Rz. 6
Die Beschwerde wird beim SG eingelegt (§ 173 Satz 1). Die Beschwerdeeinlegung beim Beschwerdegericht (LSG) war bis zum Inkrafttreten des 6. SGGÄndG am 1.1.2002 nicht fristwahrend (vgl. auch Zeihe, SGG, § 173 Rn. 6). Insoweit wich das SGG von den anderen Verfahrensordnungen ab, denn nach § 147 VwGO, § 129 FGO und § 569 Abs. 1 ZPO kann die Beschwerde fristwahrend auch beim Beschwerdegericht eingelegt werden. Das kannte das SGG nur im Fall der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 Abs. 1 Satz 3 a. F.). Das Beschwerdegericht war zur Weiterleitung der Beschwerde an das SG nicht verpflichtet; unterbliebene oder nicht fristwahrende Weiterleitungen an das SG waren keine Wiedereinsetzungsgründe (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 30.8.1985, L 6 EA Ar 14/85, NZA 1986 S. 40). Durch das 6. SGGÄndG (BGBl. I S. 2144) ist die Rechtslage insoweit den anderen Verfahrensordnungen angepasst worden. Nunmehr ist die Beschwerdefrist auch dann gewahrt, wenn die Beschwerde beim LSG eingelegt wird. Ausweislich der Gesetzesbegründung liegt dem zugrunde, die Vorschrift an die Regelung über die Fristwahrung bei der Nichtzulassungsbeschwerde in § 145 Abs. 1 Satz 3 anzugleichen (BT-Drs. 14/5943 S. 28). Das gilt sowohl für die Beschwerde als auch für die Anschlussbeschwerde.
Nach bisheriger Rechtslage entschied das LSG grundsätzlich erst, wenn das SG nicht abgeholfen hatte (§ 174). Durch das SGGArbGÄndG ist der Verfahrensablauf ab dem 1.1.2008 geändert worden. Die Abhilfevorschrift des § 174 wurde gestrichen. Ungeachtet dessen ist die Beschwerde weiterhin beim SG einzulegen. Das ist sinnwidrig. Das SG ist mit der Sache nicht mehr befasst. Der Gesetzgeber hat es versäumt, das Regel-Ausnahmeverhältnis des § 173 Satz 1 (Regel: Einlegung beim SG) zu § 173 Satz 2 (Ausnahme: Einlegung beim LSG) an die Streichung des § 174 anzupassen. Hierzu hätte § 173 Satz 1 bestimmen müssen, dass die Beschwerde beim LSG einzulegen ist. Satz 2 wäre dahin zu ändern, dass die Beschwerdefrist auch dann gewahrt ist, wenn die Beschwerde beim SG eingelegt wird.
Rz. 7
Die Beschwerde muss statthaft und zulässig sein. Statthaft ist die Beschwerde, wenn sie sich gegen eine beschwerdefähige Entscheidung richtet (vgl. Kommentierung zu § 172 Rz. 2 ff.). Zulässig ist sie, wenn sie von einem beschwerdebefugten Beteiligten (Beschwerdeführer) form- und fristgerecht eingelegt wird, dieser beschwert ist und die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen (vgl. Kommentierung vor § 143 Rz. 3 ff.) vorliegen. Die nicht statthafte bzw. unzulässige Beschwerde ist zu verwerfen (§ 202 SGG i. V. m. § 572 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Die zulässige, aber unbegründete Beschwerde ist zurückzuweisen. Sofern die Beschwerde zulässig und begründet ist, kann das LSG in der Sache selbst entscheiden oder zurückverweisen (§ 202 SGG i. V. m. § 572 Abs. 3 ZPO). Die Entscheidung ergeht aufgrund freigestellter mündlicher Verhandlung (§ 124 Abs. 3). Die Beschwerdeentscheidung ist zu begründen (§ 142 Abs. 2 Satz 1). Hiervon kann dann abgesehen werden, wenn das LSG die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 142 Abs. 2 Satz 3).
Rz. 7a
Die Beschwerde kann nicht wirksam eingelegt werden, wenn die angefochtene Entscheidung noch nicht existiert (vgl. Kommentierung zu § 172 Rz. 6); sie existiert, wenn das Gericht sie bewusst und gewollt nach außen gibt. Auf die Art der Verlautbarung oder gar Wirksamkeit der Bekanntgabe kommt es insoweit nicht an (hierzu Roth, NJW 1997 S. 1966). Die Beschwerde kann auch vor Beginn der Beschwerdefrist eingelegt werden, sofern sie nur verlautbart ist (Leitherer, SGG, § 173 Rn. 5b). Sofern allerdings die Auffassung vertreten wird, bei verfrühter Beschwerde werde der Mangel mit der späteren Bekanntgabe geheilt, (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl. 2012, § 567 Rn. 12), ist dies unzutreffend (dagegen auch OLG Koblenz, Beschluss v. 25.2.1982, 14 W 105/82, VersR 1982 S. 1058). Für eine solche Konstruktion gibt es keine Rechtsgrundlage.