Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 06.03.2003; Aktenzeichen S 13 RA 4291/01) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. März 2003 wird zurückgewiesen.
- Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau U.… A….
Der am 27. Dezember 1951 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er lebt seit 1980 in der Bundesrepublik Deutschland und heiratete im Mai 1980 die am 15. Oktober 1949 geborene und am 4. Oktober 1997 verstorbene Versicherte U.… A…. Aus der Ehe waren 3 Kinder hervorgegangen. Der Kläger war in Deutschland als Geschäftsmann im eigenen Gewerbebetrieb tätig. Im Juli 1997 heiratete der Kläger in Marokko die marokkanische Staatsangehörige N.… K.…, die weiterhin in Marokko lebt. Die Mehrehe war nach marokkanischem Recht genehmigt worden. Hierzu lag insbesondere eine Einwilligung seiner verstorbenen Ehefrau vor.
Im November 1997 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau. Im Rentenantrag beantwortete der Kläger die Frage, ob er nach dem Tode der Versicherten wieder geheiratet habe mit: “Nein”. Mit Bescheid vom 26. August 1998 bewilligte die Beklagte dem Kläger große Witwenrente ab 1. November 1997, die in der Folgezeit mehrfach neu berechnet wurde. Unter dem 29. September 1998 teilte der Rechtsanwalt T.… W.… dem Kläger u. a. mit, für ihn seien maßgeblich die Vorschriften der §§ 46, 243 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI). Danach falle die Witwerrente bei Wiederheirat weg. Da der Kläger jedoch vor dem Tod der ersten Ehefrau eine Zweitehe eingegangen sei, läge eine Wiederheirat nicht vor. Es käme allenfalls eine entsprechende Anwendung der Vorschrift in Betracht. Dazu gäbe es noch keine Gerichtsentscheidungen.
Mit Schreiben vom 31. Januar 2001 benachrichtigte die Stadt N-Stadt die Beklagte darüber, dass bei einer Überprüfung der Personenstandsdaten des Klägers im Einwohnermelderegister aufgefallen sei, dass der Kläger verheiratet sei. Es wurde die Kopie einer Heiratsurkunde des Königreichs Marokko, Justizministerium, Tribunal der 1. Instanz von Tanger, Notariatsabteilung, vorgelegt. Nach Anhörung des Klägers nach § 24 SGB X hob die Beklagte mit Bescheid vom 12. September 2001 den Bescheid vom 26. August 1998 mit Wirkung für die Zukunft auf und stellte die laufende Rentenzahlung bis Ende Oktober 2001 ein. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 27. November 2001 zurück. Nach § 45 SGB X könne der Bescheid vom 26. August 1998 für die Zukunft aufgehoben werden, weil er rechtswidrig sei. Eine Weitergewährung der Witwenrente aus der Versicherung der verstorbenen Ehefrau komme nicht in Betracht. Ein Anspruch auf Witwerrente habe von Beginn an nicht vorgelegen, da der Kläger im Zeitpunkt des Todes der Versicherten mit einer zweiten Ehefrau verheiratet gewesen sei. Nach § 46 Abs. 1 SGB VI habe ein Witwer Anspruch auf Witwerrente nach dem Tode der Versicherten, wenn die weiteren versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien und der Witwer nicht wieder geheiratet habe. Dem Sozialgesetzbuch liege ein Witwerbegriff zugrunde, der von einer monogamen Ehe bestimmt sei. Dem Kläger dürfe bekannt sein, dass eine polygame Ehe im europäischen Kulturkreis grundsätzlich nicht als gesellschaftsfähig anerkannt werde. Gegen ein Absehen von einem dem deutschen Recht allein entsprechenden Begriff des Witwers spreche, dass ein Marokkaner bei Bejahung eines Witwerrentenanspruchs besser gestellt sei als ein deutscher monogamer Versicherter, der sich nach dem Tode der versicherten Ehefrau wieder verheirate. Denn dieser erfülle vom Zeitpunkt der Wiederverheiratung an nicht mehr die Voraussetzungen für die Gewährung von Witwerrente. Für eine solche Besserstellung gebe es keinen vernünftigen Grund. Letztlich könne sich ein in polygamer Ehe lebender Witwer auf diese Weise mehrere Witwerrenten verschaffen, was dem deutschen Ehebild im deutschen bürgerlichen Recht und im Sozialrecht zuwider liefe. Der Kläger habe auch keinen Vertrauensschutz in den Bestand des Bescheides vom 26. August 1998. Ihm sei nach seinem langen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland bekannt gewesen, dass eine polygame Ehe nicht von dem deutschen Recht anerkannt werde. Auch ergebe sich aus dem Genehmigungsverfahren für die zweite in Marokko geschlossene Ehe, dass diese dort nicht ohne Kenntnis und Zustimmung der deutschen Ehefrau rechtlich zulässig gewesen sei. Die marokkanischen Bestimmungen über die Polygamie seien nicht bekannt. Aus dem umfangreichen Genehmigungsverfahren sei aber zu schließen, dass auch nach marokkanischem Recht die Problematik der Polygamie nicht verkannt werde, weil es die vorherige Zustimmung der bereits verheirateten Ehefrau...