Rz. 9
Wird die Gegenvorstellung als außergerichtlicher Rechtsbehelf anerkannt, besagt dies nichts über Frist, Form und Bescheidung.
Ob und inwieweit eine Gegenvorstellung fristgebunden ist, wird unterschiedlich beurteilt. Als Frist für die Einlegung der Gegenvorstellung wurde zunächst entsprechend § 93 Abs. 1 BVerfGG ein Monat angenommen. Nach Ablauf der Monatsfrist sollte Rechtssicherheit einkehren (BSG, Beschluss v. 18.2.1992, 10 BAr 8/91, juris; Beschluss v. 8.9.1997, 3 RK 27/95, juris; LSG NRW, Beschluss v. 23.11.2000, L 10 AR 25/00 AB, juris).
Seit Einführung der Anhörungsrüge durch Gesetz v. 9.12.2004 (BGBl. I 3220) mit Wirkung ab dem 1.1.2005 kann dies nicht mehr gelten. Für die Anhörungsrüge ist nur eine Frist von zwei Wochen vorgesehen (§ 178a Abs. 2 Satz 1). Anknüpfend hieran wird - zutreffend - die Auffassung vertreten, dass die Frist für eine Gegenvorstellung sich auch nur auf zwei Wochen seit Kenntnis der die Gegenvorstellung begründenden Tatsachen belaufen könne (hierzu BGH, Beschluss v. 7.3.2002, IX ZB 11/02, NJW 2002 S. 1577; BFH, Beschluss v. 6.5.2004, I S 13/03, NJW 2004 S. 2853; OLG Bremen, Beschluss v. 23.3.2009, 1 W 56/07, MDR 2009, 889; OLG Rostock, Beschluss v. 10.6.2008, 1 U 138/08, MDR 2009, 49; OLG Koblenz, Beschluss v. 26.2.2008, 13 WF 2/08, MDR 2008, 644; OVG NRW, Beschluss v. 17.4.2007, 12 A 1147/07, juris; OLG Frankfurt, Beschluss v. 14.3.2006, 2 WF 35/06, FamRZ 2006, 964; OLG Dresden, Beschluss v. 17.10.2005, 21 UF 527/04, NJW 2006 S. 851).
Soweit die Auffassung vertreten wird, die Gegenvorstellung sei nicht fristgebunden (BFH, Beschluss v. 13.10.2005, IV S 10/05, BFHE 211, 13; FG Niedersachsen, Beschluss v. 4.8.2010, 2 K 70/10, juris), ist dem nicht beizutreten. Selbst wenn dieses Institut aus Art. 19 Abs. 4 GG hergeleitet wird (BFH, a. a. O.), schließt dies nicht aus, die Frist des § 178a Abs. 2 Satz 1 analog zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen heranzuziehen.
Richtet sich eine Gegenvorstellung gegen eine durch einfachen Brief bekannt gegebene Entscheidung des Gerichts, gilt für den Beginn der Frist zur Erhebung der Gegenvorstellung die Bekanntgabefiktion des § 178a Abs. 2 Satz 2 analog (vgl. BFH, Beschluss v. 30.9.2004, IV S 9/03, NJW 2005 S. 526 zu § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977, § 4 Abs. 1 VwZG).
Rz. 10
Da es für außergerichtliche Rechtsbehelfe keine Verfahrensvorschriften gibt, besteht grundsätzlich keine Verpflichtung des iudex a quo hierauf förmlich, d. h. mittels eines Beschlusses zu reagieren. Auf die Gegenvorstellung kann mit einem einfachen Schreiben geantwortet werden (s. § 155 Rz. 28 f.), etwa dergestalt, dass das Vorbringen zur Kenntnis genommen wurde, indes kein Grund besteht, die Entscheidung vom ... abzuändern. Anders wird nur zu verfahren sein, wenn auf eine in der Sache begründete Gegenvorstellung ein Beschluss des iudex a quo abzuändern oder aufzuheben ist. Hierzu bedarf es naturgemäß eines Beschlusses als actus contrario.
Rz. 11
Vorbehaltlich Rz. 10 (formloses Schreiben) und Rz. 8 (Anregung) gilt: Über die Gegenvorstellung gegen eine Entscheidung des Spruchkörpers (einschließlich der ehrenamtlichen Richter) in der mündlichen Verhandlung "entscheiden" die ehrenamtlichen Richter mit. Wird die Gegenvorstellung nach Schluss der mündlichen Verhandlung gegen eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung erhoben, "entscheidet" allein der Kammervorsitzende bzw. die Berufsrichter des Senats (zur Anhörungsrüge vgl. BSG, Beschluss v. 28.9.2006, B 3 P 1/06 C, SozR 4-1500 § 178a Nr. 5; Beschluss v. 16.2.2006, B 9a V 47/05 B, SozR 4-1500 § 178a Nr. 4); die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit (§ 12 Abs. 1 Satz 2). Entscheidungen außerhalb der mündlichen Verhandlung sind umso mehr allein vom Kammervorsitzenden bzw. den Berufsrichtern des Senats zu "bescheiden". Im Übrigen "bescheidet" der Kammer- bzw. Senatsvorsitzende Gegenvorstellungen gegen Beschlüsse der Kammer/des Senats formlos (Rz. 11). Nimmt man an, es müsse durch Beschluss entschieden werden, entscheiden die Berufsrichter ohne ehrenamtliche Richter (vgl. BSG, Beschluss v. 16.2.2006, B 9a V 47/05 B, SozR 4-1500 § 178a Nr. 4 zur unzulässigen Rüge nach § 178a). Richtet sich die Gegenvorstellung gegen eine Entscheidung des Berichterstatters, entscheidet der Senat jedenfalls dann in der Besetzung mit drei Berufsrichtern (§ 33 Satz 1), wenn er die Entscheidung des Berichterstatters aufheben will (LSG NRW, Beschluss v. 16.4.2010, L 18 (8) R 199/05, Beschluss v. 6.5.2010, L 18 (8) R 14/05; im Ergebnis auch: BFH, Beschluss v. 18.8,2005, XI B 151/04, BFH/NV 2006, 82; BAG, Beschluss v. 10.3.1993, 4 AZR 541/92, NZA 1993, 382; OLG Dresden, Beschluss v. 17.11.2009, 3 W 980/09, 3 W 0980/09, juris; OLG Koblenz, Beschluss v. 27.5.2008, 13 WF 1061/07, FamRZ 2008, 1967; das BSG geht von der Besetzung des §§ 33 Satz 2, 12 Abs. 1 Satz 2 jedenfalls dann aus, wenn zeitgleich über eine Anhörungsrüge entschieden wird: BSG, Beschluss v. 8.11.2006, B 2 U 5/06 C, SozR 4-1500 § 1783 Nr. 6; Beschluss v. 28.9.2006, B 3 P 1/06 C, SozR 4-1500 § 178...