Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Die Mutter des Klägers ist als Unternehmerin eines kleinen Obstbaubetriebes (89 Ar) Mitglied der Beklagten. Der 1933 geborene Kläger studierte seit Herbst 1961 in Frankfurt (Main) mit dem Ziel, Lehrer an einer höheren Schule für die Fächer Biologie und Leibesübungen zu werden. Am 29. September 1966 half er im Betrieb seiner Mutter beim Abernten von Äpfeln. Dabei stürzte er rücklings von einer Leiter und zog sich eine Rückenkontusion zu. Die Beklagte gewährte ihm wegen der Folgen dieses Unfalls durch Bescheid vom 5. August 1968 vom Tage nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung (1. April 1967) an bis zum 14. November 1967 eine vorläufige Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (M.d.E.) von 20 v.H.. Der Rentenberechnung legte sie nach § 780 Reichsversicherungsordnung (RVO) den durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienst (JAV) für männliche Familienangehörige des Unternehmers von 4.770, -- DM (300fache des Ortslohnes der Ortslohngruppe II = 300 x 15,90 DM) zugrunde.
Mit der dagegen beim Sozialgericht (SG) Frankfurt/Main erhobenen Klage hat der Kläger die Zahlung eines Verletztengeldes bis zum 30. September 1967 sowie einer Rente nach einem höheren Grad der M.d.E. und einem höheren JAV begehrt. Das SG hat die Beklagte unter Änderung des angefochtenen Bescheides verurteilt, dem Kläger bis zum 30. September 1967 Verletztengeld gemäß den gesetzlichen Bestimmungen und ab 1. Oktober 1967 Rente nach einer M.d.E. von 25 v.H. wegen der im Gutachten vom 21. Juli 1971 festgestellten Unfallfolgen zu gewähren (Urteil vom 25. Oktober 1972). Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das SG hat als erwiesen angesehen, daß der Kläger bis zum 30. September 1967 infolge des Unfalls arbeitsunfähig war und in der Zeit danach in seiner Erwerbsfähigkeit um 25 v.H. gemindert ist. Die Berechnung der Rente nach dem durchschnittlichen JAV hat das SG für zutreffend gehalten; der Kläger sei mithelfender Familienangehöriger gewesen. Das SG hat sich dabei in tatsächlicher Hinsicht auf die Angaben der Mutter des Klägers über das Ausmaß der Mithilfe ihres Sohnes im Betrieb gestützt. Dagegen hat der Kläger beim Hessischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Während des Verfahrens hat die Beklagte durch Bescheid vom 24. Juni 1974 den Bescheid vom 5. August 1968 aufgehoben und dem Kläger ab 1. Oktober 1967 bis auf weiteres Rente nach einer M.d.E. von 25 v.H. gewährt. Der Rentenberechnung hat sie, wie schon zuvor, den für männliche Familienangehörige des Unternehmers geltenden durchschnittlichen JAV zugrunde gelegt. Der Kläger hat nur noch beantragt, die Beklagte zu verurteilen, seine Rente ab 1. Oktober 1967 gemäß § 573 Abs. 1 RVO nach dem JAV eines Lehrers an einer höheren Schule zu berechnen. Das LSG hat die Beklagte unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils und des Bescheides vom 24. Juni 1974 antragsgemäß verurteilt (Urteil vom 13. August 1975). Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Beklagte habe den Kläger zu Unrecht als mithelfenden Familienangehörigen angesehen; der JAV sei vielmehr nach § 573 Abs. 1 RVO zu berechnen. Aufgrund der Angaben des Klägers und seiner Mutter sowie der Bekundungen des Zeugen W… vom 8. August 1975 und der Erklärung des Schwagers M… des Klägers vom 16. Oktober 1974 sei erwiesen, daß der Kläger mit der Bewirtschaftung der Obstbäume nur vorübergehend und kurzfristig und auch nicht allein befaßt gewesen sei. Er habe lediglich während der Erntezeit in wechselndem Umfang geholfen. Die Auffassung der Beklagten, der Kläger habe als Stütze seiner Mutter und des landwirtschaftlichen Betriebes alle damit zusammenhängenden Arbeiten selbständig und in deren Auftrag erledigt, sei unzutreffend. Er sei daher kein im Unternehmen mitarbeitender Familienangehöriger im Sinne des § 780 Abs. 2 RVO gewesen. Für den Anspruch auf Neuberechnung des JAV nach § 573 Abs. 1 RVO komme es nicht darauf an, daß der Kläger den Unfall bei einer Tätigkeit erlitten habe, die mit seiner Berufsausbildung in keinem inneren Zusammenhang gestanden habe.
