengehalten werden, da die Frage des Lohnausfalles nach § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 77 Abs. 1 AFG für den einzelnen Ausfalltag zu prüfen sei. Das Nacharbeiten von Ausfallstunden an anderen Tagen als dem Ausfalltag sei für die SWG-Bemessung ohne Bedeutung; diese Nacharbeit werde nämlich in Stunden geleistet, die über die regelmäßige werktägliche Arbeitszeitdauer hinausgingen.
Eine entsprechende Anwendung des § 68 Abs. 5 AFG sei entgegen der Ansicht des LSG nicht möglich, da der klare Wortlaut von dem Einkommen aus einer "anderen" Tätigkeit ausgehe. Bei einer Anrechnung aus derselben Tätigkeit, die von dem Arbeitsausfall betroffen sei, hätte das Wort "andere" keinen Sinn.
Die Beklagte beantragt,
in Abänderung des angefochtenen Urteils und des Urteils des SG Duisburg vom 1. März 1971 die Klage der Klägerin in vollem Umfang abzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Klägerin beantragt,
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend und führt ergänzend dazu aus: Wenn von der betriebsüblichen bzw. tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit gesprochen werde, sei zwar in der Regel allein die Dauer, nicht auch die Lage der Arbeitszeit gemeint. Wie aber bei der Feststellung der betriebsüblichen Arbeitszeit für den maßgeblichen Ausfalltag auf die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage Rücksicht genommen werde, so sei bei der Ermittlung der Ausfallstunden auf die Verteilung der täglichen Arbeitszeit auf die einzelnen Tagesstunden Rücksicht zu nehmen. Durch das Wort "regelmäßig" in § 69 AFG solle lediglich verhindert werden, daß die Verteilung der Arbeitszeit mißbräuchlich auf Schlechtwetterzeiten erfolge. Das gelte für die Verteilung auf die einzelnen Wochentage wie für die Verteilung auf die einzelnen Stunden des Tages.
Das SWG sei eine Vergütung für lohnmäßig ausgefallene Arbeitszeit. Werde diese Arbeitszeit nachgearbeitet, so trete für den Arbeitnehmer eine zusätzliche Belastung ein, die eine Minderung der Ausfallvergütung nicht rechtfertige. Das sei für den Lohnausfall an Feiertagen anerkannt. Auch hier werde eine Lohneinbuße nur durch Freizeiteinbuße vermieden. Da außerhalb der Arbeitszeit keine Dienstverpflichtung für den Arbeitnehmer bestehe, könne er insoweit zur Arbeit nur angereizt werden. Der Anreiz liege darin, daß nach § 68 Abs. 5 AFG der Verdienst aus einer anderen Tätigkeit nur zur Hälfte auf das SWG angerechnet werde. Da hierbei kein Unterschied gemacht werde, ob die andere Tätigkeit innerhalb oder außerhalb der Arbeitszeit erbracht werde, sei auch kein Unterschied zu machen, ob der Arbeitnehmer bei einem anderen oder demselben Arbeitgeber tätig werde. "Andere" Tätigkeit sei i. S. des § 68 Abs. 5 AFG eine solche, die nach Art oder Zeit innerhalb des Direktionsrechts des Arbeitgebers nicht zuweisbar sei. Daher finde § 68 Abs. 5 AFG hier Anwendung.
Wegen des Revisionsvorbringens der Beteiligten im einzelnen und im übrigen wird auf den Inhalt der Revisionsschrift vom 26. Januar 1972 und der Revisionserwiderung vom 10. Mai 1972 Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
II
Die Revision ist zulässig begründet. Die gegen den angefochtenen Bescheid vom 28. September 1970 idF des Widerspruchsbescheides vom 13. November 1970 erhobene Klage ist unbegründet.
Zeitlich maßgebend sind die hier von der Sache her in Betracht kommenden Vorschriften des AFG noch in der vor dem Inkrafttreten des Zweiten Änderungsgesetzes zum AFG vom 19. Mai 1972 zum 1. Mai 1972 geltenden Fassung (1969).
