Leitsatz (redaktionell)
Eine unbillige Härte iS des AFG § 112 Abs 7 kann auch vorliegen, wenn der Arbeitslose vor der Arbeitslosmeldung im Bemessungszeitraum gegenüber seiner sonst überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit eine geringere Arbeitszeit gehabt hat.
Orientierungssatz
1. Es ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, daß sich das Arbeitsentgelt iS des AFG § 112 Abs 2 in mehreren Beschäftigungsverhältnissen errechnet, wenn der Arbeitslose im Bemessungszeitraum iS des AFG § 112 Abs 3 in mehreren beitragspflichtigen Beschäftigungen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt gestanden hat. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß die verschiedenen Beschäftigungsverhältnisse in dem in AFG § 112 Abs 3 bezeichneten Zeitraum - abgesehen von den sonstigen Voraussetzungen - bestanden haben.
2. Die Regelung des AFG § 112 Abs 7 erfaßt ihrem Inhalt nach nicht nur diejenigen Fälle, in denen der Arbeitslose vor der Arbeitslosmeldung bei einer vollen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit ein - unter Berücksichtigung normaler Verhältnisse - geringeres Arbeitsentgelt erzielt hat, sondern auch diejenigen, bei denen der für die Berechnung des Alg maßgebende Faktor "Arbeitszeit" im Bemessungszeitraum im Verhältnis zu der von dem Arbeitslosen sonst überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit herabgesetzt war.
Normenkette
AFG § 112 Abs. 2 Fassung: 1969-06-25, Abs. 3 Fassung: 1969-06-25, Abs. 4 Nr. 3 Fassung: 1969-06-25, Abs. 7 Fassung: 1969-06-25
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 16. Juli 1974 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg), das die Beklagte der Klägerin ab 1. Februar 1971 zu zahlen hatte.
Die im Jahre 1941 geborene Klägerin, die verheiratet ist und ihre minderjährige Tochter versorgt, arbeitete vom 14. Oktober 1968 bis 31. Dezember 1970 an den Vormittagen bei der Firma Ulrich S (S.) als Buchhalterin und erhielt bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 21 1/4 Stunden ein monatliches Entgelt von 550,- DM brutto. Außerdem war sie vom 1. August 1967 bis 31. Januar 1971 für die Firma N-G (N.-G.) ebenfalls als Buchhalterin tätig. Sie verrichtete ihre Arbeit zu Hause, weil sie für ihre Tochter nur einen Vormittagsplatz im Kindergarten hatte. Die Arbeitszeit war auf 25 Stunden wöchentlich vereinbart. Im Januar 1971 erhielt sie von dieser Firma ein Bruttogehalt von 475,- DM. Beide Beschäftigungen unterlagen der Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung, und zwar die bei der Firma S. vom 1. Juni 1969 an. Das Arbeitsverhältnis bei der Firma S. endete durch Kündigung (wegen Arbeitsmangels) mit Ablauf des 31. Dezember 1970, während das Arbeitsverhältnis bei der Firma N.-G. zum 31. Januar 1971 gekündigt wurde.
Am 4. Januar 1971 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Alg. Mit Bescheid vom 27. Januar 1971 wurde ihr Antrag abgelehnt, da sie noch nicht arbeitslos sei, weil sie bei der Firma N.-G. noch eine Beschäftigung ausübe, die nicht nur geringfügig sei. Dieser Bescheid ist von der Klägerin nicht angegriffen worden.
Nach Verlust ihres Arbeitsplatzes bei der Firma N.-G. meldete sich die Klägerin am 1. Februar 1971 erneut arbeitslos und beantragte Alg. Unter Berücksichtigung allein des von der Klägerin in ihrem letzten Beschäftigungsverhältnis erzielten Arbeitsverdienstes setzte die Beklagte aufgrund eines Einheitslohnes von 110,- DM wöchentlich das Alg auf wöchentlich 78,- DM fest (Bescheid vom 12. März 1971; Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 1971). Die Beklagte führte aus, daß nach § 112 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) allein das im Monat Januar 1971 aufgrund einer beitragspflichtigen Beschäftigung erzielte Entgelt bei der Bemessung des Alg zu berücksichtigen sei.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 6. Januar 1972); es hat die Berufung zugelassen.
