0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

§ 91 wurde mit Wirkung zum 1.7.1983 durch das Gesetz v. 4.11.1982 (BGBl. I S. 1450) in das SGB X eingeführt. Eine Vorgängervorschrift ist nicht vorhanden. Es war aber bereits im Jahr 1980 vom BSG festgestellt worden (Urteil v. 11.9.1980, 1 RA 75/79), dass der Grundgedanke des Auslagenersatzes, wie in § 670 BGB festgelegt, auch für öffentlich-rechtliche Auftragsverhältnisse, die im Sozialrecht seinerzeit nicht gesetzlich normiert waren, gelten sollte. Mit der Neufassung des SGB X v. 18.1.2001 (BGBl. I S. 130) wurde § 91 neu bekanntgemacht.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Regelungsgegenstand des § 91 ist die finanzielle Abwicklung von Auftragsverhältnissen. Dem Beauftragten steht nach § 91 Abs. 1 grundsätzlich ein Aufwendungs- und nach Abs. 2 grundsätzlich ein Kostenerstattungsanspruch zu. Auch hat der Beauftragte einen Anspruch auf Gewährung eines angemessenen Vorschusses (§ 91 Abs. 3). Von § 91 Abs. 1 bis 3 abweichende Vereinbarungen sind zwischen dem Auftraggeber und Beauftragten zulässig (§ 91 Abs. 4).

2 Rechtspraxis

2.1 Erstattung von Sozialleistungen (Abs. 1 Satz 1 und 2)

 

Rz. 3

Erstattet werden gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 Sozialleistungen nach § 11 SGB I, demnach die im Sozialgesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen. Diese Sozialleistungen müssen für den Auftraggeber in Ausübung des Auftragsgeschäftes erbracht worden sein. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld als Wertersatz zu erstatten (§ 91 Abs. 1 Satz 2). Der Wert einer Sachleistung berechnet sich nach dem durch den Beauftragten verausgabten Betrag, soweit dessen Aufwendung für die Leistungserbringung gegenüber dem Berechtigten notwendig war. Seine Erstattungsansprüche muss der Beauftragte gegenüber dem Auftraggeber gemäß § 89 Abs. 3 beziffern. Den Auftraggeber trifft damit keine eigene Ermittlungspflicht bezüglich der Höhe der zu erstattenden Kosten

2.2 Ausschluss der Erstattungspflicht (Abs. 1 Satz 3)

 

Rz. 4

Die Erstattungspflicht des Auftraggebers besteht nicht, wenn der Beauftragte die Sozialleistungen zu Unrecht gewährt hat und den Beauftragten hierfür ein Verschulden trifft. Der Gesetzentwurf hatte ursprünglich lediglich eine Verantwortlichkeit des Beauftragten gefordert, womit regelmäßig alle zu Unrecht gewährten Leistungen, die kausal dem Beauftragten zuzurechnen gewesen wären, von der Erstattungspflicht ausgenommen worden wären. Nach Intervention des Bundesrates wurde das Verschuldensprinzip, das strengere Voraussetzungen als das Verantwortlichkeits- oder Zurechnungsprinzip hat, eingeführt (vgl. BT-Drs. 9/95 S. 35). Hierdurch wird der Beauftragte besser geschützt, da er seinen Erstattungsanspruch auch dann geltend machen kann, wenn er die Leistung zwar zu Unrecht erbracht hat, ihn hieran aber kein Verschulden trifft.

 

Rz. 5

Verschulden ist Vorsatz und Fahrlässigkeit im Sinne der Außerachtlassung der im Verkehr üblichen Sorgfalt. Nach § 276 BGB, der hier zur Klärung von Begrifflichkeiten herangezogen werden kann, ist auch eine leichte Fahrlässigkeit, vom BSG regelmäßig als einfache Fahrlässigkeit bezeichnet, geeignet, den Ausschluss der Erstattungspflicht des Auftraggebers herbeizuführen. Allerdings dürfte in der Praxis eine leichte Fahrlässigkeit nur selten Grund für die unrechtmäßige Erbringung einer Leistung durch den Auftraggeber sein.

 

Rz. 6

Bei Auszahlung von Leistungen teilt der Auftraggeber regelmäßig die Berechnungsgrundlagen, z. B. das Regelentgelt, mit. Bei Rechtsfragen, die der Auslegung durch den Auftraggeber zugängig sind, sollte der Beauftragte nachfragen.

Bei der überhöhten und damit unrechtmäßigen Auszahlung von Geldleistungen muss der Auftraggeber aber zumindest dasjenige erstatten, was dem Berechtigten rechtmäßig zugestanden hat. Dies ergibt sich bereits aus der Gesetzesformulierung ("soweit").

Das BSG (Urteil v. 7.12.1983, 9a RV 49/82) hat ein Verschulden bejaht für den Fall, dass bei einer objektiv unsicheren Rechtslage nicht beim Auftraggeber nachgefragt wurde.

Auch ein ggf. vorhandenes Verschulden des Auftraggebers ist schadensmindernd zu berücksichtigen. Hier kann § 254 BGB entsprechend angewandt werden.

2.3 Erstattung von Kosten (Abs. 2 Satz 1)

 

Rz. 7

Der Auftrag muss entsprechend den Regelungen im BGB unentgeltlich und fremdnützig ausgeführt werden (vgl. §§ 662 ff. BGB). Der Beauftragte hat lediglich einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen. § 91 Abs. 2 spricht hier in diesem Zusammenhang von Kosten. Der umfassende Kostenbegriff nach § 30 Abs. 2 SGB IV umfasst auch die Erstattung der in § 91 Abs. 1 genannten Sozialleistungen. Kosten i. S. d. § 91 Abs. 2 sind hingegen alle bei der Ausführung des Auftrages erbrachten Aufwendungen des Beauftragten mit Ausnahme der Leistung.

 

Rz. 8

Fraglich ist, ob der Aufwand für die Erbringung der Leistung auch erstattungsfähig ist. Eine Antwort ist nur unter Heranziehung zivilrechtlicher Grundsätze zu finden. Nach § 670 BGB umfasst der Aufwendungsersatz nur dann eine Vergütung für die Tätigkeit des Beauftragten, wenn die Ausübung der Tätigkeit zu seinem Beruf und Gewerbe gehört. Da es sich hier bei den Beauftragten regelmäßig um öffentlich-rechtliche Körperschaften handelt, die zur Ausübung von ihnen gesetzlich zugewiesenen Verwaltungstätigkeiten verpflichtet sind...

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