Nach § 77 AFG dieser Fassung gilt für die Bemessung des SWG die entsprechende Vorschrift des § 68 AFG zur Bemessung des Kurzarbeitergeldes (Kug) mit der Maßgabe, daß das SWG "für jeden Ausfalltag", des Kug hingegen "für die Ausfallstunden" gewährt wird. Nach § 68 Abs. 1 Nr. 2 AFG bemißt sich das SWG nach der Zahl der Arbeitsstunden, die der Arbeitnehmer am Ausfalltag innerhalb der Arbeitszeit (§ 69) geleistet hätte; Stunden, für die ein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht, oder für die Arbeitsentgelt gezahlt wird (im folgenden kurz: Entgeltstunden) sind nicht zu berücksichtigen. Nach Aufbau und Wortlaut, insbesondere der negativen Fassung ("sind nicht zu berücksichtigen"), kann der zweite Halbsatz nur in Verbindung mit dem ersten Halbsatz verstanden werden. Unberücksichtigt bei der SWG-Bemessung bleiben daher die Entgeltstunden, die am Ausfalltag innerhalb der Arbeitszeit geleistet worden sind. Dabei ist "Arbeitszeit" nach der durch den Klammerzusatz (§ 69) noch ausdrücklich angezogenen Legaldefinition des § 69 AFG "die regelmäßige betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit, soweit sie die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit oder, wenn eine solche nicht besteht, die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit gleicher oder ähnlicher Betriebe nicht überschreitet". Da § 69 AFG - wie früher schon § 143 g Abs. 1 Nr. 2 AVAVG als Rahmengrenze entscheidend auf die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit abstellt, die tarifliche Regelung der wöchentlichen Arbeitszeit aber nur die Stundenzahl, also die Arbeitszeitdauer betrifft, muß unter Arbeitszeit in diesem Sinne die Arbeitszeitdauer verstanden werden. Als Rahmengrenze in § 123 AVAVG, dem Vorläufer des § 69 AFG für das Kug galt die "gesetzliche zulässige Arbeitszeit, für die kein Mehrarbeitszuschlag zu zahlen ist"; auch hiernach kam es auf die Stundenzahl, also die Arbeitszeitdauer an (§ 3 iVm § 15 AZO). Schließlich läßt überhaupt schon das Abstellen auf die "wöchentliche" Arbeitszeit in § 69 AFG erkennen, daß damit nur die Arbeitszeitdauer gemeint ist; der Begriff ist gedanklich mit einer bestimmten Stundenzahl verbunden. Allenfalls ein Abstellen auf die für den jeweils ausfallenden Arbeitstag maßgebende Arbeitszeit könnte den Eindruck hervorrufen, damit sei möglicherweise die durch Beginn und Ende bestimmte Schichtzeit zu verstehen.
Nach der nicht angegriffenen Feststellung des LSG ergibt sich für die Arbeitnehmer der Klägerin als "innerhalb der Arbeitszeit (§ 69)" liegend eine tägliche Arbeitszeitdauer von acht Stunden. Bei dem oben dargelegten inneren Zusammenhang der beiden Halbsätze des § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AFG bedeutet das, daß die an einem Ausfalltag in diesem zeitlichen Rahmen geleisteten Entgeltstunden bei der Feststellung der Ausfallstunden nicht zu berücksichtigen sind und damit die Zahl der Ausfallstunden - und demgemäß auch die Höhe des SWG - mindern, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie inner- oder außerhalb der betriebsüblichen Schichtzeit angefallen sind.
Der Senat vermag keine hinreichenden Gründe zu erkennen, die gleichwohl eine andere Auslegung gebotenen erscheinen ließen. Der vom LSG hervorgehobene Umstand, daß in § 75 Abs. 3 Satz 1 AFG (1969) bei den Voraussetzungen der Gewährung von SWG auf den Abbruch der Arbeit "spätestens drei Stunden nach betriebsüblichem Beginn der Arbeitsschicht" abgestellt wird, hat zu der hier streitigen Bemessungsregelung keine unmittelbare Beziehung. Er läßt vielmehr erkennen, daß sich der Gesetzgeber bei der Wortwahl durchaus des Unterschiedes zwischen "Arbeitsschicht" und "Arbeitszeit" bewußt gewesen ist. Auch ein Rückgriff auf das vorher geltende SWG-Recht gibt für eine andere Auslegung nichts her. Wenn dort nach § 143 g Abs. 1 Satz 2 iVm § 143 e Abs. 3 AVAVG nur die - regelmäßig in die Schichtzeit fallenden - (höchstens) drei Stunden eines abgebrochenen Arbeitsversuches von den Ausfallstunden abzusetzen waren, so lag das daran, daß nach den damaligen Voraussetzungen für die Gewährung von SWG andere Stunden für eine Anrechnung praktisch nicht in Betracht kamen; wurde die Arbeit erst später aufgenommen und dafür über die übliche Schichtzeit hinaus fortgesetzt, so lag kein Ausfalltag vor. In den hier streitigen Fällen wäre nach vorher geltendem Recht überhaupt kein SWG gewährt worden. Erst durch die Einfügung des § 75 Abs. 3 Satz 2 AFG ist die Aufnahme oder Wiederaufnahme der Arbeit an einem Ausfalltag für die SWG-Gewährung unschädlich geworden.
Der Senat ist auch nicht der Auffassung, daß die von der Beklagten geübte Auslegung dem Normenzweck der SWG-Regelung widerspricht. Das SWG dient dem Ausgleich von Lohnausfällen der Bauarbeiter durch witterungsbedingten Arbeitsausfall. Wird an einem Arbeitstag die Arbeit wegen Schlechtwetters später als betriebsüblich aufgenommen und entsprechend über das betriebsübliche Schichtende hinaus fortgesetzt, so kommt es zu keinem witterungsbedingten Lohnausfall, der auszugleichen wäre. Eine solche zeitliche Verschiebung der Schichtzeit innerhalb eines Arbeitstages ist allerdings für den betroffenen Arbeitnehmer regelmäßig mit einer Einbuße an echter Freizeit verbunden. Der SWG-Regelung insgesamt ist aber nicht zu entnehmen, daß über den Lohnausfall hinaus auch Nachteile dieser Art durch die Gewährung von SWG honoriert werden sollen. Eine solche Ausdehnung der in der SWG-Regelung für die Arbeitnehmer des Baugewerbes enthaltenen berechtigten Privilegierung gegenüber anderen Arbeitnehmern kann auch nicht als nach sozialstaatlichen Grundsätzen zwingend geboten angesehen werden. Dabei kann es nicht entscheidend darauf ankommen, ob der Arbeitnehmer zur Nachholung ausgefallener Arbeitsstunden arbeitsrechtlich verpflichtet ist oder nicht.
