Rz. 33
Nach § 178a Abs. 2 Satz 5 muss die Rüge das Vorliegen der in Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen. Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen gehört es, dass die Umstände, aus denen sich die entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Gericht ergibt, schlüssig aufgezeigt werden (BSG, Beschluss v. 18.5.2009, B 3 KR 1/09 C, SozR 4-1500 § 178a Nr. 8; LSG NRW, Beschluss v. 25.5.2009, L 11 KA 78/08, juris).
Rz. 34
Das ergibt sich wie folgt: Das Gebot rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, §§ 62, 128 Abs. 2 SGG) erfordert es, dass das entscheidende Gericht die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht. Dieses Prozessgrundrecht soll sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Fehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG und des BSG ist durch den Anspruch auf rechtliches Gehör zu gewährleisten, dass die Beteiligten nicht durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf (in das Verfahren eingebrachten) Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten, und sicher zu stellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen einbezogen wird (BSG, Beschluss v. 8.11.2006, B 2 U 5/06 C, SozR 4-1500 § 178a Nr. 6; BVerfG, Beschluss v. 29.5.1991, 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188). Dabei ist das Gericht nicht verpflichtet, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene bestimmte Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (BSG, Beschluss v. 5.3.2007, B 4 RS 58/06 B, juris). Ebenso wenig verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten zu folgen. Soweit die zur Begründung der vermeintlichen Gehörsverletzung gemachten Ausführungen ausschließlich darauf abzielen, die Richtigkeit einer angegriffenen Entscheidung zu beanstanden, ist dies nicht Sinn und Zweck der Anhörungsrüge. Dieses Gebot verpflichtet die Gerichte nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 4.9.2008, 2 BvR 2162/07, 2 BvR 2271/07, BVerfGK 14, 238). Das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, besagt zudem nicht, dass Anträgen oder Anregungen eines Verfahrensbeteiligten gefolgt wird (BSG, Beschluss v. 9.9.2010, B 11 AL 4/10 C, juris). Die Gerichte sind auch nicht verpflichtet, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden; es muss nur das Wesentliche der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienende Vorbringen in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (BVerfG, Beschluss v. 20.2.2008, 1 BvR 2722/06, BVerfGK 13, 303; Beschluss v. 31.3.2006, 1 BvR 2444/04, BVerfGK 7, 485, 488; BSG, Beschluss v. 8.11.2006, B 2 U 5/06 C, SozR 4-1500 § 178a Nr. 6). Je umfangreicher ein Vorbringen ist, desto stärker besteht die Notwendigkeit, im Rahmen der Entscheidungsbegründung nur die wesentlichen Fragen abzuhandeln und auf die ausdrückliche Auseinandersetzung mit weniger wichtigen oder gar abwegigen Fragen zu verzichten (BSG, Beschluss v. 28.9.2006, B 3 P 1/06 C, SozR 4-1500 § 178a Nr. 5; LSG NRW, Beschluss v. 21.3.2011, L 19 AS 308/11 B RG, juris).
Rz. 35
Die für die Zulässigkeit der Anhörungsrüge erforderliche Darlegung des Vorliegens der Voraussetzungen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör muss diesen Gehalt des Gebots berücksichtigen; es bedarf mithin einer in sich schlüssigen Darstellung, dass trotz der genannten Grenzen des Prozessgrundrechts eine Verletzung des rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise vorliege. Hierzu gehört insbesondere das Aufzeigen der Umstände, aus denen sich die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Gericht ergibt, gegen dessen Entscheidung sich der Betroffene wendet (BSG, Beschluss v. 7.4.2005, B 7a AL 38/05 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 28.10.2010, L 16 SF 277/09 RG, juris). Ob das Gericht tatsächlich dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, ist in der Begründetheitsprüfung zu klären.
Rz. 36
In der Begründung einer Anhörungsrüge ist sonach schlüssig auszuführen, inwiefern der behauptete Verstoß des Gerichts sich auf dessen Entscheidung ausgewirkt haben kann, der Anhörungsfehler für die Entscheidung also rechtlich kausal gewesen sein soll (BSG, Beschluss v. 16.2.2006, B 9a V 47/05 B, SozR 4-1500 § 178a Nr. 4). Darzulegen ist hiernach, nämlich
- welches Vorbringen nicht berücksichtigt worden ist (bzw. welches Vorbringen das Gericht verhindert hat)
- und warum und wie die Entscheidung des Gerichts durch den Anhörungsmangel (kausal) beeinflusst worden ist
- und weshalb ohne den Gehörsverstoß eine günstigere Entscheidung nicht ausgeschlossen werden kann.
Genügt die Rüge diesen Anforderungen nicht, ist zu sie verwerfen (§ 178a Abs. 4 Satz 1). Ob und inwieweit das Vorbringen des Beteiligte...