[Ohne Titel]

Für alle Rehabilitationsträger sind eine umfassende sozialmedizinische und bei Bedarf auch psychologische Begutachtung[1] über die Gesundheitsprobleme[2] von behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen und die mögliche Prognose einschließlich beruflicher Perspektive wichtig, um den betroffenen Menschen entsprechende Leistungen zur Teilhabe anbieten zu können.

Da vermeidbare Begutachtungen die betroffenen Menschen unnötig belasten, sollen Gutachten grundsätzlich so gestaltet sein, dass die erhobenen Befunde und Beurteilungen möglichst auch bei der Prüfung der Voraussetzungen für Leistungen anderer Rehabilitationsträger verwendet werden können.

Mit der Gemeinsamen Empfehlung werden vorrangig trägerübergreifende Grundsätze für Begutachtungen vereinbart. Die sozialrechtlichen Rahmenbedingungen und damit verbundenen Verfahren ergeben sich insbesondere aus dem SGB IX bzw. den weiteren vereinbarten Gemeinsamen Empfehlungen; sie sind nicht Gegenstand dieser Gemeinsamen Empfehlung. Mit der ICF als Grundlage für ein bio-psycho-soziales Verständnis bei Begutachtungen gelingt über den bio-medizinischen Ansatz hinaus eine ganzheitliche Betrachtungsweise aller sozialmedizinisch relevanten Aspekte einer Person in ihrem jeweiligen Umfeld. Unter Berücksichtigung des Begutachtungsauftrages und weiterer trägerspezifischen Anforderungenfolgen daraus eine flexible Anwendung und Übertragung der entwickelten Grundsätze auf die jeweilige Begutachtungssituation.

Zu diesem Zweck vereinbaren

die gesetzlichen Krankenkassen,

die Bundesagentur für Arbeit,

die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,

die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung,

die Träger der Alterssicherung der Landwirte,

die Träger der Kriegsopferversorgung und die Träger der Kriegsopferfürsorge im Rahmen des Rechts der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden

sowie

die Integrationsämter in Bezug auf Leistungen und sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen

die nachfolgende Gemeinsame Empfehlung. Im Rahmen der Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger sollen Begutachtungen möglichst nach einheitlichen Grundsätzen durchgeführt werden. Die Gemeinsame Empfehlung sieht für die sozialmedizinischen Gutachten eine einheitliche Gliederung vor und beschreibt ein in Abhängigkeit von der Fragestellung grundsätzlich mögliches Anforderungsprofil bzw. die trägerübergreifenden Aspekte eines Gutachtens für die jeweiligen Rehabilitationsträger.

[1] Im Weiteren unter sozialmedizinische Gutachten subsumiert.
[2] Die Gemeinsame Empfehlung nutzt die ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit) als gemeinsame Sprache für die Beschreibung trägerübergreifender Grundsätze.

1. Allgemeiner Zweck der Begutachtung für die Rehabilitationsträger

Das Gutachten des/der Sachverständigen[1] soll einen bestimmten entscheidungserheblichen sozialmedizinischen Sachverhalt klären und dem Rehabilitationsträger als eine Grundlage für die Entscheidung über die Leistungen zur Teilhabe dienen.

[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird nachfolgend nur jeweils die männliche Form verwendet.

2. Erstattung des Gutachtens

 

2.1

Grundsätzlich lässt sich das Gutachten im Sinne dieser Empfehlung definieren als die Anwendung medizinischer Erkenntnisse und Erfahrungen auf einen Einzelfall im Hinblick auf eine aus rechtlichen Gründen notwendige Fragestellung. Wesentliches Merkmal eines Gutachtens ist, dass es eine wissenschaftlich begründbare Schlussfolgerung enthält, so dass es auch überprüft und nachvollzogen werden kann. Soweit der Gutachter eine weitere Sachaufklärung (z. B. in einem anderen Fachgebiet) für erforderlich hält, weist er in seinem Gutachten darauf hin.

 

2.2

Gutachten können auch ohne aktuelle persönliche Untersuchung und Befragung durch den Gutachter, also nach Aktenlage auf der Grundlage der vorhandenen Unterlagen erstellt werden, wenn bereits daraus die für die Schlussfolgerungen notwendigen Angaben und Befunde ermittelt werden können. Die qualitativen Anforderungen an beide Begutachtungsformen sind gleich.

 

2.3

Das Gutachten muss für seinen Bestimmungszweck geeignet sein und die Fragen des Auftraggebers umfassend beantworten. Besondere Qualitätskriterien des Gutachtens sind sachliche Richtigkeit, Verständlichkeit, Nachvollziehbarkeit, Transparenz und die Erstellung durch einen fachlich unabhängigen und unparteilichen Gutachter.

 

2.4

Im Gutachten sind die maßgeblichen Beurteilungsgrundlagen und die nachfolgend dargestellten trägerübergreifenden sozialmedizinischen Aspekte mitsamt den eigenen Erhebungen und Untersuchungsergebnissen abzuhandeln. Das Gutachten soll grundsätzlich nach der unter Punkt 4 vereinbarten Gliederung aufgebaut sein.

3. Allgemeine inhaltliche Grundsätze für die Gutachtenerstellung

 

3.1

Inhaltlich gehen Gutachten auf die Frage ein, inwieweit und wie die in § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 SGB IX angesprochenen Ziele für behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen im Einzelfall verwirklicht werden können. Hierfür ist das Teilhabepotenzial individuell zu ermitteln, und zwar mit einer Prognose der Entwicklung, die bei einer bestmöglichen Förderung und Nutzung aller Ressourcen und Kompetenzen der Betroffene...

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