Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Aktenzeichen 12 A 11152/98) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. November 1998 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die auf die Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg.
Während das Verwaltungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Eingliederungshilfe unter Hinweis auf den Nachranggrundsatz (§ 2 BSHG) mit der Begründung verneint hat, sie sei verpflichtet gewesen, gegen den ablehnenden Bescheid der Bundesanstalt für Arbeit vom 20. Mai 1994 Widerspruch einzulegen und gegebenenfalls im Wege der einstweiligen Anordnung gerichtlichen Rechtsschutz durch die Sozialgerichte zu begehren, hat das Oberverwaltungsgericht insoweit ein Eingreifen des Nachranggrundsatzes verneint. Der noch nicht erfüllte Anspruch auf eine an sich vorrangige Sozialleistung stehe einer tatsächlich erhaltenen Hilfe nur gleich, wenn der Anspruch alsbald realisierbar sei. Ein Kostendeckungsanspruch der Klägerin gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit, welche einen dahin gehenden Anspruch mit Bescheid vom 25. Oktober 1995 bereits abgelehnt habe, könne zwar nicht ausgeschlossen werden, doch schließe ein solcher – vorrangiger – Anspruch den Anspruch auf Eingliederungshilfe gleichwohl nicht aus. Denn hierbei handele es sich, da sich die Bundesanstalt für Arbeit auch nach Einlegung von Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 25. Oktober 1995 bisher nicht zur Leistung bereit erklärt habe, um einen erst im Rechtswege zu erstreitenden Anspruch und damit nicht, wie in § 2 BSHG gefordert, um einen alsbald realisierbaren Anspruch. Auch sah die Berufungsinstanz die Voraussetzungen der Vorschrift des § 44 BSHG, welche den allgemeinen sozialhilferechtlichen Grundsatz, daß nur tatsächlich verfügbare bzw. alsbald realisierbare Mittel den Anspruch auf Sozialhilfe ausschlössen, für die Eingliederungshilfe besonders regele, als gegeben an.
Soweit die Beschwerde unter Hinweis auf den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Bremen vom 15. August 1985 – 2 B 80/85 – (FEVS 36, 133) der Meinung ist, die Klägerin hätte sich bemühen müssen, im sozialgerichtlichen Verfahren einstweiligen Rechtsschutz gegen den vorrangig verpflichteten Rentenversicherungsträger zu erlangen, wird damit die Frage als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfen, „ob ein erst im Rechtsweg zu erstreitender Anspruch die Verweisung auf den Nachranggrundsatz des § 2 BSHG ausschließt”.
Unter welchen – generellen – Voraussetzungen Ansprüche bzw. Rechte „bereite Mittel” sind, ist in der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich geklärt (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1977 – BVerwG 5 C 35.77 – ≪BVerwGE 55, 148, 152≫; Urteil vom 17. August 1995 – BVerwG 5 C 26.93 – ≪BVerwGE 99, 114, 118≫; weitere Hinweise auf die Senatsrechtsprechung im Beschluß des Senats vom 13. Mai 1996 – BVerwG 5 B 52.96 – ≪Buchholz 436.0 § 2 BSHG Nr. 20≫). Danach bedeutet die Notwendigkeit, Ansprüche bzw. Rechte „auf dem Klagewege”, mit Hilfe „gerichtlicher Schritte” oder „im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens” durchzusetzen, nicht von vornherein, daß sie nicht rechtzeitig realisierbar sind und damit als bereite Mittel ausscheiden. So ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, daß auch Ansprüche und Rechte, die der gerichtlichen Durchsetzung bedürfen, als bereite Mittel in Betracht kommen, vorausgesetzt die gerichtliche Durchsetzung ermöglicht eine rechtzeitige Bedarfsdeckung (vgl. Urteil vom 15. Dezember 1977, a.a.O. S. 152: daß Abhilfe „allenfalls im Wege eines langwierigen Rechtsmittelverfahrens möglich ist”, genügt als bereites Mittel nicht; Urteil vom 5. Mai 1983 – BVerwG 5 C 112.81 – ≪BVerwGE 67, 163, 167≫: als bereite Mittel sind Ansprüche berücksichtigungsfähig, die „im Wege der einstweiligen Verfügung” alsbald durchgesetzt werden können).
Auf die Anspruchsdurchsetzung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes kann ein Sozialhilfeempfänger demnach nur verwiesen werden, wenn der damit erwartete Rechtsschutz für die Bedarfsdeckung rechtzeitig erlangt werden kann. Die Frage, ob und wann dies der Fall ist, ist nach alledem keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern betrifft die richtige Anwendung bereits geklärter Rechtsgrundsätze im Einzelfall. So liegt es auch hier.
Der weiter als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Frage, „ob ein Sozialhilfeträger auch dann zur vollstationären Hilfegewährung als Eilfall i.S.v. § 44, 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG verpflichtet ist, wenn der Hilfesuchende keinen Versuch zur Realisierung vorrangiger Rehabilitationsansprüche unternimmt und die Betreuungsmaßnahmen durch die Einrichtung bereits im wesentlichen beziehungsweise vollständig erbracht worden sind”, liegt eine unzutreffende Wiedergabe des im Urteil des Berufungsgerichts festgestellten Sachverhalts zugrunde, wonach die Klägerin durchaus versucht hat, den möglichen Kostendeckungsanspruch gegen die Bundesanstalt für Arbeit zu realisieren; die Entscheidungserheblichkeit der als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Frage ist dadurch nicht dargelegt. Es stimmt mit den Feststellungen in dem angefochtenen Urteil auch nicht überein, wenn die Beschwerde vorträgt, die Leistungspflicht der Bundesanstalt für Arbeit stehe fest und sei nicht ungeklärt; in dem angefochtenen Urteil wird der Anspruch der Klägerin gegen die Bundesanstalt für Arbeit lediglich als nicht ausgeschlossen bezeichnet (S. 7 des Urteils).
Auch die unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 5. Mai 1983 (a.a.O.) erhobene Divergenzrüge greift nicht durch. Die Beschwerde hat insoweit nicht ein Abweichen des angefochtenen Urteils in einem tragenden Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts dargelegt, sondern will den in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts enthaltenen Rechtssatz, daß ein Hilfesuchender sich auf den Mangel an „bereiten Mitteln” nicht berufen kann, der „ausdrücklich erklärt, einen ihm zustehenden Anspruch, dessen Erfüllung die Notlage zu beheben geeignet erscheint, nicht durchsetzen zu wollen”, auch auf den Fall „andauernden Untätigbleibens” übertragen wissen. Damit wird eine Divergenz nicht dargelegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Franke
Fundstellen