Mit Urteil vom 16. Juli 1974 hat das Landessozialgericht (LSG) das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide abgeändert; es hat die Beklagte verpflichtet, das beantragte Alg unter Berücksichtigung des von der Klägerin bei den Firmen Ulrich S und N-G erzielten Arbeitsentgeltes und nach Maßgabe tariflicher Arbeitszeit zu gewähren. Es hat ausgeführt:
Nach § 112 Abs. 2 Satz 1 AFG sei für die Festsetzung des Alg von dem Arbeitsentgelt auszugehen, das im Bemessungszeitraum erzielt worden sei. Bemessungszeitraum seien nach § 112 Abs. 3 AFG die letzten, am Tage des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten, insgesamt 20 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten, die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs. Das derart für jede Arbeitsstunde errechnete Entgelt sei aber nach dem Wortlaut des § 112 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 AFG noch mit der Zahl der Arbeitsstunden zu vervielfachen, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergeben. Das seien - entgegen der Auffassung der Beklagten - mehr als die nur 25 Wochenstunden, die die Klägerin vereinbarungsgemäß im Januar 1971 geleistet habe. Es sei nämlich für die Klägerin, die im Bemessungszeitraum als Buchhalterin in einem Großhandelsbetrieb tätig gewesen sei, von der - Tarifgebundenheit unterstellt - für derartige Beschäftigungsverhältnisse geltenden tariflichen Arbeitszeit auszugehen. Diese habe nach dem für Schleswig-Holstein maßgeblichen Großhandelstarifvertrag im Januar 1971 wöchentlich 42,5 Stunden betragen.
Die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit sei auch nicht deshalb bei der Klägerin niedriger anzusetzen, weil ihre Arbeitszeit "nicht nur vorübergehend weniger als die tariflichen ... Arbeitsstunden" betragen habe (§ 112 Abs. 4 Nr. 3 AFG). Die Klägerin habe lediglich während des Monats Januar 1971, also für einen im Sinne der Regelung der Nr. 3 "nur vorübergehenden" Zeitraum nur 25 Stunden wöchentlich gearbeitet. Bis zum 31. Dezember 1970 habe ihre regelmäßige Arbeitszeit dagegen noch mehr als die tarifliche betragen, nämlich 46 1/4 Stunden. Der Auffassung der Beklagten, die Vorschrift des § 112 Abs. 4 AFG sei deshalb nicht anwendbar, weil insoweit ausschließlich auf die Verhältnisse in dem 20 Tage umfassenden Bemessungszeitraum abzustellen sei, stehe jedoch schon der Wortlaut der Regelung in der Nr. 1 dieses Absatzes entgegen. Dieser lege nämlich sogar die sich als Jahresdurchschnitt ergebende wöchentliche Arbeitszeit zugrunde, wenn ein Tarifvertrag für Teile des Jahres eine unterschiedliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit vorsehe.
Der Berücksichtigung der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer Buchhalterin in einem Großhandelsbetrieb stehe nicht entgegen, daß die Klägerin - von der vorübergehenden Gestaltung ihrer Tätigkeit im Januar 1971 abgesehen - regelmäßig nicht einem vollschichtigen Arbeitsverhältnis, sondern regelmäßig zwei mehr als halbschichtigen arbeitslosenversicherungspflichtigen Tätigkeiten nachgegangen sei. Die Klägerin habe nicht nur ihre Beschäftigung bei der Firma N.-G. durch Kündigung seitens des Arbeitgebers zum 31. Januar 1971 verloren, sondern ebenfalls die zum 31. Dezember 1970 ausgelaufene Beschäftigung bei der Firma S. Sie habe damit beide Beschäftigungsverhältnisse aus Gründen verloren, die einen Anspruch auf Maßnahmen des Trägers der Arbeitslosenversicherung ausgelöst hätten. Der Lohnersatzcharakter, der dem Alg für den Fall der Arbeitslosigkeit innewohne, fordere, daß unabhängig von der im Januar 1971 erfolgten nur vorübergehenden Kürzung der Arbeitszeit die volle tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 42,5 Stunden, die allein der von der Klägerin zuvor regelmäßig ausgeübten Mehrfachbeschäftigung entsprochen habe, nach § 112 Abs. 2 AFG bei der Bemessung des Alg zugrunde zu legen sei.
Bei dieser Rechtslage erübrige sich ein Eingehen auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 112 Abs. 7 AFG. Das nach dieser Bestimmung maßgebliche tarifliche Arbeitsentgelt sei nämlich ausweislich des Gehaltstarifvertrages für die Angestellten im Großhandel Schleswig-Holstein geringer als das nach den Regelvorschriften des § 112 Abs. 2 bis 4 AFG zu berechnende Arbeitsentgelt.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 103, 128, 136 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und des § 112 AFG.
