[Vorspann]

Diese Gemeinsame Empfehlung regelt, unabhängig vom zuständigen Rehabilitationsträger, in welchen Fällen und in welcher Weise rehabilitationsbedürftigen Menschen notwendige Leistungen zur Teilhabe angeboten werden sollen. Ziel ist es, frühestmöglich einen Teilhabebedarf zu erkennen, insbesondere um eine durch Chronifizierung von Erkrankungen bedingte Behinderung zu verhindern und Leistungen zur Teilhabe einzuleiten. Durch frühzeitiges Erreichen der rehabilitationsbedürftigen Menschen können vorhandene Rehabilitationschancen sowie die Motivation zur Inanspruchnahme von Teilhabeleistungen optimal genutzt und unterstützt werden, um mit geeigneter Intervention einen größtmöglichen Erfolg zu erzielen. Dabei kommt der Selbstbestimmung der betroffenen Menschen und ihrer Mitwirkung eine besonders große Bedeutung zu.

Hierzu vereinbaren

die gesetzlichen Krankenkassen,

die Bundesagentur für Arbeit,

die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,

die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung,

die Träger der Alterssicherung der Landwirte,

die Träger der Kriegsopferversorgung und die Träger der Kriegsopferfürsorge im Rahmen des Rechts der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden

sowie die Integrationsämter in Bezug auf Leistungen und sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen,

die nachfolgende Gemeinsame Empfehlung.

§ 1 Grundsätze

 

(1) Damit rehabilitationsbedürftige Menschen die erforderlichen Leistungen zur Teilhabe so rechtzeitig wie möglich erhalten, ist es erforderlich, dass alle am Verfahren Beteiligten i.S.d. § 3 erste Anzeichen eines möglichen Bedarfs an Leistungen zur Teilhabe frühzeitig erkennen.

 

(2) Zur Unterstützung der Erkennung eines möglichen Bedarfs an Leistungen zur Teilhabe stellen die Rehabilitationsträger mit geeigneten Medien Informationen mit entsprechenden Hinweisen auf Hilfeangebote und weitere Beratungsmöglichkeiten zur Verfügung. Sie fördern die Entwicklung und den Einsatz von Leitlinien, Assessmentverfahren, strukturierten Befundberichten etc. durch Fachleute sowie von Screeningverfahren oder Selbstauskunftsbögen, die der Konkretisierung eines möglichen Teilhabebedarfs dienen.

 

(3) Leistungen zur Teilhabe sind für rehabilitationsbedürftige Menschen indiziert, wenn Rehabilitationsfähigkeit vorliegt und eine positive Rehabilitationsprognose festgestellt werden kann.

 

(4) Menschen gelten als rehabilitationsbedürftig, sobald aus gesundheitlichen Gründen eine drohende oder bereits manifeste Beeinträchtigung der Teilhabe den über die kurative Versorgung hinausgehenden mehrdimensionalen und interdisziplinären Ansatz der Rehabilitation erforderlich macht. Dabei bezieht sich das gesundheitliche Problem auf die Schädigung der Körperfunktionen und Körper- strukturen und die Beeinträchtigung der Aktivitäten unter Berücksichtigung der personbezogenen und Umweltfaktoren, einschließlich der Arbeitswelt. [1]

[1] Beschreibung und Erläuterung der ICF s. Anhang der Gemeinsamen Empfehlung "Begutachtung".

§ 2 Anhaltspunkte für einen Bedarf an Leistungen zur Teilhabe

 

(1) Anhaltspunkte für einen Bedarf an Leistungen zur Teilhabe sind, neben den zugrunde liegenden gesundheitlichen Störungen[1] auf der Ebene der Schädigungen (Körperfunktionen und -strukturen), Beeinträchtigungen der Aktivitäten und der Teilhabe in den für die betroffenen Menschen wichtigen Lebensbereichen. Sie können sich

 

1.

auf der Ebene der Aktivitäten z. B.:

  • in der Fortbewegung, der allgemeinen körperlichen Beweglichkeit und Geschicklichkeit,
  • im Verhalten,
  • in der Kommunikation,
  • in der Haushaltsführung und Kinderbetreuung,
  • in der Bewältigung von psychischen und sozialen Belastungen,
  • in der Bewältigung von psychischen und sozialen Belastungen,

und

 

2.

auf der Ebene der Teilhabe z. B. in Einschränkungen der Möglichkeiten der:

  • Bildung und Ausbildung,
  • Selbstversorgung,
  • Mobilität (Fortbewegung in der Umgebung, Reisen),
  • Beschäftigung (Erwerbstätigkeit, Freizeit),
  • Bewältigung familiärer Aufgaben,
  • sozialen Integration oder
  • ökonomischen Eigenständigkeit (in Bezug auf die Sicherung des Lebensunterhalts) zeigen.
 

(2) Werden Sozialleistungen wegen oder unter Berücksichtigung einer Behinderung oder drohenden Behinderung beantragt oder erbracht, prüft der Sozialleistungsträger, ob ein Bedarf an Leistungen zur Teilhabe gegeben ist (s. § 8 Abs.1 SGB IX).

 

(3) Hinweise zum frühzeitigen Erkennen von Schädigungen und Beeinträchtigungen der Aktivitäten oder der Teilhabe können sich oft aus bereits vorliegenden Informationen ergeben. Solche Anhaltspunkte können sich zum Beispiel ergeben

  • bei Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind,
  • bei multimorbiden oder chronisch kranken Menschen jeden Alters,
  • bei Menschen mit mehrfachen oder lang andauernden stationären Behandlungen wegen der selben Erkrankung insbesondere dann, wenn durch eine Chronifizierung der Erkrankung eine Behinderung oder eine Gefährdung oder Minderung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben droht,
  • bei Menschen mit besonders belastenden Arbeits- und Lebensbedingungen,
  • bei Menschen, die eine Rente wegen teilweiser oder vo...

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