Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Korrektur eines Rentenbescheides bei Zusammentreffen von Rente und Einkommen gem § 97 SGB 6. Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung als Zweitbescheid an den Erben des Rentenberechtigten. keine Rechtsfolgen aus dem vorher an den Rentenberechtigten gerichteten Erstbescheid. Beginn der Jahresfrist nach § 48 Abs 4 S 1 iVm § 45 Abs 4 S 2 SGB 10. Maßgeblichkeit der Anhörung des verstorbenen Rentenbeziehers
Leitsatz (amtlich)
1. Soweit der Rentenversicherungsträger nach dem Tod des Rentenberechtigten eine Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung als sog Zweitbescheid an den Erben des Rentenberechtigten richtet, kann er keine Rechtsfolgen aus dem vorher an den Rentenberechtigten gerichteten Aufhebungs- und Erstattungsbescheid herleiten.
2. Bei der Aufhebung nach § 48 Abs 1 S 2 SGB X im Wege des sog Zweitbescheides kommt es für den Beginn der Jahresfrist nach § 48 Abs 4 S 1 iVm § 45 Abs 4 S 2 SGB X regelmäßig auf die Anhörung des verstorbenen Rentenbeziehers und nicht auf die seines Erben an.
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 26. März 2018 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.458,65 € festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der teilweisen Aufhebung und Erstattung einer Hinterbliebenenrente gegenüber dem Erben der Rentenberechtigten.
Die 1936 geborene Mutter des Klägers, C. C., war die Witwe des 1931 geborenen und 1996 verstorbenen Versicherten D. C., mit welchem sie seit 1966 verheiratet war und den Kläger als gemeinsamen Sohn hatte.
Nach dem Tod des Versicherten beantragte die Mutter des Klägers am 5. Februar 1996 bei der Beklagten die Gewährung einer Hinterbliebenenrente, woraufhin diese mit Bescheid vom 10. April 1996 große Witwenrente mit Rentenbeginn ab dem 1. März 1996 in einer monatlichen Höhe von 1.350,67 DM ab Juni 1996 gewährte. Der Bescheid enthielt auf Seite 3 und 4 Ausführungen zu bestehenden Mitteilungspflichten. Insbesondere wurde ausgeführt, dass die gesetzliche Verpflichtung bestehe, das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen oder Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen. Die Meldung von Veränderungen erübrige sich bei Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung.
Auf den Antrag der Mutter des Klägers vom 4. April 1996 gewährte die Beklagte ihr mit Bescheid vom 26. Juni 1996 eine Altersrente für Frauen mit Rentenbeginn ab dem 1. August 1996 in monatlicher Höhe von 1.607,97 DM.
Im Rahmen einer Prüfung des Versichertenkontos des verstorbenen Ehemanns von Amts wegen am 17. September 2014 stellte die Beklagten fest, dass seit Gewährung der Hinterbliebenenrente im März 1996 keine Einkommensanrechnung stattgefunden hat. Mit Bescheid vom 22. September 2014 berechnete die Beklagte daher die große Witwenrente für die Mutter des Klägers ab dem 1. Juli 2014 neu. Ab dem 1. November 2014 werde diese Leistung in Höhe von 734,50 € monatlich gezahlt.
Mit Schreiben vom 25. September 2014 gab die Beklagte der Mutter des Klägers Gelegenheit zur Stellungnahme im Hinblick auf die beabsichtigte Aufhebung des Bescheides vom 10. April 1996 ab Änderung der Verhältnisse, also mit Wirkung ab 1. August 1996, nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sowie die Rückforderung der Überzahlung für die Zeit vom 1. August 1996 bis 30. Juni 2014 in Höhe von 14.917,30 € nach § 50 Abs. 1 SGB X. Die Voraussetzungen für die beabsichtigte Entscheidung seien nach Lage der Akten erfüllt, weil die Mutter des Klägers ihrer gesetzlichen Mitteilungspflicht, auf die sie die Beklagte auch hingewiesen habe, nicht nachgekommen sei (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch ≪ SGB I ≫).
Nach Stellungnahme des Bevollmächtigten der Mutter des Klägers hierzu, berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 11. März 2015 die bisher gewährte große Witwenrente für die Mutter des Klägers ab dem 1. August 1996 neu. Für die Zeit ab dem 1. April 2015 werde laufend ein Betrag in Höhe von monatlich 732,05 € gezahlt. Für die Zeit vom 1. August 1996 bis zum 31. März 2015 ergebe sich eine Überzahlung in Höhe von 14.917,30 €. Dieser Betrag sei von der Mutter des Klägers zu erstatten. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Rentenbescheid vom 10. April 1996 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab dem 1. August 1996 nach § 48 SGB X aufzuheben gewesen sei. Im Rahmen der Prüfung, ob der Bescheid vom 10. April 1996 für die Vergangenheit aufgehoben werden könne, habe die Beklagte das Vorbringen aus der Anhörung zur Kenntnis genommen. Dies sei jedoch nicht geeignet, sich auf Vertrauen in den Bestand des Bescheides berufen zu können, da die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 4 SGB X gegeben seien. Auch seien diese Einwände nicht geeignet, im Wege des Ermessens von der Bescheidaufhebung abzusehen. Soweit Einkommen oder Vermögen zur Minderung ...