OFD Karlsruhe, Verfügung v. 30.9.2013, S 130.1/704 - St 216
Anwendung der BFH-Urteile vom 11.11.2009, I R 84/08 (BStBl 2010 II S. 390) und vom 17.3.2010, I R 69/08 (BFH/NV 2010 S. 1634)
Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich findet auf Arbeitnehmer Anwendung, die im Grenzgebiet des einen Staates ihre Tätigkeit ausüben und im Grenzgebiet des anderen Staates ihren Wohnsitz haben, zu dem sie in der Regel jeden Tag zu rückkehren (Grenzgänger). Das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit steht in diesen Fällen – abweichend von Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich – ausschließlich dem Wohnsitzstaat zu.
Mit dem französischen Wirtschafts- und Finanzministerium ist am 16.2.2006 eine Verständigungsvereinbarung (BMF vom 3.4.2006, IV B 6 – S 1301 FRA – 26/06, BStBl 2006 I S. 304) zur Anwendung dieser Grenzgängerregelung geschlossen worden. Diese wurde sinngemäß durch die Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der französischen Republik (KonsVerFRAV) vom 20.12.2010 (BGBl 2010 I S. 2138) mit Zustimmung des Bundesrates in einfaches Gesetzesrecht transformiert.
Zur Anwendung der Grenzgängerregelung nach dem DBA-Frankreich hat außerdem der BFH mit seinen o.g. Urteilen Stellung bezogen. Dabei wird die Verständigungsvereinbarung (a.a.O.) grundsätzlich bestätigt, jedoch insbesondere im Hinblick auf die Zählweise der Nichtrückkehrtage abweichend zur bisherigen Verwaltungsauffassung ausgelegt. Sowohl das Inkrafttreten der KonsVerFRAV als auch die aktuelle BFH-Rechtsprechung wurde nachfolgend berücksichtigt.
Im Einzelnen ist bei der Besteuerung von Grenzgängern i.S.d. Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich Folgendes zu beachten:
1. Tätigkeiten im Ansässigkeitsstaat
Auch Tätigkeiten im Grenzgebiet des Ansässigkeitsstaates des Arbeitnehmers gelten als innerhalb des Grenzgebiets ausgeübt. Folglich sind grundsätzlich nur ganze Tätigkeitstage außerhalb des deutschen oder französischen Grenzgebiets als schädliche Nichtrückkehrtage zu zählen.
2. Transferreisen innerhalb des Grenzgebiets
Die Ausübung einer Tätigkeit im Grenzgebiet ist vom Steuerpflichtigen nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen. Die mit Dienstreisen verbundene Reisetätigkeit innerhalb des Grenzgebiets ist unbeachtlich, da sie – als bloßer Transfer – der Tätigkeit des Arbeitnehmers außerhalb des Grenzgebiets zuzuordnen ist.
3. Arbeitstage
Als Nichtrückkehrtage kommen nur Arbeitstage des Arbeitnehmers in Betracht. Dazu gehören alle vertraglich vereinbarten Arbeitstage sowie alle weiteren Tage, an denen der Arbeitnehmer seine Tätigkeit tatsächlich ausübt.
Samstage, Sonntage und gesetzliche Feiertage können damit – ebenso wie Urlaubstage – keine Nichtrückkehrtage sein, soweit der Arbeitnehmer an diesen Tagen weder dienstliche Tätigkeiten verrichtet noch vertraglich zur Arbeit verpflichtet ist.
Krankheitstage sind keine Arbeitstage und führen auch während einer mehrtägigen Dienstreise zu keinen Nichtrückkehrtagen.
Im Gegensatz zu Urlaubs- und Krankheitstagen handelt es sich bei Tagen, an denen infolge höherer Gewalt keine Arbeitsleistung erbracht wird, um Arbeitstage des Arbeitnehmers, da auch in diesen Fällen eine vertragliche Verpflichtung zur Arbeit besteht (vgl. BFH vom 11.11.2009, I R 84/08, a.a.O., RdNr. 32). Für die Frage, ob derartige Tage zu den schädlichen Nichtrückkehrtagen zu zählen sind, ist allein die Tatsache entscheidend, dass sich der Grenzgänger aus beruflichen Gründen außerhalb des Grenzgebiets aufhält.
4. Eintägige Dienstreisen
Eintägige Dienstreisen außerhalb des Grenzgebiets führen zu Nichtrückkehrtagen, wenn der Arbeitnehmer an diesen Tagen nicht zugleich innerhalb des Grenzgebiets gearbeitet hat. Ein Nichtrückkehrtag wird damit bereits durch kurzzeitige Tätigkeiten des Arbeitnehmers innerhalb des Grenzgebiets ausgeschlossen.
5. Mehrtägige Dienstreisen
Nach einem bundeseinheitlichen Beschluss der Finanzverwaltung wurde bei mehrtägigen Dienstreisen eine abweichende Zählweise von Nichtrückkehrtagen zum einen für die Veranlagungszeiträume bis 2009 und zum anderen für die Veranlagungszeiträume ab 2010 festgelegt:
5.1 Zählweise von Nichtrückkehrtagen bis einschließlich VZ 2009
Hin- und Rückreisetage sind bei mehrtägigen Dienstreisen grundsätzlich als Nichtrückkehrtage zu zählen. Jedoch kann ein Nichtrückkehrtag nach Tz. B.2 der Verständigungsvereinbarung nur dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer entweder nicht an seinen Wohnsitz zurückkehrt oder für seinen Arbeitgeber ausschließlich außerhalb des Grenzgebiets tätig ist. Im Einzelnen ist bei Hin- und Rückreisetagen bis zum VZ 2009 Folgendes zu beachten:
- Hat der Arbeitnehmer am Hinreisetag zunächst dienstliche Tätigkeiten im Grenzgebiet verrichtet und ist er erst nach der Rückkehr an seinen Wohnsitz zu einer Dienstreise außerhalb des Grenzgebiets aufgebrochen, so liegt kein Nichtrückkehrtag vor.
- Hat der Arbeitnehmer am Rückreisetag im Anschluss an die Dienstreise eine Tätigkeit im Grenzgebiet ausgeübt, so liegt kein Nichtrückkehrtag vor.