Durch Beschluß vom 27. Oktober 1976 hat das Bundessozialgericht (BSG) die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und wie folgt begründet: Das LSG hätte sich gedrängt fühlen müssen, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Die Antwort der Mutter des Klägers vom 20. August 1970 auf die Anfrage des SG vom 10. Juli 1970, ihre Aussage vor dem SG am 28. April 1971 und ihr vom Kläger mit Schriftsatz vom 19. Oktober 1974 vorgelegter Brief an das LSG vom 17. Oktober 1974 enthielten derart viele Ungereimtheiten, daß diese das LSG hätten veranlassen müssen, die Mutter des Klägers nochmals als Zeugin zu hören. In der Antwort an das SG habe die Mutter des Klägers ausgeführt, daß sie durch den Unfall ihres Sohnes gezwungen gewesen sei, auch an Sonntagen Obstpflücker zu beschäftigen. Zuvor habe ihr Sohn regelmäßig ganztägig allein oder mit einer Hilfe gearbeitet. Sie sei froh, daß ihr Sohn alle im Zusammenhang mit ihrem Betrieb anfallenden Arbeiten selbständig in ihrem Auftrag erledigt habe. Sie hätte ihm auch nicht 20.000,-- DM gegeben, wenn er nicht in dem angegebenen Umfang im Betrieb tätig gewesen wäre. Als Zeugin habe sie vor dem SG ausgesagt, daß ihr Sohn schon immer in der Ernte geholfen habe. Sie habe ihren Sohn wie eine fremde Arbeitskraft bezahlt. Die 20.000,-- DM seien allerdings kein Entgelt für die Tätigkeit ihres Sohnes im Obstbaubetrieb gewesen. Das Obstpflücken habe etwa 10 bis 12 Tage gedauert. In ihrem Brief habe die Mutter des Klägers dann ausgeführt, daß sie sich hinsichtlich der Ernteerträge, die sie beim SG angegeben habe, doch erheblich verschätzt habe. Der Umfang der Erntearbeiten sei erheblich geringer gewesen. Die meisten Äpfel seien abgeschüttelt und als Kelterobst verwendet worden. Ihr Sohn habe nicht nur keine persönliche Beziehung zu dem Obstbaubetrieb gehabt. sondern darin gerade die Ursache für die schlechte finanzielle Lage der Familie gesehen. Nach dem Tode ihres Ehemannes im Jahre 1960 habe sie nur eine Witwenrente von 82,50 DM monatlich erhalten. Ihren Lebensunterhalt bestreite sie seitdem aus Mieteinnahmen und einer kleinen Entlohnung für die Pflege der Wohnung und der Kleidung ihres Schwiegersohnes. Die Mutter des Klägers dürfte danach eigentlich nicht in der Lage gewesen sein, ihrem Sohn einen Betrag von 20.000,-- DM zur Verfügung zu stellen. Wenn sie es dennoch getan habe, könne dieses Geld nur den Einnahmen des Obstbaubetriebes entstammen und der Obstbaubetrieb könne nicht derart unbedeutend gewesen sein, wie er inzwischen zunehmend dargestellt werde. Schon aus diesen Umständen sei zu folgern, daß die Mutter des Klägers ein ansehnliches Obstbauunternehmen bewirtschaftet habe, und es wäre lebensfremd anzunehmen, daß sich der Kläger darum wenig oder gar nicht gekümmert habe. Nach eigenen Angaben halte sich der Kläger täglich bei seiner Mutter auf. Als alleiniger künftiger Erbe habe er sich mit Sicherheit um die Landwirtschaft so gekümmert, wie es erfahrungsgemäß unter den gegebenen Verhältnissen, der Fall sei. Wäre es anders, hätte die Mutter des Klägers in ihrer Antwort an das SG bewußt die Wahrheit gesagt. Das LSG habe trotz der widersprüchlichen Äußerungen der Mutter des Klägers diese über die Mitarbeit ihres Sohnes im Obstbaubetrieb nicht erneut als Zeugin vernommen, sondern statt dessen den Kläger gehört. Es sei jedoch unzulässig, die Vernehmung des Klägers als Beweismittel zu verwerten. Bei entsprechender Sachaufklärung hätte sich ergeben, daß der Kläger in den Jahren vor dem Unfall nicht nur kurzfristig und gelegentlich, sondern so tätig gewesen sei, wie es die Anwendung des § 780 RVO voraussetze. Gegen das angefochtene Urteil beständen aber auch rechtliche Bedenken. Hätte der Kläger den Unfall in seiner jetzigen Dienststellung als Lehrer an einer höheren Schule erlitten, käme für ihn als Beamten hinsichtlich der Berechnung