Sie trägt insbesondere vor:
Soweit das LSG die Beklagte verurteilt habe, das Alg unter Berücksichtigung des von der Klägerin bei den Firmen S. und N.-G. erzielten Gehaltes festzusetzen, stehe die Entscheidung im Widerspruch zu den Ausführungen in den Entscheidungsgründen. Das LSG gehe nämlich davon aus, daß die Beklagte als Bemessungszeitraum zutreffend die letzten 20 im Januar 1971 gelegenen Tage der Beschäftigung der Klägerin bei der Firma N.-G. zugrunde gelegt habe. Wie das LSG selbst zutreffend dargelegt habe, sei also für die Berechnung des Bemessungsentgeltes nach § 112 Abs. 2 und 3 AFG allein das Entgelt maßgebend, das die Klägerin im Januar 1971 bei der Firma N.-G. erzielt habe. Aber auch soweit das LSG die Beklagte für verpflichtet halte, das Alg nach Maßgabe tariflicher Arbeitszeit festzusetzen, könne die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben, da sie mit der Regelung des § 112 Abs. 4 Nr. 3 AFG unvereinbar sei. Zwischen der Firma N.-G. und der Klägerin sei nämlich von vornherein eine Arbeitszeit von wöchentlich 25 Stunden vereinbart gewesen. Von einer vorübergehenden Vereinbarung dieser Arbeitszeit könne also nicht die Rede sein. Selbst wenn man die Beschäftigungen bei den Firmen S. und N.-G. als Einheit ansehen wollte, würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Klägerin müsse dann nämlich so behandelt werden, als wäre ihre Arbeitszeit ab 1. Januar 1971 von wöchentlich 46 1/4 Stunden (21 1/4 Stunden bei der Firma S. und 25 Stunden bei der Firma N.-G.) auf wöchentlich 25 Arbeitsstunden herabgesetzt worden. Die Herabsetzung wäre nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer vereinbart worden. Vorübergehend könne eine Vereinbarung nur sein, wenn sie befristet sei.
Das LSG habe ungeprüft gelassen, ob § 112 Abs. 7 AFG zur Anwendung kommen könne und deshalb insoweit auch keine tatsächlichen Feststellungen getroffen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Lübeck vom 6. Januar 1972 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt dazu aus:
Stehe eine ausgeübte Teilzeitbeschäftigung gemäß §§ 101, 102 AFG einem Anspruch auf Alg entgegen, so habe der "Teilarbeitslose" zunächst keinen Anspruch auf Gewährung von Alg. Gerieten aber die anspruchshemmenden Tatsachen der §§ 101, 102 AFG in Wegfall, so entstehe der Anspruch auf Alg aus dem zuerst beendeten Teilarbeitsverhältnis; dies sei bei Festsetzung des Alg zu berücksichtigen, wobei für die jeweiligen Teilarbeitsverhältnisse naturgemäß verschiedene Bemessungszeiträume gelten müßten. Auf jeden Fall dränge sich aber, wenn dieser Rechtsauffassung nicht gefolgt werden könne, im vorliegenden Fall die Anwendung der Härteklausel des § 112 Abs. 7 AFG auf.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die zugelassene Revision der Beklagten ist begründet; das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen.
Das LSG hat zu Unrecht entschieden, daß die Höhe des Alg der Klägerin unter Berücksichtigung des von ihr bei den Firmen S. und N.-G. erzielten Arbeitsentgeltes und nach Maßgabe tariflicher Arbeitszeit zu berechnen ist. Maßgebend für die Berechnung des Alg ist grundsätzlich § 112 Abs. 2 AFG, wonach von dem im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelt auszugehen ist, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt. Bemessungszeitraum sind nach § 112 Abs. 3 AFG die letzten, am Tage des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten, insgesamt 20 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs. Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG war die letzte die Beitragspflicht begründende Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs der Klägerin auf Alg die am 31. Januar 1971 endende Beschäftigung bei der Fa. N.-G., für die im Monat Januar (also im Bemessungszeitraum) der Lohn vollständig abgerechnet worden war. Hiervon ausgehend könnte das zur Berechnung der Höhe des Alg durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt im Sinne des § 112 Abs. 2 AFG nur das Entgelt sein, das die Klägerin bei der Fa. N.-G. im Bemessungszeitraum erzielt hat.
