3.1

Inhaltlich gehen Gutachten auf die Frage ein, inwieweit und wie die in § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 SGB IX angesprochenen Ziele für behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen im Einzelfall verwirklicht werden können. Hierfür ist das Teilhabepotenzial individuell zu ermitteln, und zwar mit einer Prognose der Entwicklung, die bei einer bestmöglichen Förderung und Nutzung aller Ressourcen und Kompetenzen der Betroffenen erreichbar wäre. Notwendig sind Leistungen zur Teilhabe, wenn sie zum Erreichen der in § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 SGB IX angesprochenen Ziele geeignet sind und kein anderer, sinnvoller Weg, diese Ziele zu erreichen, gegeben ist.

 

3.2

Der Begutachtung wird der bio-psycho-soziale Ansatz des Konzepts der funktionalen Gesundheit und Behinderung der "International Classification of Functioning, Disability and Health" (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zugrundegelegt. Hierbei werden die Komponenten der Funktionsfähigkeit bzw. Behinderung in ihrer Wechselwirkung unter besonderer Beachtung des gesamten Lebenshintergrundes des behinderten Menschen beschrieben.[1] Integrativ sind Krankheiten (im Sinne der ICD) und krankheitsbedingte Gefährdungs- und Belastungsfaktoren zu berücksichtigen.

 

3.3

Um einen bestmöglichen Erfolg im Sinne der Teilhabe am gesellschaftlichen, insbesondere beruflichen Leben, zu erreichen, umfassen Leistungen zur Teilhabe einen ganzheitlichen Ansatz, der über das Erkennen, Behandeln und Heilen einer Krankheit hinaus die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Gesundheitsproblemen einer Person – beschrieben in Form von Schädigungen der Körperfunktionen und Körperstrukturen, Beeinträchtigungen der Aktivitäten sowie der Teilhabe – und ihren Kontextfaktoren berücksichtigt. Dies erfordert insbesondere die umfassende Berücksichtigung der Kontextfaktoren in Bezug auf Person und Umwelt als Voraussetzung für den angestrebten Rehabilitationserfolg.

 

3.4

Im Rahmen der gutachterlichen Klärung der Notwendigkeit und der Zielsetzung einer Leistung zur Teilhabe sind u.a. folgende Kriterien sozialmedizinisch zu prüfen:

Rehabilitationsbedürftigkeit im trägerübergreifenden Sinn

Rehabilitationsbedürftigkeit bezieht sich auf eine gesundheitlich bedingte drohende oder bereits manifeste Beeinträchtigung der Teilhabe, die über die kurative Versorgung hinaus den mehrdimensionalen und interdisziplinären Ansatz der Rehabilitation erforderlich macht.

Dabei bezieht sich das gesundheitliche Problem auf die Schädigungen der Körperfunktionen und Körperstrukturen und die Beeinträchtigungen der Aktivitäten unter Berücksichtigung der Kontextfaktoren.

Rehabilitationsfähigkeit im trägerübergreifenden Sinn

Der Begriff der Rehabilitationsfähigkeit bezieht sich auf die somatische und psychische Verfassung des behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen (z. B. Motivation bzw. Motivierbarkeit und Belastbarkeit) für die Inanspruchnahme einer geeigneten Leistung zur Teilhabe.

Rehabilitationsprognose im trägerübergreifenden Sinn

Die Rehabilitationsprognose ist eine sozialmedizinisch begründete Wahrscheinlichkeitsaussage für den Erfolg der Leistung zur Teilhabe

  • auf der Basis der Erkrankung, des bisherigen Verlaufs, des Kompensationspotentials/ der Rückbildungsfähigkeit unter Beachtung und Förderung individueller Ressourcen (Rehabilitationspotential einschließlich psychosozialer Faktoren)
  • über die Erreichbarkeit des festgelegten Teilhabeziels
  • durch eine geeignete Leistung zur Teilhabe
  • in einem notwendigen Zeitraum.
 

3.5

Trägerspezifische Aufgaben zur Erreichung der Teilhabeziele

Leistungen zur Teilhabe zielen vorrangig

  • in der Krankenversicherung darauf, eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,
  • in der Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte darauf, den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern,
  • in der Unfallversicherung darauf, den durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen, zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten oder seine Folgen zu mildern, den Versicherten auch dadurch möglichst auf Dauer beruflich und sozial einzugliedern,
  • in der Arbeitsförderung darauf, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlichen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen, um die Erwerbsfähigkeit behinderter Menschen zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern,
  • in der Sozial- und Jugendhilfe darauf, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die von ein...

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