des JAV § 576 RVO anstelle des § 573 RVO in Betracht. Nach § 576 RVO wäre im vorliegenden Fall Rente in Höhe des Betrages zu zahlen, der bei Vorliegen eines Dienstunfalles als Unfallausgleich zu gewähren wäre. Das würde einem JAV von 3.180,-- DM entsprechen anstatt eines JAV nach § 573 RVO von rund 20.000,-- DM. Zumindest ab Anstellung auf Lebenszeit und der damit weggefallenen gesteigerten wirtschaftlichen Schutzbedürftigkeit könne nicht gebilligt werden, daß der Kläger besser gestellt werde, als wenn er den Unfall als Beamter erlitten hätte. Das LSG habe zur Gewährung einer Rente ab 1. Oktober 1967 nach einem gemäß § 573 RVO zu berechnenden JAV verurteilt, ohne hinsichtlich des Zeitpunktes eine Begründung zu geben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des MG vom 13. Mast 1975 aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen,hilfsweise,das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er trägt vor, die nach Meinung der Beklagten widersprüchlichen Angaben seiner Mutter seien dadurch bedingt, daß der Unfall bereits bei der ersten Äußerung seiner Mutter vom 20. August 1970 fast vier Jahre zurückgelegen habe. Zudem sei seine Mutter eine alte Frau, die sich nicht mit ausreichender Genauigkeit an die damaligen Verhältnisse habe erinnern können. In einer nicht nochmaligen Anhörung seiner Mutter sei keine Verletzung der Sachaufklärungspflicht zu sehen. Das, was die Beklagte als landwirtschaftlichen Betrieb seiner Mutter bezeichne, sei nichts weiter als eine zusammengewürfelte Menge landwirtschaftlicher Einzelgrundstücke. Die Parzelle, auf der er 1966 verunglückt sei, habe seine Mutter an den Nachbarn W… verpachtet gehabt; ihr sei lediglich die Aberntung des Obstes vorbehalten gewesen. Da seiner Mutter die Bewirtschaftung der Einzelgrundstücke nach dem Tode seines Vaters nicht mehr möglich gewesen sei, habe Sie eine Reihe von Grundstücken verkauft. Wer sei der Betrag von 20.000,-- DM gekommen, den er von seiner Mutter erhalten habe. Dieser Betrag sei kein Indiz für die Größe, Bedeutung und Einnahmeträchtigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes. Er sei in diesem Betrieb kein ständig mitarbeitender Familienangehöriger gewesen. Das LSG habe zutreffend der Berechnung des JAV nach § 573 RVO nicht die fiktive Berechnung der Unfallrente für den Fall des Eintritts des Unfalls bei einem fest angestellten Studienrat nach § 576 RVO gegenübergestellt. Der Gesetzgeber habe gewiß nicht ohne Absicht die §§ 573 und 576 RVO ohne Forderung nach einer Gegenüberstellung nebeneinandergestellt. Er habe es offensichtlich nicht für angebracht gehalten, die Rechte eines verunglückten Studenten durch die Erwägungen aus § 576 RVO zu beschneiden.
Entscheidungsgründe
II.
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SG -).
Die Revision der Beklagten ist insofern begründet, als das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen war (§ 170 Nr. 2 Satz 2 SGG).
Das erstinstanzliche Urteil ist nur vom Kläger angefochten worden. Die Beklagte hat gegen ihre Verurteilung zur Gewährung von Verletztengeld bis zum 30. September 1967 und zur Zahlung einer Rente ab 1. Oktober 1967 nach einer M.d.E. von 25 v.H. kein Rechtsmittel eingelegt und sich der Berufung des Klägers auch nicht angeschlossen. Sie hat vielmehr den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 5. August 1968 durch den Bescheid vom 24. Juni 1974 aufgehoben und darin den Rentenanspruch des Klägers entsprechend dem erstinstanzlichen Urteil geregelt. Gegenstand des Berufungsverfahrens war daher nach §96 SGG lediglich der Bescheid vom 24. Juni 1974. Ihn hat der Kläger auch nur noch insoweit angefochten, als die Beklagte der Berechnung der ab 1. Oktober 1967 zu gewährenden Rente nach § 780 Abs. 2 RVO einen für männliche Familienangehörige geltenden durchschnittlichen JAV zugrunde gelegt hat.
