Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsausbildungsbeihilfe. Sonderregelung für die Ausbildungsförderung für Ausländer. Asylbewerber aus Afghanistan mit Aufenthaltsgestattung. Erwartung eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts. Prognoseentscheidung. Bleibeperspektive. Gesamtschutzquote von 50% des Herkunftslandes. Einzelfallbetrachtung. Aussicht auf Ausbildungsduldung
Leitsatz (amtlich)
1. Beim Vorliegen einer Aufenthaltsgestattung zur Durchführung eines Asylverfahrens und einer zum Zeitpunkt der ersten BAB-Antragstellung negativen Prognose zur Erwartung eines dauerhaften und rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland kommen Leistungen der BAB an Ausländer nicht in Betracht.
2. Maßgeblich für die Prognose ist zunächst, ob sich eine positive Bleibeperspektive schon aus der für das Herkunftsland des Antragstellers zu ermittelnden Gesamtschutzquote ergibt. Ist dies nicht der Fall, ist zu prüfen, ob eine Einzelfallbetrachtung ein anderes Ergebnis rechtfertigt.
3. Allein die ungewisse Erwartung, dass nach Abschluss des Asylverfahrens eine Duldung bis zur Beendigung der Berufsausbildung nach § 60a AufenthG und daran anschließend für eine Beschäftigung für weitere zwei Jahre eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18a AufenthG erteilt werden könnte, führt nicht zu einer positiven Prognose.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 3. Juni 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für eine betriebliche Ausbildung des Klägers.
Der 1997 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, der nach eigenen Angaben am 16. November 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland einreiste und hier einen Asylantrag stellte. Am 3. November 2016 fand die Anhörung des Klägers vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge statt. Mit Bescheid vom 3. Februar 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag des Klägers ab. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vorlägen, da eine Verfolgung gemäß § 3 AsylG nicht ersichtlich sei. Die dagegen am 20. Februar 2017 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Kassel mit Urteil vom 20. September 2018 (Aktenzeichen: 7 K 1377/17.KS.A) abgewiesen. Über den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof noch nicht entschieden, so dass das Asylverfahren noch nicht (rechtskräftig) abgeschlossen ist.
Bereits am 26. Juni 2018 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Berufsausbildungsbeihilfe für eine am 1. August 2018 beginnende und in der Folgezeit vom Kläger auch aufgenommene zweijährige Ausbildung zur Fachkraft für Metalltechnik bei der Firma Metallbau C. in A-Stadt. Einen Berufsausbildungsvertrag unterzeichnete er am 6. Juli 2018. Danach erhalte er eine monatliche Ausbildungsvergütung in Höhe von 645,00 € für den Zeitraum vom 1. August 2018 bis 31. Juli 2019 sowie von 687,00 € ab 1. August 2019.
Mit Bescheid vom 1. August 2018 lehnte die Beklagte den Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe ab, da der Kläger die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 56, 59 SGB III nicht erfülle. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 21. September 2018 beantragte der Kläger die Überprüfung der ablehnenden Entscheidung. Zur Begründung trug er vor, ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt sei von ihm zu erwarten, da er eine gute Bleibeperspektive besitze. Diese ergäbe sich aus dem Asylantrag oder der aufgenommenen Ausbildung. Selbst bei Ablehnung des Asylantrags sei ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten. Da die Ausbildung bis dahin voraussichtlich nicht abgeschlossen sei, habe er zunächst einen Anspruch auf Duldung. Er habe bereits eine entsprechende Ausbildung aufgenommen und ein Ausschlussgrund nach § 60 a Abs. 6 AufenthG liege nicht vor. Konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung würden zu diesem Zeitpunkt nicht bevorstehen. Im Anschluss an die Berufsausbildung werde er eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AufenthG erhalten. Er beabsichtige eine seiner Qualifikation entsprechende Beschäftigung auszuüben.
Mit Bescheid vom 14. November 2018 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Den hiergegen am 29. November 2018 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 30. November 2018 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger gehöre nicht zum förderungsfähigen Personenkreis des § 59 SGB III, so dass eine der tatbestandlichen Voraussetzungen der Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe nach § 56 SGB III nicht gegeben sei.
Nach § 59 Abs. 2 SGB III würden geduldete Ausländerinnen und Ausländer, die ihren st...