Entscheidungsstichwort (Thema)

Selbständigkeit des Musikers als Voraussetzung einer Versicherungspflicht nach dem KSVG

 

Orientierungssatz

1. Die Aufnahme eines Künstlers in die Künstlersozialkasse setzt dessen selbständig ausgeübte Künstlertätigkeit voraus. Eine abhängig ausgeübte Beschäftigung genügt nicht.

2. Ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung der Selbständigkeit eines Musikers ist, ob er vertraglich verpflichtet ist, an festgelegten Proben teilzunehmen, ob er eine im Voraus festgelegte Gage bekommt, ob er auf die Vertragsverhandlungen mit dem Veranstalter bzw. die Programmgestaltung und -durchführung einen Einfluss hat und inwieweit er an der musikalisch-künstlerischen Gestaltung mitbeteiligt wird (Anschluss BSG Urteil vom 28. 1. 1999, B 3 KR 2/98 R).

3. Hat der vertraglich gebundene Musiker nahezu täglich Konzerte und andere Darbietungen zu absolvieren, wobei Zeit, Ort und Art der Darbietung vorgegeben sind, so ist von dem Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Diese schließt eine Versicherungspflicht nach dem KSVG aus.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 30. Mai 2001 aufgehoben.

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig die Versicherungspflicht der Kläger zu 1. bis 4. nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG).

Die Kläger sind Musiker und bilden das “G. Quartett„. Bis 31. Dezember 1997 waren sie aufgrund eines Engagementvertrages für das Hessische Staatsbad A-Stadt als Arbeitnehmer tätig. Mit Gesellschaftsvertrag vom 29. Dezember 1997 gründeten sie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Am 5. Januar 1998 beantragten sie bei der Beklagten die Aufnahme in die Künstlersozialkasse, da sie ab dem 1. Januar 1998 ihren Beruf als Musiker selbständig ausübten. Weiter legten sie verschiedene Engagementverträge sowie Honorarverträge mit dem Hessischen Staatsbad A-Stadt (Beigeladener zu 1.) vor. Mit Bescheid vom 30. Juni 1998 stellte die Beklagte fest, dass die Kläger nicht nach den Vorschriften des KSVG versicherungspflichtig seien, da sie keine selbständige Tätigkeit ausübten. Sie seien vielmehr weiterhin als Arbeitnehmer des Beigeladenen zu 1. zu betrachten. Der Widerspruch der Kläger wurde mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 1999 (Kläger zu 3.) bzw. 23. Juni 1999 (Kläger zu 1., 2. und 4.) zurückgewiesen.

Hiergegen haben die Kläger am 8. Juli 1999 bei dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben. Mit Beschluss vom 20. März 2000 hat das Sozialgericht die Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und mit weiterem Beschluss vom 4. Mai 2000 das Hessische Staatsbad A-Stadt sowie die Barmer Ersatzkasse zum Verfahren beigeladen. Bei der Beigeladenen zu 2. waren die Kläger zu 1. bis 3. bis 31. Dezember 1997 pflichtversichert und ab 1. Januar 1998 freiwillig versichert. Der Kläger zu 4. ist seit 1. Januar 1998 bei der Beigeladenen zu 2. ebenfalls freiwillig versichert. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30. Mai 2001 hat das Sozialgericht den Vertreter der Beigeladenen zu 1. angehört und mit Urteil vom gleichen Tage die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass die Kläger ab dem 1. Januar 1998 der Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung unterliegen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Die Kläger seien selbständig tätig. Entgegen der Auffassung der Beklagten seien sie nicht in den Betrieb des Beigeladenen zu 1. eingegliedert und unterlägen auch nicht deren Weisungsgebundenheit. Die Bindungen ergäben sich aus den vertraglichen Vereinbarungen und seien nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechtes. Es bestehe zwar eine erhebliche Bindung der Kläger an einen Auftraggeber, nämlich die Beigeladene zu 1. Diese Tatsache sei jedoch nur ein Abgrenzungsmerkmal unter mehreren zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbständigen Tätigkeit. Die Kläger unterlägen auch einem Unternehmerrisiko, da die abgeschlossenen Honorarverträge keine Fortzahlung des Entgelts im Krankheitsfalle vorsähen. Die Kläger seien vielmehr verpflichtet, im Falle eines Vertragsbruches dem Vertragspartner sämtliche Kosten zu erstatten. Da die Honorarverträge Monat für Monat abgeschlossen würden, hätten die Kläger auch das Risiko, kurzfristig nicht mehr beauftragt zu werden. Außerdem könnten die Kläger gegenüber der bis 31. Dezember 1997 geltenden Rechtslage nunmehr auch außerhalb ihrer Verpflichtung für das Staatsbad uneingeschränkt für andere Auftraggeber tätig sein. Auch die von den Klägern herausgegebene CD zeige, wie die Kläger ihre unternehmerischen Chancen wahrnehmen würden. Überdies müssten sie eigenes Kapital einsetzen. Die Instrumente müssten sie selbst stellen und auch anfallende Reparaturen selbst bezahlen.

Gegen dieses der Beklagten am 10. Juli 2001 zugestellte Urteil hat sie am 16. Juli 2001 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.

Die Beklagte ist weiterhin der ...

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