Die einem Verletzten zu gewährende Rente ist eine Geldleistung, die gemäß § 581 Abs. 1 nach dem JAV berechnet wird. Für diesen gelten in der Regel die §§ 571 bis 578 RVO (hier noch in der bis zum Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches - Gemeinsamen Vorschriften - vom 23. Dezember 1976, BGBl. I 3845, geltenden Fassung). Im allgemeinen wird der JAV nach dem Arbeitseinkommen des Verletzten im Jahr vor dem Unfall berechnet (§ 571 Abs. 1 Satz 1 RVO). Dies gilt auch für die in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung versicherten Personen, jedoch mit der Ausnahme, daß für landwirtschaftliche Unternehmer, ihre Ehegatten und für die im Unternehmen mitarbeitenden Familienangehörigen des Unternehmers als JAV Durchschnittssätze festgesetzt werden (§ 780 RVO).
Der Bescheid vom 24. Juni 1974 ist hinsichtlich des der Rentenberechnung zugrunde gelegten JAV nur rechtmäßig, falls der Kläger den Arbeitsunfall am 29. September 1966 als im landwirtschaftlichen Unternehmen seiner Mutter mitarbeitender Familienangehöriger erlitten hat. Andernfalls, nämlich wenn er im Unternehmen seiner Mutter aufgrund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses beschäftigt (§ 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO) oder wie ein solcher Beschäftigter tätig war (§ 539 Abs. 2 RVO), ist der Bescheid rechtswidrig, weil in diesen Fällen als JAV keine Durchschnittssätze in Betracht kommen, sondern der JAV nach den §§ 571 bis 578 RVO berechnet worden muß.
Mit dem LSG ist der erkennende Senat der Auffassung, daß der Kläger den Unfall nicht als ein im landwirtschaftlichen Unternehmen seiner Mütter mitarbeitender Familienangehöriger erlitten hat.
Nach § 780 Abs. 2 RVO werden für die im Unternehmen mitarbeitenden Familienangehörigen des Unternehmens, soweit sie nicht nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO versichert sind, als JAV Durchschnittssätze festgesetzt. Als Familienangehörige gelten nach § 780 Abs. 3 Nr. 1 RVO u.a. Kinder des Unternehmers. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist als mitarbeitender Familienangehöriger im Sinne dieser Vorschrift ein Landwirtssohn anzusehen, der neben seiner hauptberuflichen Beschäftigung während seiner Freizeit in der elterlichen Landwirtschaft nicht nur vorübergehend, sondern regelmäßig, wenn auch nur nebenher und in geringem Umfang arbeitet (BSG SozR Nr. 1 zu § 780 RVO). Durch die regelmäßige Tätigkeit, mit welcher der Unternehmer ständig rechnen kann, unterscheidet sich der mitarbeitende Familienangehörige im Sinne des § 780 Abs. 2 RVO von einem Familienangehörigen, der nur vorübergehend etwa während der Ernte, im elterlichen landwirtschaftlichen Unternehmen beschäftigt wird (§ 787 RVO). Der Senat hat in diesem Zusammenhang bereits dargelegt, daß eine Tätigkeit von 21 Tagen im Jahr vor dem Arbeitsunfall ohne Rücksicht auf die tägliche Arbeitsdauer noch als eine vorübergehende Tätigkeit anzusehen ist.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das LSG zutreffend verneint, daß der Kläger zur Zeit des Arbeitsunfalles ein im landwirtschaftlichen Unternehmen seiner Mutter mitarbeitender Familienangehöriger im Sinne des § 780 Abs. 2 RVO war. Nach den Feststellungen des LSG hat der Kläger seiner Mutter nicht regelmäßig zur Verfügung gestanden, sondern lediglich während der Erntezeit in wechselndem Umfang mitgeholfen, wobei seine Tätigkeit auch nicht annähernd 21 Tage erreicht hat. Die von der Beklagten in Bezug auf die hiermit zusammenhängenden tatsächlichen Feststellungen vorgebrachten Rügen von Verfahrensmängeln greifen nicht durch.
