Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Hinweispflicht des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 115 Abs 6 SGB 6 hinsichtlich der Antragstellung zum Erhalt einer Waisenrente bei einer volljährigen Waise aufgrund der Stellung eines Witwenrentenantrages durch die Mutter der Waise

 

Orientierungssatz

Der Rentenversicherungsträger verletzt seine Hinweispflicht nach § 115 Abs 6 SGB 6 nicht, wenn er nur aufgrund der Stellung eines Witwenrentenantrages eine volljährige Waise nicht auf die Erforderlichkeit der Antragstellung zum Erhalt der Waisenrente hinweist, ohne dass konkrete Anhaltspunkte für eine Rentenberechtigung der Waise bestehen (vgl LSG München vom 27.9.2011 - L 6 R 340/10).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 11.04.2019; Aktenzeichen B 13 R 74/18 B)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. Januar 2017 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

II. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Die Beteiligen haben einander für beide Verfahren keine Kosten zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Gewährung von Halbwaisenrente aus der Versicherung des C. A.

Der Kläger ist 1985 geboren und das Kind des 1953 geborenen und 2010 verstorbenen Versicherten C. A. Die Witwe des Versicherten, D. A., beantragte im März 2010 bei der Stadt E-Stadt die Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des C. A. durch die Beklagte. Im Rentenantragsformular gab die hinterbliebene Witwe unter

“Pflegeversicherung„ auf die Frage: “Haben oder hatten Sie ein Kind? (das heutige Alter des Kindes ist hier ohne Bedeutung)„ an, ja: A. A., x..x..1985, leibliches Kind/Adoptivkind. Ab 5. Februar 2010 gewährte die Beklagte der Witwe Hinterbliebenenrente.

Der Kläger befand sich in der Zeit von Oktober 2009 bis März 2013 im Hochschulstudium.

Im November 2014 teilte der Kläger der Beklagten mit, sein Vater sei am x.. x. 2010 verstorben. Daraufhin habe er Halbwaisenrente bei der F. Betriebsrentenkasse beantragt. Die Auszahlung habe er erst im August 2014 erhalten. Aus der Aufschlüsselung der Rentenkasse gehe hervor, dass er auch bei der Deutschen Rentenversicherung eine Halbwaisenrente beantragen könne. Dies tue er hiermit. Die F. Betriebsrentenkasse habe ihn über seine Ansprüche gegenüber der Deutschen Rentenversicherung beraten müssen. Dass dies nicht erfolgt sei, müsse sich die Beklagte zurechnen lassen.

Mit Bescheid vom 3. Dezember 2014 lehnte die Beklagte die Gewährung von Halbwaisenrente nach § 48 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) ab, weil der Kläger das Höchstalter von 27 Jahren bereits überschritten habe. Die für den Anspruch von Waisenrente maßgebende Altersbegrenzung von 27 Jahren erhöhe sich bei Unterbrechung oder Verzögerung der Schulausbildung oder Berufsausbildung durch Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes oder eines gleichgestellten Dienstes grundsätzlich um die Zeit dieser Dienstleistung, höchstens jedoch um einen der Dauer des gesetzlichen Grundwehrdienstes oder Zivildienstes entsprechenden Zeitraum. Ein Anspruch auf Waisenrente für die Dauer des Verlängerungszeitraums könne sich nur ergeben, soweit sich die Waise während des Verlängerungszeitraums in   Schul- oder Berufsausbildung befinde. Die Hinterbliebenenrente werde längstens für 12 Kalendermonate vor dem Monat der Antragstellung geleistet. Für davorliegende Zeiten bestehe ein materiell-rechtlicher Leistungsausschluss. Der Kläger habe den Antrag auf Halbwaisenrente am 18. November 2014 gestellt. Ein Rentenbeginn hätte sich somit zum 1. November 2013 ergeben. Zum Rentenbeginn 1. November 2013 habe der Kläger bereits das 27. Lebensjahr überschritten. Ein Verlängerungszeitraum liege nicht vor. Ein Anspruch auf Halbwaisenrente bestehe somit ab 1. November 2013 nicht.

Gegen den ablehnenden Rentenbescheid erhob der Kläger Widerspruch, weil die Beklagte übersehen habe, dass ihm ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zustehe. Eine Pflichtverletzung auf Seiten der Beklagten selbst sei möglicherweise nicht festzustellen. Sie müsse sich aber eine Pflichtverletzung der F. AG zurechnen lassen. Diese Pensionskasse sei sicherlich als Sozialleistungsträger anzusehen. Sein verstorbener Vater sei für die FX. Science AG tätig gewesen. Daraus habe sich für ihn ein Anspruch auf Halbwaisenrente aus der F. Pensionskasse ergeben.

Nachdem die Stadt E-Stadt der Beklagten mitgeteilt hatte, dass sie außer der Bestätigung des Antrags auf Witwenrente keine weiteren Aufzeichnungen vorlegen könne, wies die Beklagte mit Bescheid vom 29. Oktober 2015 den Widerspruch des Klägers zurück. Der Kläger habe erst im November 2014 die Halbwaisenrente beantragt, obwohl sein Vater bereits am x.. x. 2010 verstorben sei. Die Leistungen der Rentenversicherung würden grundsätzlich nur auf Antrag erbracht. Die F. Pensionskasse sei keine zuständige Stelle im Sinne des § 16 Sozialgesetzbuch I (SGB I) bzw. ein Sozialleistungsträger i...

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