Die Auffassung des LSG, wonach für die Arbeitsstunden der Durchschnitt der "tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse" und nicht nur die von der Klägerin tatsächlich bei der Fa. N.-G. geleistete Arbeitszeit von wöchentlich 25 Stunden für die Bemessung des Alg heranzuziehen sei, weil § 112 Abs. 2 AFG von jenem Durchschnitt ausgehe, geht fehl. Insoweit hat das LSG die in § 112 Abs. 4 AFG enthaltene gesetzliche Definition der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit verkannt und daher beide Beschäftigungen der Klägerin in den Bemessungszeitraum einbezogen. Es ist zwar grundsätzlich nicht ausgeschlossen, daß sich das Arbeitsentgelt im Sinne des § 112 Abs. 2 AFG aus mehreren Beschäftigungsverhältnissen errechnet, wenn der Arbeitslose im Bemessungszeitraum im Sinne des § 112 Abs. 3 AFG in mehreren beitragspflichtigen Beschäftigungen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt gestanden hat (vgl. hierzu für die Berechnung des Verletztengeldes in der gesetzlichen Unfallversicherung BSGE 37, 189 ff). Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß die verschiedenen Beschäftigungsverhältnisse in dem in § 112 Abs. 3 AFG bezeichneten Zeitraum - abgesehen von den sonstigen Voraussetzungen - bestanden haben. Endet eines der Beschäftigungsverhältnisse vorher, so fallen in den Bemessungszeitraum nur noch die verbleibenden Beschäftigungen, von deren Arbeitsentgelt und Arbeitsstunden für die Berechnung des Alg auszugehen ist. Ein solcher Fall liegt hier vor. Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG haben die beiden Beschäftigungsverhältnisse, die die Klägerin vor ihrer Arbeitslosigkeit ausgeübt hat, unterschiedlich geendet; das Beschäftigungsverhältnis bei der Fa. S. endete am 31. Dezember 1970, also vor dem Bemessungszeitraum im Sinne des § 112 Abs. 3 AFG, während dasjenige bei der Fa. N.-G. am 31. Januar 1971 endete, also allein im Bemessungszeitraum noch andauerte. Die Einbeziehung des erstgenannten Beschäftigungsverhältnisses durch das LSG in den Bemessungszeitraum widerspricht aber nicht nur der eindeutigen Regelung des § 112 Abs. 3 AFG, sondern auch derjenigen des Abs. 4 dieser Vorschrift, wenn es bei seiner Entscheidung nicht von den von der Klägerin bei der Fa. N.-G. geleisteten 25 Stunden wöchentlich, sondern von der maßgeblichen tariflichen Arbeitszeit ausgeht.
Als tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ist nämlich die vereinbarte Arbeitszeit dann zugrunde zu legen, wenn nicht nur vorübergehend weniger als die tariflichen oder üblichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden vereinbart waren (§ 112 Abs. 4 Nr. 3 AFG). Der Auffassung des LSG, diese Bestimmung des für die Berechnung des Alg maßgebenden Faktors "Arbeitszeit" im vorliegenden Falle deshalb nicht anzuwenden, weil nach der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin bei der Fa. S. die Halbtagsbeschäftigung bei der Fa. N.-G. nur "vorübergehend", nämlich einen Monat, gedauert hat, so daß die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des entsprechenden Tarifvertrages, also die für eine volle Beschäftigung zu berücksichtigen sei, kann nicht beigepflichtet werden. Das LSG verkennt nämlich, daß der Bezugspunkt jeweils der Bemessungszeitraum im Sinne des § 112 Abs. 3 AFG ist. Das bedeutet, daß der Faktor "Arbeitsstunden" sich nach den Vertragsbedingungen und Vereinbarungen bezüglich der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs auf Alg richtet, also hier nach den Vertragsbedingungen des Beschäftigungsverhältnisses bei der Fa. N.-G. Diese sahen aber vor, daß die Arbeitszeit der Klägerin - und zwar nicht nur vorübergehend - 25 Stunden wöchentlich betrug. Damit war diese Arbeitszeit die in § 112 Abs. 2 iVm Abs. 4 AFG bezeichnete tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit.