Das LSG hat seine ihm nach § 103 SGG obliegende Sachaufklärungspflicht nicht verletzt. Es brauchte sich nicht gedrängt zu fühlen, die Mutter des Klägers nochmals als Zeugin zu vernehmen. Die Mutter des Klägers war schon bei ihrer Vernehmung durch das SG am 28. April 1971 von ihrer Darstellung über den Umfang der Mithilfe ihres Sohnes im landwirtschaftlichen Unternehmen in der Auskunft vom 20. August 1970 abgerückt. Das LSG hat daraus und aus den eingeholten Auskünften des J… W… vom 12. Oktober 1974, der einen Teil der Obstbaufläche als Gartenland gepachtet hatte und die Obstbäume pflegte, sowie der Auskunft des K…-J… M… vom 16. Oktober 1974 den Schluß ziehen können, daß der Kläger im Jahr vor dem Arbeitsunfall nicht regelmäßig im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Mutter tätig gewesen war, sondern lediglich während der Obsternte zusammen mit anderen Helfern gearbeitet hat. Die Mutter des Klägers hat bei ihrer Vernehmung am 28. April 1971 zudem erklärt, daß die ihrem Sohn gegebenen 20.000,-- DM nicht als Entgelt für die Mithilfe ihres Sohnes anzusehen seien, sondern für eine Eigentumswohnung im Hause ihres Sohnes bestimmt waren. Das LSG durfte auch den Sachvortrag des Klägers bei seiner Anhörung am 13. August 1975 für die Überzeugungsbildung berücksichtigen (BSG SozR Nr. 56 zu § 128 SGG). Denn es ist nach § 128 SGG verpflichtet, bei seiner Entscheidung das Gesamtergebnis des Verfahrens zu berücksichtigen. Dazu gehört auch der Sachvortrag eines Beteiligten, wenn er nach der Auffassung des Tatsachengerichts glaubhaft erscheint.
Der JAV für die dem Kläger zu gewährende Verletztenrente ist somit nach den §§ 571 bis 578 RVO zu berechnen.
Da der Kläger sich zur Zeit des Arbeitsunfalls nach den Feststellungen des LSG in einer Berufsausbildung zum Lehrer an höheren Schulen befunden hat, sind für die Berechnung des JAV der Zeitraum bis zur voraussichtlichen Beendigung der Berufsausbildung und der Zeitraum danach einer getrennten Beurteilung zu unterziehen. Für den ersten Zeitraum gilt ohne § 571 Abs. 1 RVO als JAV das Arbeitseinkommen des Verletzten im Jahr vor dem Arbeitsunfall. Für Zeiten, in denen der Verletzte im Jahre vor dem Arbeitsunfall kein Arbeitseinkommen bezogen hat, wird das Arbeitseinkommen zugrunde gelegt, das durch eine Tätigkeit erzielt wird, die der letzten Tätigkeit des Verletzten vor diesem Zeitraum entspricht. Ist er früher nicht tätig gewesen, so ist die Tätigkeit maßgebend, die er zur Zeit des Arbeitsunfalls ausgeübt hat. Über den Zeitraum vor der voraussichtlichen Beendigung der Berufsausbildung enthält das Urteil des LSG hinsichtlich der Arbeitseinkünfte des Klägers keinerlei Feststellungen. Diese wären allenfalls entbehrlich gewesen, wenn der Kläger ab 1. Oktober 1967, dem Zeitpunkt, von dem an ihm eine Verletztenrente zugesprochen worden ist, die Berufsausbildung ohne den Arbeitsunfall voraussichtlich schon abgeschlossen hätte. Darüber ist den tatsächlichen Feststellungen des LSG jedoch nichts zu entnehmen. Aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils geht lediglich hervor, daß der Kläger beim Erlaß des im Laufe des Verfahrens aufgehobenen Bescheides vom 5. August 1968 "inzwischen Studienreferendar geworden war". Nach der Rechtsprechung des BSG ist der Vorbereitungsdienst von Studienreferendaren als Berufsausbildung anzusehen (BSGE 36, 83, 84; 38, 216, 219; hinsichtlich des Vorbereitungsdienstes der Gerichtsreferendare BSGE 11, 278, 282; 17, 206, 208). Das LSG hätte daher feststellen müssen, bis zu welchem Zeitpunkt der Kläger ohne den Arbeitsunfall Studienreferendar gewesen wäre. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der JAV nach § 571 Abs. 1 RVO zu berechnen. Er beträgt nach § 575 Abs. 1 RVO jedoch mindestens das Dreihundertfache des Ortslohnes, der zur Zeit des Arbeitsunfalls für den Beschäftigungsort oder, wem ein solcher fehlt, für den Wohnort des Verletzten festgesetzt ist.
Für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung des Vorbereitungsdienstes des Klägers als Studienreferendar richtet sich die Berechnung des JAV grundsätzlich nach § 573 Abs. 1 RVO. Nach dieser Vorschrift ist der JAV, wenn sich der Verletzte zur Zeit des Arbeitsunfalls noch in einer Schul- oder Berufsausbildung befand, für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung neu zu berechnen, wenn das für den Berechtigten günstiger ist. Der neuen Berechnung ist das Entgelt zugrunde zu legen, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich ist. Zutreffend hat das MG darauf hingewiesen, daß der Anspruch auf Neuberechnung nach § 573 Abs. 1 RVO nicht davon abhängt, daß der noch in Schul- oder Berufsausbildung befindliche Versicherte den Arbeitsunfall bei einer Tätigkeit erlitten hat, die mit der Ausbildung in einem inneren Zusammenhang steht (BSGE 38, 216). § 573 Abs. 1 RVO enthält eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß die Verdienstverhältnisse des Verletzten im Jahr vor dem Arbeitsunfall für die Zukunft maßgebend bleiben und spätere Erwerbsaussichten nicht berücksichtigt werden (BSG SozR Nr. 7 zu § 565 RVO a.F.; BSGE 31, 38, 40; 38, 216, 218). Dieser Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, daß die zur Zeit des Arbeitsunfalls in einer Schul- oder Berufsausbildung Stehenden vom Zeitpunkt der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung an hinsichtlich der Berechnung des JAV so zu stellen sind, als ob sie den Unfall erst in diesem Zeitpunkt erlitten hätten (BSGE 38, 216, 218). Hiernach wäre der Berechnung des JAV des Klägers an sich das Entgelt zugrunde zu legen, das ein Lehrer an einer höheren Schule im Zeitpunkt der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung des Klägers nach dem dafür maßgebenden Besoldungsrecht erhalten hat.
Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß der Kläger das Ziel seiner Ausbildung, Lehrer an einer höheren Schule zu werden, erreicht hat. Im Urteil des LSG ist dies allerdings nicht festgestellt, jedoch hatte der Kläger schon im Berufungsverfahren vorgetragen, daß er seinen Beruf infolge des Unfalls erst ein Jahr später als beabsichtigt habe beginnen können; im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde hat er sich als Studienrat bezeichnet. Ein Studienrat ist im Land Hessen Beamter (vgl. Hess. Besoldungsgesetz vom 11. Oktober 1965 - GVBl. 237). Da der Kläger nach dem Sinn des § 573 Abs. 1 RVO so zu stellen ist, als habe er den Arbeitsunfall nach Beendigung seiner Berufsausbildung erlitten, rechtfertigt es sich, auch die besonderen, für Arbeitsunfälle von Beamten geltenden Vorschriften anzuwenden. Beamte erhalten bei Dienstunfällen in der Regel Unfallfürsorge, wozu u.a. ein Unfallausgleich und ein Unfallruhegehalt gehören (vgl. dazu das auch für Landesbeamte geltende Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG - vom 24. August 1976 - BGBl. I 2485). Erleidet ein Beamter, dem sonst Unfallfürsorge nach beamtenrechtlichen Vorschriften gewährleistet ist, einen Arbeitsunfall, für den ihm Unfallfürsorge nicht zusteht, so gilt nach § 576 Abs. 1 Satz 1 RVO als JAV der Jahresbetrag der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge, die der Berechnung eines Unfallruhegehaltes (§ 36 BeamtVG) zugrunde zu legen wären. Nach Satz 2 ist die Rente nur insoweit zu zahlen, als sie die Dienst- oder Versorgungsbezüge übersteigt; dem Verletzten verbleibt die Rente jedoch mindestens in Höhe des Betrages, der bei Vorliegen eines Dienstunfalles als Unfallausgleich (§ 35 BeamtVG) zu gewähren wäre. Diese Regelung stellt den bei einer außerdienstlichen Tätigkeit zu Schaden gekommenen Beamten demjenigen Beamten gleich, der einen Dienstunfall erlitten hat. Sie