Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Tätigkeit im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Verfahrensgebühr. Anwendung der Nr 3501 RVG-VV
Leitsatz (amtlich)
Die Vergütung eines durch die Gewährung von Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwaltes für seine Tätigkeit im Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht gegen den Beschluss des Sozialgerichts im einstweiligen Anordnungsverfahren richtet sich nicht nach dem Gebührentatbestand der Nr 3204 VV-RVG, sondern nach dem Gebührentatbestand der Nr 3501 VV-RVG.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juni 2010 abgeändert. Die Vergütung der Antragstellerin für ihre Rechtsanwaltstätigkeit im Verfahren L 2 R 106/05 ER wird auf 202,80 € festgesetzt. Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
In dem Verfahren vor dem Hessischen Landessozialgericht B. B. gegen die Landesversicherungsanstalt Hessen (L 2 R 106/05 ER), in dem die Beteiligten um die Übernahme der Kosten für einen am 4. April 2005 beginnenden Reha-Vorbereitungslehrgang des Klägers stritten, beantragte der Kläger am 4. April 2005 die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Dem entsprach das Landessozialgericht mit Beschluss vom 17. Mai 2005 und ordnete die Antragstellerin als Rechtsanwältin bei. Mit Beschluss ebenfalls vom 17. Mai 2005 hob der erkennende Senat den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 31. März 2005 auf und lehnte den Antrag des Klägers, die Beklagte im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, seine Teilnahme an einem bereits am 4. April 2005 begonnenen Reha-Vorbereitungslehrgang zu bewilligen, ab.
Mit Kostenrechnung vom 3. Juni 2005 machte die Antragstellerin eine Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 684,40 € geltend. Dabei berechnete sie eine Verfahrensgebühr nach der Nr. 3204 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV-RVG, Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) in Höhe von 570,00 €. Die Urkundsbeamtin reduzierte die Rechnung auf 522,00 €. Bei der Berechnung der Gebühr legte sie die Nr. 3204 VV-RVG zugrunde und hielt in diesem Zusammenhang eine Gebühr von 430,00 € für angemessen, ausgehend von der Mittelgebühr des Gebührenrahmens und einer merklich über dem Durchschnitt liegenden Angelegenheit.
Gegen die Gebührenfestsetzung der Urkundsbeamtin legten sowohl die Antragstellerin wie auch der Antragsgegner Erinnerung ein. Mit Beschluss vom 10. Juni 2010 setzte das Sozialgericht die Vergütung für das Verfahren L 2 R 106/05 ER auf insgesamt 382,80 € fest. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es im Wesentlichen aus, dass für die Beschwerdesache des Eilverfahrens die Gebühr nach Nr. 3204 VV-RVG anzusetzen sei. Denn wenn in der ersten Instanz für ein Eilverfahren die allgemeine Prozessgebühr der Nr. 3102 VV-RVG angesetzt werde, also eine allgemeine Verfahrensgebühr herangezogen werde, sei nicht zu erkennen, weshalb die Fortsetzung des Verfahrens in der II. Instanz plötzlich keine allgemeine Verfahrensgebühr mehr auslösen solle. Die Heranziehung der Nr. 3501 VV-RVG erscheine verfehlt. Beschwerden und Erinnerungen im Regelungszusammenhang des Abschnitts 5 und Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG beträfen Neben- und Zwischenverfahren, nicht aber Hauptverfahren. Die formaljuristische Anwendung dieser Tarifstelle durch die Rechtsprechung verkenne die besondere Bedeutung des gerichtlichen Eilrechtsschutzes im Sozialrecht, zu der auch eine angemessene anwaltliche Vergütung gehöre. Vorliegend sei die Mittelgebühr von 310,00 € anzusetzen. Das Sozialgericht ließ die Beschwerde gegen den Beschluss zu.
Gegen den am 23. bzw. 24. Juni 2010 zugestellten Beschluss erhob der Antragsgegner am 5. Juli 2010, die Antragstellerin am 7. Juli 2010 Beschwerde, denen das Sozialgericht nicht abhalf (Beschluss vom 6. September 2010).
Die Antragstellerin hält an ihrer Kostenrechnung vom 3. Juni 2005 fest. Der Ansatz der Höchstgebühr nach der Nr. 3204 VV-RVG sei angemessen.
Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juni 2010 aufzuheben und die Vergütung für ihre Tätigkeit in dem Verfahren L 2 R 106/05 ER auf insgesamt 684,40 € festzusetzen und die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.
Der Antragsgegner beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juni 2010 zu ändern und die Vergütung für die Rechtsanwaltstätigkeit im Verfahren L 2 R 106/05 ER auf 208,80 € zu begrenzen und die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
Der Antragsgegner vertritt die Auffassung, für die Vergütung der Tätigkeit im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sei nicht der Betragsrahmen nach Nr. 3204 VV-RVG zugrunde zu legen. Vielmehr komme der Vertragsrahmen nach der Nr. 3501 VV-RVG zur Anwendung. Dies werde auch in kostenrechtlichen Entscheidungen anderer Landessozialgerichte so gesehen. Die Ausführungen des Sozialgerichts unter Bezugnahme auf die...