0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 119 ist durch das Gesetz v. 4.11.1982 (BGBl. I S. 1450) mit Wirkung zum 1.7.1983 in Kraft getreten. Er geht auf die Rechtsprechung des BGH zurück, wonach der Umfang eines Schadensersatzanspruchs auch die Beiträge zur Sozialversicherung umfasst, um Nachteile des Geschädigten insbesondere in seiner Rentenbiografie zu vermeiden (vgl. BGH, Urteil v. 18.10.1977, VI ZR 21/76; BT-Drs. 9/95 S. 29). Durch das RRG 1992 v. 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261) wurde § 119 mit Wirkung zum 1.1.1992 neu gefasst. Der bisherige Satz 2 wurde Abs. 3 Satz 1 und um den Begriff der Beitragsanteile ergänzt; Satz 3 wurde zu Abs. 3 Satz 2 und Abs. 2 neu eingefügt. Das 4. Euro-Einführungsgesetz v. 21.12.2000 (BGBl. I S. 1983) hat § 119 mit Wirkung zum 1.1.2001 nochmals neu gefasst. In Abs. 1 Satz 1 ist lediglich redaktionell klargestellt worden, dass nur Beiträge zur Rentenversicherung betroffen sein können. Abs. 1 Satz 2 ist inhaltlich geändert worden. Die Änderung in Abs. 2 betrifft ausschließlich die sprachliche Formulierung, nicht jedoch den Inhalt, während Abs. 3 Satz 1 nunmehr nicht mehr auf die Versicherungspflicht im Zeitpunkt des Schadensereignisses abstellt; Abs. 3 Satz 2 ist unverändert. Abs. 4 ist angefügt worden. Die Vorschrift gilt nun in der Neufassung des SGB X v. 18.1.2001 (BGBl. I S. 130). § 119 ist nur auf Schadensereignisse nach dem 30.6.1983 anzuwenden. Ist das Schadensereignis nach diesem Stichtag eingetreten und hat der Sachverhalt bereits vor diesem Zeitpunkt bestanden, so ist § 119 i. d. F. ab dem 1.1.2001 anzuwenden, wenn über den Sachverhalt noch nicht abschließend entschieden ist (§ 120 Abs. 1 Satz 2).
1 Allgemeines
Rz. 2
Der Geschädigte kann nach den Grundsätzen der Naturalrestitution (§ 249 BGB) im Rahmen des Regresses den Ersatz der Rentenversicherungsbeiträge verlangen, die er zum Erhalt seines Rentenversicherungsschutzes aufwenden muss. Dies gilt auch dann, wenn noch nicht sicher ist, ob eine beitragslose Zeit später zur Verkürzung seiner Rente führen wird; die bloße Möglichkeit einer derartigen Beeinträchtigung reicht aus (BGH, Urteil v. 18.10.1978, VI ZR 21/76). Auf diese Weise wird in jedem Fall sichergestellt, dass der Versicherte später Rentenleistungen erhält, die nicht wegen der Verletzung eingeschränkt sind. Der Versicherte soll so gestellt werden, als sei seine Biografie unfallfrei. Schutzzweck der Bestimmung ist damit nicht die finanzielle Entlastung des Sozialversicherungsträgers (a. A. Ritze, VersR 1983 S. 214), sondern die Verbesserung der sozialen Sicherung des Versicherten (BSG, Urteil v. 31.1.2002, B 13 RJ 23/01 R; BGH, Urteil v. 15.4.1986, VI ZR 146/85). Nach § 119 geht der Teil des Schadensersatzanspruchs, der den Ersatz von Beiträgen umfasst, im Wege einer Legalzession auf den Sozialversicherungsträger über. Diese Legalzession soll den Ausgleich des Schadens des Verletzten, der in der ausgebliebenen oder verminderten Beitragszahlung liegt, sicherstellen, ohne dass es des Umwegs über dessen Geltendmachung und anschließender Abführung durch den Verletzten selbst bedarf (vgl. Schlaeger/Bruno, in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand: 8/2017, § 119 Rz. 3). Die Ansprüche des Geschädigten auf Ersatz von Beiträgen zur Sozialversicherung können nicht schon gemäß § 116 auf den Sozialversicherungsträger übergehen, denn es fehlt insoweit an der Deckungsgleichheit zwischen den vom Leistungsträger aufgrund des Schadensereignisses erbrachten Sozialleistungen und dem Schaden, der dem Ersatzberechtigten möglicherweise zukünftig durch die fehlenden Rentenversicherungsbeiträge entsteht.
2 Rechtspraxis
2.1 Schadensersatzanspruch
Rz. 3
Voraussetzung der nach § 119 eintretenden Legalzession ist das Bestehen eines Anspruchs auf Schadensersatz, der auch den Ersatz des sog. Beitragsschadens umfasst. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH gehören Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zum Arbeitseinkommen des pflichtversicherten Arbeitnehmers. Verliert ein solcher Arbeitnehmer aufgrund einer verletzungsbedingten Arbeitsunfähigkeit seine Beschäftigung und entfällt deshalb die Beitragspflicht, muss der eintrittspflichtige Schädiger gemäß den §§ 842, 843 BGB die Nachteile ersetzen, die dem Geschädigten durch diese Störung seines Versicherungsverhältnisses entstehen (BGH, Urteil v. 16.6.2015, VI ZR 416/14).
2.2 Beteiligte am Forderungsübergang
Rz. 4
§ 119 gilt für alle Personen, die vor dem Schadensereignis pflichtversichert waren, im Zeitpunkt des Schadensereignisses pflichtversichert waren oder danach pflichtversichert werden. Damit hat der Gesetzgeber zwar eine deutliche Erweiterung des geschützten Personenkreises vorgenommen, jedoch sich der weitergehenden Rechtsprechung des BGH (Urteil v. 19.10.1993, VI ZR 56/93) nicht angeschlossen, wonach die Schadensersatzpflicht zumindest auch dann besteht, wenn davon auszugehen ist, dass der Geschädigte, wäre es zum Schadensereignis nicht gekommen, eine versicherungspflichtige Tätigkeit aufgenommen hätte (Bieresborn, in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 119 Rz. 2). In dieser Konstellation muss der Geschädigte selbst den Anspruch geltend machen. Denn in der ...