berücksichtigt, daß der Beamte, der trotz eines - dienstlichen oder außerdienstlichen - Unfalls dienstfähig bleibt, durch den Unfall im allgemeinen keine wirtschaftlichen Einbußen erleidet, da ihm nach den Grundsätzen des Beamtenrechts das ihm zustehende Gehalt in der bisherigen Höhe weiterzuzahlen ist. Ein anderer Verletzter, dessen Erwerbsfähigkeit durch einen Arbeitsunfall nicht unwesentlich gemindert ist, wird hingegen vielfach nur ein seiner beschränkten Erwerbsfähigkeit entsprechendes Arbeitseinkommen erzielen können. Dies rechtfertigt, einem durch Arbeitsunfall verletzten Beamten eine Rente nur insoweit zu zahlen, als sie seine Dienstbezüge übersteigt § 576 Abs. 1 Satz 1 RVO). In der Praxis fährt dies nur dann zur Zahlung einer Verletztenrente aus der Unfallversicherung, wenn die Dienstbezüge niedrig sind und eine schwere Unfallverletzung vorliegt, die einen Anspruch auf eine hohe Rente begründet. Nur wenn solche Umstände gegeben sind, ist allerdings auch die soziale Schutzbedürftigkeit zu bejahen. Die Unfallrente ist jedoch wenigstens in Höhe des bei einem Dienstunfall als Unfallausgleich zu gewährenden Betrages zu zahlen. Dieser entspricht der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz - BVG - (§ 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG). Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, ist § 576 Abs. 1 Satz 2 RVO, der Beamte gegenüber anderen Versicherten in gewisser Weise benachteiligt, mit dem Grundgesetz vereinbar (BSGE 22, 54). Der JAV des Klägers ist somit für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung der Berufsausbildung gemäß § 573 Abs. 1 RVO i.V.m. § 576 Abs. 1 RVO zu berechnen; nach dieser Vorschrift richtet sich auch, was dem Kläger als Rente zu zahlen ist. Die Berechnung des JAV für die Zeit nach Beendigung der Berufsausbildung ausschließlich gemäß § 573 Abs. 1 RVO nach dem Gehalt eines Studienrats und die sich daraus ergebende Zahlung einer Rente neben den Dienstbezügen eines Studienrats, würde die in dieser Vorschrift verwirklichte Zielvorstellung des Gesetzgebers, den während einer Berufsausbildung durch Arbeitsunfall verletzten Versicherten so zu stellen, als hätte er den Unfall erst nach Beendigung der Ausbildung erlitten, in das Gegenteil verkehren. Der Kläger würde nämlich besser gestellt, als wenn er den Arbeitsunfall erst nach Beendigung seiner Ausbildung zum Lehrer an einer höheren Schule (Studienrat) erlitten hätte, obwohl bei ihm als Beamten das soziale Schutzbedürfnis im Hinblick auf die ungeschmälerte Zahlung der Dienstbezüge ungleich geringer ist, als bei anderen Verletzten, die ihren angestrebten Beruf infolge des Arbeitsunfalls nicht erreichen oder ihn zwar erreichen, aber nur ein ihrer eingeschränkten Erwerbsfähigkeit entsprechend vermindertes Arbeitseinkommen erzielen können.
In der erneuten Verhandlung wird das LSG zunächst festzustellen haben, bis zu welchem Zeitpunkt der Kläger sich ohne den Arbeitsunfall voraussichtlich in Berufsausbildung befunden haben würde. Dabei ist die Zeit als Studienreferendar, wie bereits ausgeführt, noch als Berufsausbildung anzusehen. Liegt die voraussichtliche Beendigung der Berufsausbildung des Klägers nach dem 1. Oktober 1967, so hat das LSG über die Berechnung des JAV nach den §§ 571 bis 578 RVO für die Zeit vor und nach der voraussichtlichen Beendigung der Berufsausbildung getrennt zu entscheiden. Eine neue Berechnung des JAV für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung gemäß § 573 Abs. 1 RVO i.V.m. § 576 Abs. 1 RVO erfordert ferner die Feststellung, daß diese Berechnung zu einem günstigeren JAV führt als für die Zeit bis zum voraussichtlichen Ende der Berufsausbildung. Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.
Fundstellen