0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 77a wurde durch Art. 8d des Gesetzes zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes sowie weiterer Vorschriften zur Digitalisierung der Verwaltung (OZG-Änderungsgesetz – OZGÄndG) v. 19.7.2024 (BGBl. I Nr. 245) mit Wirkung zum 24.7.2024 neu eingefügt.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die neue Vorschrift § 77a wurde eingefügt mit dem Ziel, den Prozess der Entwicklung nutzerfreundlicher digitaler Services durch Modernisierung der Verwaltung zu fördern. § 77a ist eine eigenständige datenschutzrechtliche Regelung im Bereich des Sozialdatenschutzes für die Sozialverwaltung i. S. v. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO für den Nachweisaustausch über das EU-OOTS.
Parallel dazu regelt auch die Verordnung (EU) 2018/1724 des Europäischen Parlaments und des Rates (SDG-Verordnung) in Art. 14 Abs. 4, dass die Nutzung des technischen Systems für den grenzüberschreitenden automatisierten Austausch von Nachweisen (EU-Once-Only-Technical-System, EU-OOTS) grundsätzlich nicht verbindlich und nur auf ausdrückliches Ersuchen des Nutzers gestattet ist. Dieses ausdrückliche Ersuchen stellt nach Auffassung der Europäischen Kommission keine Einwilligung i. S. v. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a DSGVO dar.
§ 77a entspricht § 5a EGovG und dient der Umsetzung von Art. 14 SDG-VO. Nach Art. 14 SDG-VO errichten die Kommission und die Mitgliedstaaten gemeinsam ein technisches System für den automatisierten Austausch von Nachweisen zwischen den zuständigen Behörden in verschiedenen Mitgliedstaaten (EU-OOTS) zur Umsetzung des Grundsatzes der einmaligen Datenerfassung (Once-Only-Prinzip). Nach dem europäischen Once-Only-Prinzip sollen in der Verwaltung bereits vorliegende Nachweise im Rahmen weiterer Verwaltungsprozesse nicht erneut bei Bürgerinnen und Bürgern oder Unternehmen erhoben, sondern zwischen öffentlichen Stellen ausgetauscht werden. Dies entspricht bezogen auf Behörden innerhalb Deutschlands dem Regelungsgegenstand des § 67f SGB X und des § 5 GovG (vgl. Komm. zu § 67f SGB X; BT-Drs. 20/10417 S. 34).
2 Rechtspraxis
Rz. 3
Abs. 1 regelt die Zulässigkeit des automatisierten Nachweisabrufs seitens der zuständigen Behörde bei einer Behörde eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union.
Abs. 2 regelt die Zulässigkeit der automatisierten Nachweisübermittlung an eine Behörde eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union.
Abs. 3 bestimmt, dass bei der Verarbeitung nach den Abs. 1 und 2 intermediäre Plattformen zum Einsatz kommen können.
2.1 Zulässigkeit für Nachweisabrufe innerhalb der EU (Abs. 1)
Rz. 4
Abs. 1 enthält die datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage für Nachweisabrufe deutscher Behörden bei Behörden eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union.
Die Befugnis erstreckt sich auf Nachweise i. S. v. Art. 14 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2018/1724 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 2. Oktober 2018 über die Einrichtung eines einheitlichen digitalen Zugangstors zu Informationen, Verfahren, Hilfs- und Problemlösungsdiensten und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (ABl. L 295 v. 21.11.2018).
Des Weiteren muss der Abruf zur Erfüllung von Aufgaben der abrufenden Behörde für eines der Verfahren nach Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2018/1724 erforderlich sein.
Rz. 5
§77a gilt nur für solche Nachweise i. S. v. Art. 14 Abs. 2 SDG-VO, die für Verfahren nach Art. 14 Abs. 1 SDG-VO relevant sind. Welche Verfahren dies sind, ergibt sich aus Art. 14 Abs. 1 SDG-VO i. V. m. Anhang II der SDG-VO sowie aus den Richtlinien 2005/36/EG, 2006/123/EG, 2014/24/EU und 2014/25 EU.
Die Legaldefinition lautet: Nachweise sind alle Unterlagen oder Daten, einschließlich Text- oder Ton-, Bild- oder audiovisuelle Aufzeichnungen, unabhängig vom verwendeten Medium, die von einer zuständigen Behörde verlangt werden, um Sachverhalte oder die Einhaltung der in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b SDG-VO genannten Verfahrensvorschriften nachzuweisen (vgl. Art. 3 Nr. 5 SDG-VO). Art. 14 Abs. 2 SDG-VO verengt seinen Anwendungsbereich wiederum auf solche Nachweise, die bereits innerstaatlich in einem elektronischen Format ausgestellt und automatisiert ausgetauscht werden. Insofern stellt der Unionsgesetzgeber in Art. 14 Abs. 2 SDG-VO keine Digitalisierungspflicht für Nachweise auf, sondern stellt auf die individuellen Verhältnisse in den Mitgliedstaaten ab (BT-Drs. 20/10417 S. 38).
2.2 Zulässigkeit für Nachweisübermittlungen innerhalb der EU (Abs. 2)
Rz. 6
Abs. 2 regelt die sozialdatenschutzrechtliche Rechtsgrundlage für Nachweisübermittlungen deutscher Behörden an Behörden eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union.
Die automatisierte Übermittlung eines Nachweises nach Art. 14 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2018/1724 an eine Behörde eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union ist zulässig, wenn diese Behörde zuständig ist und die Übermittlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben für eines der Verfahren nach Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2018/1724 erforderlich ist.
2.3 Intermediäre Plattformen (Abs. 3)
Rz. 7
Bei der Verarbeitung nach Abs. 1 (Nachweisabruf) und Abs. 2 (Nachweisübermittlung) können intermediäre Plattformen zum Einsatz kommen.
Diese Möglichkeit folgt unmittelbar aus der Durchführungsverordnung (EU) 2022/1463. Sie können auf beiden Seiten zum...