Rz. 5
Die Klagerücknahme ist eine einseitige, empfangsbedürftige Prozesshandlung, mit der der Kläger gegenüber dem Gericht erklärt, er verfolge den prozessualen Anspruch auf Weiterführung des Verfahrens nicht mehr. Dementsprechend ist sie eine prozessuale Verzichtserklärung. Sie ist das Gegenstück zur Klageerhebung (BSGE 21 S. 13, 15 = Breithaupt 1965 S. 84).
Rz. 6
Denkbar ist auch eine teilweise Rücknahme der Klage. Ob eine solche Teilrücknahme in anderen Prozesshandlungen zu sehen ist, ist eine Frage der Auslegung im Einzelfall (vgl. BSG, Urteil v. 23.2.2005, B 6 KA 77/03 R, SozR 4-1500 § 92 Nr. 2 = USK 2005 S. 109). So kann z. B. in einer Klagebeschränkung oder in einer Klageänderung i. S. d. § 99 eine Teilrücknahme enthalten sein (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 18.9.2009, L 8 U 5884/08, UV-Recht Aktuell 2009, 1223; aber LSG Brandenburg, Urteil v. 28.8.2000, L 7 U 32/00, HVBG-INFO 2001 S. 2564 ff., zu einem Fall der Teilrücknahme in der mündlichen Verhandlung) und ebenso in der Annahme eines Teilanerkenntnisses bei gleichzeitiger vollumfänglicher Erledigungserklärung (Fall des LSG Hessen, Urteil v. 21.2.2003, L 15/13 RA 1006/00; vgl. auch BSG, Urteil v. 6.5.2010, B 13 R 16/09 R, SozR 4-1300 § 48 Nr. 19 = Breithaupt 2011 S. 230).
Rz. 7
Erklärt der Kläger, er verzichte auf eine Fortführung des Verfahrens, so ist dies i. d. R. als Klagerücknahme auszulegen. Abzugrenzen ist der rein prozessuale Verzicht gegenüber dem Verzicht in materieller Hinsicht, der das Gegenstück zum Anerkenntnis darstellt. Der materiell-rechtliche Anspruch wird durch die Klagerücknahme nicht berührt, er kann jedoch nicht mehr Gegenstand einer Klage werden (siehe hierzu auch Peters/Sautter/Wolff, § 102 Anm. 1 m. w. N.). Das gilt jedenfalls dann, wenn keine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten ist (so LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 14.10.2004, L 5 U 17/03, im Fall einer Leistungsklage wegen eines Erstattungsanspruchs nach § 104 SGB X).
Da die Klagerückname eine Prozesshandlung ist, ist sie wie alle Prozesshandlungen bedingungsfeindlich, grundsätzlich unwiderruflich (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 18.11.2014, L1 KR 552/14; LSG Sachsen, Urteil v. 6.5.2004, L 3 AL 301/03; LSG Brandenburg, Urteil v. 4.2.2004, L 2 RJ 103/03; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 19.10.2000, L 9 AL 98/00) und unanfechtbar, es sei denn, es liegen Wiederaufnahmegründe i. S. d. ZPO vor (BSG, Beschluss v. 12.9.1961, 3 RK 13/59, SozR § 102 Nr. 6; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 18.11.2014, L1 KR 552/14; LSG Bayern, Urteil v. 18.5.2011, L 16 AS 48/1; Beschluss v. 13.5.2011, L 7 AS 293/11 B ER; LSG Brandenburg, Urteil v. 4.2.2004, L 2 RJ 103/03; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 24.2.1999, L 2 RJ 4585/98; LSG Baden-Württemberg, Urteil v.8.4.1997, L 13 Ar 3353/96; LSG Berlin, Urteil v. 15.4.1997, L 13 Vs 94/96). Andererseits müssen die allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen für alle Prozesshandlungen, vor allem die Prozessfähigkeit, erfüllt sein. Hat aber ein vollmachtloser Vertreter oder ein Prozessunfähiger die Klage erhoben, so kann er sie auch wieder zurücknehmen (zum Fall eines nicht postulationsfähigen Klägers: BSG, Beschluss v. 27.10.2016, B 13 R 337/15 B; BSG, Entscheidung v. 23.9.1982, BSGE 54 S. 104; vgl. hierzu auch Rn. 11).