Entscheidungsstichwort (Thema)
Entziehung eines halben Versorgungsauftrags als psychologischer Psychotherapeut wegen unzureichender Ausübung des vertragspsychotherapeutischen Versorgungsauftrags
Orientierungssatz
1. Nach § 95 Abs 6 SGB 5 ist einem Vertragsarzt bzw. psychologischen Psychotherapeuten die Zulassung zu entziehen, wenn er ua seine Tätigkeit nicht mehr ausübt. Für die Frage der Rechtmäßigkeit einer hälftigen Zulassungsentziehung kommt es nicht auf den Umfang der anschließend erfolgten vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit an. Maßgeblich ist allein, ob im Zeitpunkt der Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung die Voraussetzungen für die Entziehung der Zulassung vorgelegen haben.
2. Für die Annahme der erforderlichen kontinuierlichen Teilnahme an der Versorgung genügt es nicht, dass der Vertragsarzt noch in geringem Umfang Verordnungen und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellt. Diese Kriterien gelten sinngemäß für den Psychotherapeuten. Es ist eine mehr als 10-stündige Verfügbarkeit in dessen eigener Praxis bei hälftiger Zulassung erforderlich, bzw. von mehr als 20-stündiger bei voller Zulassung. Dabei muss die vertragsärztliche bzw psychotherapeutische Tätigkeit den Hauptberuf ausmachen und diesem das Gepräge geben.
3. Hat der Psychotherapeut innerhalb von drei Quartalen regelmäßig deutlich unter 10% derjenigen vertragspsychotherapeutischen Leistungen abgerechnet, die im Rahmen der Kapazitätsgrenzen einer vertragspsychotherapeutischen Vollzeittätigkeit möglich gewesen wären, so ist von einer Teilnahme an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung in nennenswertem Umfang nicht mehr auszugehen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 14. November 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits für das Berufungsverfahren zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen Ziffer 2 bis 7 sind nicht erstattungsfähig.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Entziehung eines halben Versorgungsauftrags der Klägerin als psychologische Psychotherapeutin wegen Nichtausübung eines Teils des vertragspsychotherapeutischen Versorgungsauftrages.
Die Klägerin ist seit 1999 zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung als psychologische Psychotherapeutin mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Ihre vertragspsychotherapeutische Abrechnung wies - nach Mitteilung der Beigeladenen zu 1) - folgende Werte auf:
|
Quartal |
Fallzahl |
Stunden/Woche |
I/07 |
10 |
3:13 |
II/07 |
9 |
2:42 |
III/07 |
8 |
2:59 |
IV/07 |
9 |
2:34 |
I/08 |
5 |
2:17 |
II/08 |
6 |
1:31 |
III/08 |
6 |
1:37 |
IV/08 |
8 |
2:21 |
I/09 |
4 |
1:25 |
II/09 |
13 |
4:13 |
III/09 |
10 |
3:58 |
IV/09 |
19 |
14:22 |
I/10 |
5 |
0:13 |
II/10 |
4 |
2:44 |
Die Beigeladene zu 1) wies die Klägerin mit Schreiben vom 7. Mai 2009 darauf hin, dass eine Überprüfung der Abrechnung ergeben habe, dass die Klägerin zumindest seit dem Quartal I/07 nur in sehr geringem Umfang entsprechende Abrechnungen einreiche. Nach dem Bundesmantelvertrag müsse sie mindestens 20 Stunden wöchentlich vertragspsychotherapeutisch zur Verfügung stehen. Die Klägerin verwies auf ihr Schreiben vom 1. Juli 2008, worin sie mietrechtliche Probleme in den Jahren 2004 - 2007 angegeben und weiter ausgeführt hatte, seit Juli 2008 die Räumlichkeiten abgesichert zu haben und die Aufstockung der genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Arbeitsstunden aufnehmen zu können.
Die Beigeladene zu 1) beantragte mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 beim Zulassungsausschuss die Entziehung der halben Zulassung der Klägerin. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin nehme nur in sehr geringem Umfang an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung teil. Die Beratungsstelle Psychotherapie sei von einer Patientin darüber informiert worden, dass am Vertragspsychotherapeutensitz der Klägerin kein Praxisschild und auch keine Klingel mehr vorhanden sei. Die Patientin sei bereits seit Januar 2008 in Langzeit-Behandlung bei der Klägerin. Diese habe jedoch außer den probatorischen Sitzungen in den Quartalen III und IV/07 keine weiteren Leistungen abgerechnet und der Patienten auch auf deren Nachfrage, warum kein PT-Antrag gestellt werde, immer wieder versichert, dass alles in Ordnung wäre und sie sich keine Gedanken machen müsse. Nun sei aber die Klägerin nicht mehr erreichbar und die Patientin mache sich Sorgen.
Die Klägerin gab mit Schreiben vom 23. Dezember 2009 an, sie wolle die volle Zulassung behalten. Sie arbeite vertragspsychotherapeutisch mit sehr gutem Erfolg, allerdings mit einem erheblichen Antrags-Überhang. Sie stehe mit den Krankenkassen noch in Verhandlung, ob ein Teil der von ihr geleisteten Stunden nachträglich vergütet werden könne. Sie habe ferner vor, ab Januar 2010 neue Praxisräume anzumieten, um ihre Arbeit fortsetzen zu können. Ihr gesamtes Mobiliar und die Praxiseinrichtung stünden ihr derzeit nicht zur Verfügung, sie sei in einer Notunterkunft untergebracht (Wohnungsverlust). Mit Schreiben vom 23. Juli 2010 führte die Klägerin weiter aus, die Praxisgemeinschaft A-Straße entwickl...