Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Prokuristen einer Personengesellschaft, der zugleich über eine Sperrminorität als Gesellschafter verfügt

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der in einem Unternehmen mitarbeitende Gesellschafter einer Personengesellschaft zu dieser gleichzeitig in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht.

3. Die Sperrminorität eines Gesellschafters kann nur dann als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit gewertet werden, wenn der betreffende Gesellschafter für die Gesellschaft zum Geschäftsführer bestellt ist

4. Ist der über eine Sperrminorität verfügende Gesellschafter nicht als Geschäftsführer, sondern als Prokurist für die Gesellschaft tätig, erhält er eine erfolgsunabhängige monatlich vereinbarte feste Vergütung, hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit und hat er ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen, so liegt keine selbständige Tätigkeit, sondern abhängige Beschäftigung vor.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 09.04.2019; Aktenzeichen B 12 KR 91/18 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24. September 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers aufgrund seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) ab dem 20. Dezember 2012 bis zum 31. Oktober 2015.

Die im Versicherungsmaklergeschäft tätige Beigeladene zu 1) wurde am 28. Dezember 2009 mit einem Stammkapital von 25.000,- € gegründet. Alleinige Gesellschafter sind der Kläger sowie sein Vater, C.A. (W). Zunächst hielt der Kläger 1 % des Stammkapitals und W die verbleibenden 99%. Dieser war zugleich Geschäftsführer des Unternehmens. Aufgrund einer als „Dienstvertrag des Gesellschafters" bezeichneten Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) wurde der Kläger ab dem 16. Juni 2012 als Außendienstleiter eingestellt. Seit dem 20. Dezember 2012 sind der Kläger mit einem Stammkapital in Höhe von 3.750,- € (15 %) und W mit einem Stammkapital in Höhe von 21.250,- € (85 %) an der Gesellschaft beteiligt. Am gleichen Tag wurde ein Gesellschaftsvertrag mit folgenden Vereinbarungen geschlossen:

„...   

§ 4 Geschäftsführung

(1) Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, vertritt jeder Geschäftsführer die Gesellschaft allein.

(2) Der bzw. die Geschäftsführer dürfen im Namen der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte vornehmen (Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB).

(3) Der bzw. die Geschäftsführer bedürfen der vorherigen Zustimmung durch Gesellschaftsbeschluss für

a.) die Errichtung oder Auflösung von Zweigniederlassungen,

b.) den Erwerb, die Veräußerung oder die Belastung von Beteiligungen an anderen Unternehmen,

c.) den Erwerb oder die Veräußerung von Betrieben oder Teilbetrieben,

d.) alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen,

e.) alle Geschäfte, welche die Gesellschafter durch Gesellschaftsbeschluss für zustimmungsbedürftig erklären.

(4) Ein Geschäftsführer kann nur durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafterversammlung abberufen werden. Unberührt bleiben etwa zu beachtende arbeitsrechtliche Bestimmungen."

(5) Die Begründung, Änderung und Beendigung von Verträgen mit Gesellschaftern, insbesondere Verträgen zur Mitarbeit sind, einschließlich aller hiermit verbundenen Folgen, einschließlich etwaiger Weisungen, obliegen ausschließlich der Gesellschafterversammlung. Der Geschäftsführer agiert nur nach entsprechender Weisung durch die Gesellschafterversammlung.

...

§ 10 Gesellschafterversammlungen, Gesellschafterbeschlüsse

...     

(3) Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn sie ordnungsgemäß einberufen ist und mindestens 86 Prozent des Stammkapitals vertreten sind. Ist diese Mehrheit nicht vertreten, so ist innerhalb von 4 Wochen zu einer neuen Gesellschafterversammlung einzuladen. Diese ist unabhängig von der Höhe des vertretenen Kapitals beschlussfähig, wenn die Einladung hierauf hinweist.

...     

(5) Gesellschafterbeschlüsse werden mit einer Mehrheit von 86 Prozent der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit das Gesetz und dieser Gesellschaftsvertrag nich...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge