Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Kindergeld: Erstattungsanspruch eines Sozialleistungsträgers nach Gewährung von Leistungen gemäß AsylbLG für Kinder eines Kindergeldberechtigten, die mit diesem nicht zusammen in einem Haushalt leben
Leitsatz (amtlich)
1. Es besteht ein Erstattungsanspruch i. S. § 74 Abs. 2 EStG des Trägers, der Kindern eines Kindergeldberechtigten, die nicht in dessen Haushalt leben, Leistungen nach AsylbLG gewährt.
2. Sachleistungen nach AsylbLG sind mit der Geldleistung Kindergeld i. S. von § 104 SGB X gleichartig.
Normenkette
EStG 2010 § 74 Abs. 2; SGB X § 104 Abs. 1-2, § 107 Abs. 1; AsylbLG § 9 Abs. 3; SGB XII § 82 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Kindergeldanspruch des Klägers durch Erstattung an einen Träger von Sozialleistungen erfüllt ist.
Der Kläger ist infolge Einbürgerung seit dem ... 2004 deutscher Staatsangehöriger.
Er ist leiblicher Vater des am ... 2005 in A geborenen B sowie der am ... 2006 in A geborenen C, die nicht in seinem Haushalt, sondern im Haushalt der Kindesmutter lebten.
Die Kindesmutter, D, ist nigerianische Staatsangehörige. Von ... 2006 bis zum ... 2009 war sie gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) geduldet, vom ... 2009 bis zum ... 2010 war sie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG.
Die Kindesmutter erhielt seit Januar 2006 für sich und die beiden Kinder Leistungen des Beigeladenen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ohne Anrechnung von Kindergeld. Im Einzelnen leistete der Beigeladene für das Kind B von Januar 2006 und für das Kind C ab Mai 2006 monatlich jeweils 117,60 EUR an Geldleistungen, ab November 2008 jeweils 211 EUR monatlich und ab Juli 2009 bis einschließlich August 2010 jeweils 215 EUR monatlich. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Bescheide des Beigeladenen über die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG verwiesen. Des Weiteren leistete der Beigeladene im Jahr 2006 Krankenhilfe für das Kind B in Höhe von insgesamt 227,58 EUR (Januar: 148,44 EUR; März: 40,38 EUR, Mai: 28,44 EUR, Oktober: 3,63 EUR, Dezember: 6,69 EUR) und für das Kind C in Höhe von insgesamt 96,08 EUR (Mai: 36,97 EUR, Juni: 54,81 EUR, Juli: 4,30 EUR). Im März 2007 erbrachte der Beigeladene Krankenhilfeleistungen in Höhe von 10,02 EUR für das Kind B. Kosten der Unterkunft für die beiden Kinder erbrachte der Beigeladene als Sachleistung. Die von dem Beigeladenen hierfür getragenen Kosten betrugen bis zum 31.10.2007 täglich 7,59 EUR pro Person und ab dem 01.11.2007 täglich 8,30 EUR pro Person.
Der Kläger beantragte bei der Beklagten am 01.11.2010 Kindergeld für die beiden Kinder. Der Beigeladene machte am 06.12.2010 bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe des seit Januar 2006 bis August 2010 für das Kind B sowie in Höhe des seit Mai 2006 bis August 2010 für das Kind C bestehenden Kindergeldanspruchs in Höhe von insgesamt 17.352 EUR geltend.
Mit Bescheid vom 08.12.2010 setzte die Beklagte Kindergeld für das Kind B von Januar 2006 bis August 2010 sowie für das Kind C von Mai 2006 bis August 2010 fest. Der Kindergeldanspruch für das Kind B für das Jahr 2005 sei verjährt. Zugleich teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Kindergeldanspruch in Höhe von insgesamt 17.352 EUR nach § 74 Abs. 2 EStG in Verbindung mit (i. V. m.) § 107 des Sozialgesetzbuches (SGB) Zehntes Buch (X) als erfüllt gelte.
Gegen den Bescheid vom 08.12.2010 legte der Kläger am 11.12.2010 Einspruch ein. Die Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 05.01.2011 zurück.
Am 05.02.2011 erhob der Kläger Klage. Er ist der Auffassung, dass für das Kind B Kindergeld für die Zeit von Juli 2005 bis Dezember 2005 festzusetzen sei. Die Festsetzung habe wegen höherer Gewalt nicht innerhalb der letzten sechs Monate des Fristablaufes erfolgen können, da es über fünf Jahre gedauert habe, bis die deutsche Staatsbürgerschaft der beiden Kinder festgestellt worden sei. Vor Feststellung der deutschen Staatsbürgerschaft der beiden Kinder habe ein Kindergeldantrag des Klägers keine Aussicht auf Erfolg geboten. Es bestehe kein Erstattungsanspruch des Beigeladenen. Die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz seien an die nicht kindergeldberechtigte Kindesmutter erbracht worden. Die Sozialleistungen, die zu einem Erstattungsanspruch führten, müssten jedoch nach Auffassung des Klägers an den Kindergeldberechtigten erbracht werden. Der Kläger leiste zudem Naturalunterhalt für die Kinder in ausreichender und vollständiger Form.
Mit Bescheid vom 21.09.2011 hat die Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 08.12.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.01.2011 in der Weise geändert, dass der Kindergeldanspruch des Klägers infolge Erstattung an den Beigeladenen in Höhe von 17.256,08 EUR als erfüllt gilt.
Der Kläger beantragt nach Aktenlage,
den Bescheid der Beklagten vom 21.09.2011 über die Erfüllung des Kindergeldanspruchs des Klägers für die Kinder...