Auch der vergleichende Hinweis des LSG auf die im BRT-Bau (§ 3 Nr. 1 Abs. 2) vorgesehene Nachholung witterungsbedingt ausgefallener Arbeitsstunden innerhalb der folgenden zwölf Werktage vermag nicht zu überzeugen. Diese an späteren Tagen nachgeholten Stunden können bei der SWG-Bemessung deshalb nicht berücksichtigt werden, weil das hier zeitlich maßgebende SWG-Recht dabei jeweils allein auf den Ausfalltag abstellt. Nachgeholte Arbeitsstunden i. S. der genannten Tarifregelung sind solche, die zusätzlich zu der am Nachholtage selbst betriebsüblich zu leistenden Arbeitszeit verrichtet werden, also regelmäßig außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit liegen und daher nicht unter § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AFG fallen. Dagegen füllen die am witterungsbetroffenen Tage selbst geleisteten Entgeltstunden, um die es im vorliegenden Fall geht, die an diesem Tage betriebsüblich zu leistende Arbeitszeit erst auf. Diese sachliche Verschiedenheit rechtfertigt durchaus eine unterschiedliche Behandlung bei der SWG-Bemessung.
Entgegen der Auffassung des Klägers spricht auch die Regelung des § 68 Abs. 5 AFG, wonach das (Netto-) Einkommen, das der Arbeitnehmer aus einer "anderen unselbständigen oder einer selbständigen Tätigkeit" am Ausfalltage erzielt, auf das Kug (hier: SWG) zur Hälfte angerechnet wird, nicht gegen die von der Beklagten geübte Anwendung des § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AFG. Eine nur "entsprechende" (analoge) Anwendung dieser Regelung auf die hier streitigen Entgeltstunden, wie sie das LSG vorgenommen hat, setzt die Nichtanwendung der letztgenannten Vorschrift logisch bereits voraus, vermag sie also nicht erst zu begründen. Eine unmittelbare Anwendung erscheint dem Senat aber mit dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ("andere ... Tätigkeit") nicht vereinbar. Die übliche Tätigkeit am üblichen Arbeitsplatz kann auch dann nicht als eine "andere" Tätigkeit verstanden werden, wenn sie außerhalb der üblichen Schichtzeit verrichtet wird. Wenn - wie der Kläger meint - bei der Abgrenzung des Begriffes "andere Tätigkeit" auf das Direktionsrecht des Arbeitgebers abzustellen ist, so jedenfalls nur hinsichtlich Art und Ort der Tätigkeit; als "andere" Tätigkeit könnte etwa eine berufsfremde Beschäftigung des Arbeitnehmers im privaten häuslichen Bereich des Arbeitgebers angesehen werden (vgl. das Beispiel bei Kranz, Schlechtwettergeld, Handkommentar, 3. Aufl., Erl. J Abs. 3 zu § 77 AFG: der Arbeitgeber bittet einen Maurer, am Ausfalltage bei ihm zuhause Holz zu hacken). Wird aber schon eine am Ausfalltage - gleich, wann - verrichtete andere Tätigkeit bei der SWG-Bemessung mindernd berücksichtigt, so kann es dem Normzweck nicht widersprechen, die außerhalb der üblichen Schichtzeit liegenden "normalen" Entgeltstunden auf die Ausfallstunden anzurechnen. Auch kann daraus, daß der Gesetzgeber keinen Anlaß gesehen hat, noch einen besonderen finanziellen Anreiz zur Leistung von Entgeltstunden außerhalb der üblichen Schichtzeit zu bieten, nicht der Schluß gezogen werden, deren Anrechnung sei nicht gewollt.
Die Neuberechnung des SWG durch die Beklagte ist daher zu Recht erfolgt. Zur Rückforderung der hiernach überzahlten Beträge war sie berechtigt, weil die Leistung auf Antrag der Klägerin unter dem Vorbehalt des Widerrufs nach Prüfung der Unterlagen erbracht worden ist, die Klägerin sich auch grundsätzlich zur Rückzahlung in solchen Fällen verpflichtet hatte. Gegen diese im Interesse der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer an beschleunigter Zahlung des SWG liegende Regelung bestehen insoweit keine Bedenken, als sich der Vorbehalt nur auf die Berücksichtigung von Umständen erstreckt, die sich erst aus der Überprüfung der betrieblichen Unterlagen ergeben. Das ist hier der Fall.
Die der unbegründeten Klage ganz oder teilweise stattgebenden Urteile des SG und des LSG sind daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen