Zusammenfassung
Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll erwerbsfähige Leistungsberechtigte bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützen und den Lebensunterhalt sichern, soweit sie ihn nicht auf andere Weise bestreiten können. Dies ist als Ziel in § 1 Abs. 2 Satz 2 SGB II geregelt. Damit die Jobcenter dieses Ziel gemeinsam mit den Leistungsberechtigten erreichen können, ist es wichtig, dass die Leistungsberechtigten für die Jobcenter erreichbar sind. Das gilt besonders für die Übermittlung von Angeboten zur Eingliederung sowie die Möglichkeit, Arbeits- und Eingliederungsangebote im näheren Bereich der aktuellen Wohnung wahrzunehmen. Deshalb liegt Erreichbarkeit vor, wenn sich erwerbsfähige Leistungsberechtigte im näheren Bereich des zuständigen Jobcenters aufhalten und werktäglich dessen Mitteilungen und Aufforderungen zur Kenntnis nehmen können.
Mit Inkrafttreten des 2. Teils des Bürgergeld-Gesetzes zum 1.7.2023 wurde auch das Erreichbarkeitsrecht im SGB II neu geregelt. Es besteht zum einen aus § 7b SGB II, der die wesentlichen Festlegungen enthält. Zudem enthält § 13 Abs. 3 SGB II die Ermächtigung für das BMAS, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates nähere Bestimmungen zum näheren Bereich i. S. d. § 7b Abs. 1 Satz 2 SGB II zu treffen sowie dazu, für welchen Zeitraum und unter welchen Voraussetzungen erwerbsfähige Leistungsberechtigte bei einem Aufenthalt außerhalb des näheren Bereichs einen Leistungsanspruch haben können, ohne erreichbar zu sein. Die "Erreichbarkeits-Verordnung (ErrV)" ist am 8.8.2023 in Kraft getreten.
1 Aufenthalt im näherer Bereich
Der Aufenthalt im näheren Bereich ist eine der beiden Voraussetzungen für das Vorliegen von Erreichbarkeit. Nach der gesetzlichen Definition liegt ein Aufenthalt im näheren Bereich vor, wenn es den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten möglich ist, eine Dienststelle des zuständigen Jobcenters, einen möglichen Arbeitgeber oder den Durchführungsort einer Integrationsmaßnahme im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Jobcenters in einer für den Vermittlungsprozess angemessenen Zeitspanne und ohne unzumutbaren oder die Eigenleistungsfähigkeit übersteigenden Aufwand aufzusuchen. Dabei schließt der nähere Bereich auch einen Bereich im grenznahen Ausland ein.
Als Dienststelle gilt dabei die im Einzelfall für die Eingliederung zuständige Dienststelle des örtlich zuständigen Jobcenters. Diese Dienststelle muss vom Aufenthaltsort der leistungsberechtigten Person aus innerhalb von 2,5 Stunden erreicht werden können (einfache Wegstrecke). In diesem Fall geht das Jobcenter davon aus, dass dies auch im Rahmen der Eigenleistungsfähigkeit möglich ist.
Längere Wegezeiten
Sofern in einer Region aufgrund örtlicher Gegebenheiten längere Wegezeiten als 2,5 Stunden erforderlich ist (z. B. wenn der öffentliche Nahverkehr nur wenige Verbindungen aufweist), erkennt das Jobcenter im Einzelfall eine längere Zeitspanne als angemessen an.
Zum näheren Bereich gehört auch ein Bereich im grenznahen Ausland. Hier zählt aber nicht die Fahrtdauer. Zum näheren Bereich zählt aber der Bereich, der sich von der Grenze der Bundesrepublik Deutschland in einer Tiefe von 30 km in das ausländische Hoheitsgebiet erstreckt.
2 Möglichkeit der werktäglichen Kenntnisnahme
Für einen möglichst reibungslosen Kontakt zwischen Jobcenter und Leistungsberechtigten ist vorgesehen, dass die Leistungsberechtigten sicherstellen müssen, dass sie Mitteilungen und Aufforderungen des zuständigen Jobcenters werktäglich zur Kenntnis nehmen können. Das muss nicht persönlich sein; es reicht aus, wenn die Kenntnisnahme durch Dritte erfolgt (z. B. wenn der Nachbar den Briefkasten leert) und die oder der Dritte die Informationen an die leistungsberechtigte Person weitergibt.
Werktage sind die Wochentage Montag bis Samstag. Gesetzliche Feiertage sind ausgenommen. Für Abwesenheiten, die nur das Wochenende betreffen, gibt es eine Sonderregelung: Hier können Mitteilungen und Aufforderungen, die samstags zugehen, auch vor Beginn des nächsten Werktags zur Kenntnis genommen werden. Damit ist kein Antrag auf Abwesenheit erforderlich.
Personen ohne festen Wohnsitz
Für Personen ohne festen Wohnsitz gilt die besondere Regelung, dass es ausreicht, wenn diese die zuständige Dienststelle des Jobcenters 1x pro Leistungsmonat persönlich aufsuchen. Außerdem muss mitgeteilt werden, auf welchem Weg eine Kontaktaufnahme möglich ist.
3 Aufenthalt außerhalb des näheren Bereichs
Sofern sich erwerbsfähige Leistungsberechtigte außerhalb des näheren Bereichs aufhalten wollen, wird unterschieden, ob dafür ein wichtiger Grund vorliegt oder nicht. Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ist der auswärtige Aufenthalt in der Regel möglich.
3.1 Abwesenheit aus wichtigen Gründen
Während eines Aufenthalts außerhalb des näheren Bereichs wegen eines wichtigen Grundes besteht weiter ein Leistungsanspruch, wenn das Jobcenter dem Aufenthalt zugestimmt hat.
Die nachfolgenden wichtigen Gründe sind in Gesetz und Verordnung aufgeführt. Die Aufzählung ist aber nicht abschließend. Es ist also möglich, dass das Jobcenter auch andere Gründe für eine Abwesen...