Bei dieser Sach- und Rechtslage scheinen die angefochtenen Verwaltungsakte fehlerfrei zu sein. Allerdings ist der Senat - und dieser Gedanke liegt offenbar auch der Entscheidung des LSG zugrunde - der Auffassung, daß dieses Ergebnis für die Klägerin unbillig ist. Sie hat mehrere Jahre in verschiedenen nebeneinander laufenden versicherungspflichtigen Beschäftigungen gestanden und bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von zusammen mehr als 40 Stunden ein Arbeitsentgelt erzielt, das zu einem höheren Alg geführt hätte, wenn die verschiedenen Beschäftigungsverhältnisse gleichzeitig beendet worden wären und zur Arbeitslosigkeit geführt hätten. Berücksichtigt man, daß das Alg für die Dauer der Arbeitslosigkeit Lohnersatzfunktion hat, der Arbeitslose grundsätzlich eine seiner bis zur Arbeitslosigkeit bestehenden wirtschaftlichen Lage angemessene Versicherungsleistung erhalten soll, so erscheint es unbillig, der Klägerin das Alg nur in der im angefochtenen Bescheid berechneten Höhe zu gewähren. Insoweit muß die in § 112 Abs. 7 AFG für derartige Fälle getroffene Regelung eingreifen. Nach dieser Vorschrift ist von dem am Wohn- oder Aufenthaltsort des Arbeitslosen (§ 129 AFG) maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung von dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung in Betracht kommt, wenn es mit Rücksicht auf die von dem Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart wäre, von dem Arbeitsentgelt nach den Absätzen 2 bis 6 auszugehen. Der Grundgedanke dieser Vorschrift ist es, einen Ausgleich für diejenigen Fälle zu schaffen, in denen der Arbeitslose gerade in dem verhältnismäßig kurzen Bemessungszeitraum ein wesentlich geringeres Arbeitsentgelt erzielt hat, als es seiner eigentlichen, während des längeren Zeitraumes ausgeübten Tätigkeit entsprochen hätte (vgl. dazu BSG in SozR Nr. 5 zu § 90 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung - AVAVG -).
Die Regelung des § 112 Abs. 7 AFG erfaßt ihrem Inhalt nach nicht nur diejenigen Fälle, in denen der Arbeitslose vor der Arbeitslosmeldung bei einer vollen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit ein - unter Berücksichtigung normaler Verhältnisse - geringeres Arbeitsentgelt erzielt hat, sondern auch diejenigen, bei denen der für die Berechnung des Alg maßgebende Faktor "Arbeitszeit" im Bemessungszeitraum im Verhältnis zu der von dem Arbeitslosen sonst überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit herabgesetzt war. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut dieser Vorschrift, die auf die Berechnung des Alg nach den Vorschriften des § 112 Abs. 2 bis 6 AFG verweist. Diese Verweisung betrifft nämlich sowohl den für das Alg maßgebenden Faktor "Arbeitsentgelt" (erzielter Lohn) als auch den - ebenso maßgeblichen - Faktor "Arbeitszeit", welcher in dem in Bezug genommenen Abs. 4 des § 112 AFG ausdrücklich gesetzlich umschrieben wird. Wäre die Härteregelung des Abs. 7 dieser Vorschrift nur geschaffen worden, um ausschließlich eine Verminderung des Arbeitsentgeltes bei sonst voller tariflicher Arbeitszeit im Falle der unbilligen Härte im Sinne des § 112 Abs. 7 AFG auszugleichen, so hätte es einer Verweisung in dem in dieser Vorschrift vorgenommenen Umfang - also auch auf ihren Abs. 4 - nicht bedurft.
Ist aber davon auszugehen, daß eine unbillige Härte im Sinne des § 112 Abs. 7 AFG auch dadurch entstehen kann - und mit dieser Vorschrift beseitigt werden soll -, wenn der Arbeitslose vor der Arbeitslosmeldung im Bemessungszeitraum gegenüber seiner sonst überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit eine geringere Arbeitszeit gehabt hat, so kann der Ausgleich für die Klägerin - entgegen der Auffassung des LSG - nur nach dieser Vorschrift erfolgen. Dabei ist allerdings erforderlich, daß diese geringere Arbeitszeit in einem Mißverhältnis zu der Arbeitszeit der in den letzten drei Jahren überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit steht. Wo die Grenzen liegen, kann hier dahinstehen; jedenfalls liegt bei der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer früheren zwei Halbtagsbeschäftigungen ein solches Mißverhältnis hinsichtlich der für die an sich im Bemessungszeitraum zugrunde zu legende wöchentliche Arbeitszeit von 25 Stunden vor.
Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden, da die tatsächlichen Grundlagen für eine Berechnung nach § 112 Abs. 7 AFG fehlen. Das LSG wird diese Feststellungen noch nachzuholen haben.
Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zu neuer Entscheidung zurückzuverweisen.
Das Berufungsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen