Rz. 30
Die Berufungsrücknahme hat zur Folge, dass das Berufungsverfahren beendet wird und über die Kosten zu entscheiden ist, sofern keine weitere selbständige Berufung eingelegt worden ist. Zu den vom LSG auszusprechenden Rechtsfolgen der Berufungsrücknahme rechnet die Entscheidung über die Kostentragung (§ 156 Abs. 2 Satz 2). Sie ist erforderlich, um für die Kosten des Berufungsverfahrens einen vollstreckbaren Titel zu erlangen, denn das SG hat in seinem (nunmehr rechtskräftigen) Urteil oder Gerichtsbescheid nur über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens entschieden (Bernsdorff, in: Hennig, SGG, § 156 Rn 53). Kosten sind die Kosten des Berufungsverfahrens. Bei Kostenfreiheit nach § 183 sind das die außergerichtlichen Kosten. Die Kostenentscheidung bedarf dann eines Antrags. Wenn die Berufungsrücknahme vor oder nach Schluss der mündlichen Verhandlung erklärt worden ist, kann dieser schriftlich gestellt werden. Wird die Rücknahme bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erklärt, kann der Antrag noch in der mündlichen Verhandlung zur Niederschrift erklärt werden; Er kann aber auch noch später schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingereicht werden. Zur elektronischen Einlegung vgl. § 65a.
Rz. 31
Antragsberechtigt ist jeder am Berufungsverfahren Beteiligte (Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 156 Rn 39). Für den Antrag muss ein – i. d. R. zu bejahendes – Rechtsschutzbedürfnis gegeben sein. Wird in einem außergerichtlichen Vergleich vereinbart, dass die Berufung zurückgenommen wird und wer die Verfahrenskosten trägt, so entfällt das Rechtsschutzbedürfnis gleichwohl nicht (BGH, Beschluss v. 13.6.1972, X ZR 45/69, MDR 1972 S. 945, 946; Zöller/Heßler, ZPO, § 516 Rn. 23). Das Rechtsschutzbedürfnis folgt i. d. R. daraus, dass die Rechtskraft später angezweifelt werden könnte; es ist zu verneinen, wenn die Kosten infolge eines außergerichtlichen Vergleichs bereits beglichen sind (BGH, Beschluss v. 13.6.1972, X ZR 45/69, MDR 1972 S. 945). Das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag kann nicht mit der Begründung verneint werden, es seien keine erstattungsfähigen Kosten entstanden (zutreffend: Bernsdorff, in: Henning, SGG, § 156 Rn. 55). Damit würde das LSG dem Kostenfestsetzungsverfahren vorgreifen. Liegt ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag vor, so ist regelmäßig Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Rz. 32
Auch die Gerichtskosten gehören zu den Kosten im Sinne des § 156 Abs. 2 Satz 2. Hierüber ist von Amts wegen durch Beschluss nach Maßgabe von § 197a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 154 ff. VwGO zu entscheiden. Nach § 155 Abs. 2 VwGO hat derjenige, der ein Rechtsmittel zurücknimmt, die Kosten zu tragen. Mit der Berufungsrücknahme nach Schluss der mündlichen Verhandlung, also nachdem bereits eine Entscheidung des LSG ergangen ist, wird diese Entscheidung auch hinsichtlich der Kosten wirkungslos (Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 156 Rn. 39).
Rz. 33
Von Amts wegen ist ferner über Mutwillenskosten nach § 192 zu befinden, wenn die Voraussetzungen des § 192 Abs. 1 Satz 1 im Verfahren bis zur Erklärung der Rücknahme vorgelegen haben. Für im Urteil/Gerichtsbescheid des SG verhängte Mutwillenskosten bestimmt § 192 Abs. 2, dass diese Entscheidung in ihrem Bestand nicht durch die Rücknahme der Klage (§ 102 Satz 1) berührt wird; sie kann nur durch eine zu begründende Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren aufgehoben werden. Eine bereits getroffene Entscheidung des LSG über Verschuldenskosten im Berufungsverfahren wird durch die Berufungsrücknahme nicht berührt (Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 156 Rn. 39). Nimmt ein Beteiligter seine Berufung zurück, beweist dies noch nicht, dass er vorher nicht mutwillig gehandelt hätte (Zeihe, SGG, § 156 Rn. 8a; vgl. auch LSG Bremen, Beschluss v. 30.8.2001, L 2 RA 9/01, Breithaupt 2002 S. 67). Wird die Berufungsrücknahme erst im Nichtzulassungsbeschwerde- oder Revisionsverfahren erklärt, ist § 192 Abs. 2 Satz 2 nicht entsprechend auch für das BSG anzuwenden, denn dieses kann nicht gezwungen sein, die Entscheidung des LSG über die Verhängung von Verschuldenskosten überprüfen zu müssen (zutreffend: Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 156 Rn. 39).
Rz. 34
Sofern sich der Rechtsstreit durch eine Klagerücknahme in der Berufungsinstanz erledigt, ist auf Antrag auch über die dem Kläger erstinstanzlich auferlegten Kosten durch Beschluss zu entscheiden, denn die Klagerücknahme in der Berufungsinstanz erledigt den Rechtsstreit nicht nur in der Hauptsache, sondern macht das erstinstanzliche Urteil auch im Kostenpunkt gegenstandslos (LSG Bayern, Beschluss v. 16.4.1980, L 4 Kr 31/77, Breithaupt 1980 S. 914;). Dies gilt allerdings nur für die außergerichtlichen Kosten sowie die Gerichtskosten nach § 197a (Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 156 Rn. 40). Wird die Klage zurückgenommen, so entscheidet das LSG über die Wirkungen der Rücknahme nach § 102 Satz 3 und nicht nach § 156 Abs. 2 Satz 2. Das LSG stellt dann auf Antrag eines der Beteiligten die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache fest und ...