Rz. 29
Nach § 193 Abs. 3 sind die gesetzlichen Gebühren und notwendigen Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig. Im Gegensatz zum Auftreten in einem Widerspruchsverfahren (§ 63 Abs. 2 SGB X) wird die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren unwiderleglich vermutet. Die Vorschrift stellt klar, dass die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes im Gerichtsverfahren nicht geprüft, sondern unterstellt wird (BSG, Urteil v. 29.11.1991, 7 RAr 90/90; BVerfG, Beschluss v. 1.10.2009, 1 BvR 1969/09). Der Urkundsbeamte darf im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens nach § 197 Abs. 1 grundsätzlich nicht prüfen, ob die Anwaltsbestellung notwendig war. Die Gebührenvereinbarung zwischen einem Beteiligten und seinem Rechtsanwalt ist nicht zu berücksichtigen. Vereinbarte Gebühren, die den gesetzlichen Rahmen überschreiten, sind nicht erstattungsfähig.
Rz. 30
Wenn mehrere Rechtsanwälte für einen Beteiligten gleichzeitig bestellt sind, werden grundsätzlich nur die Kosten eines Rechtsanwalts erstattet. Nach dem Grundsatz der Verpflichtung zur kostensparenden Prozessführung hat jeder Beteiligte die Kosten der Prozessführung so niedrig zu halten, wie sich dies mit der vollen Wahrung seiner berechtigten prozessualen Situation vereinbaren lässt. Als notwendig sind daher regelmäßig nur die Gebühren und Auslagen eines mit der Prozessvertretung beauftragten Rechtsanwalts anzusehen. Da grundsätzlich die Kosten eines Rechtsanwalts, der seine Kanzlei nicht am Gerichtssitz hat, erstattungsfähig sind, sind die Kosten eines Korrespondenzanwalts nur in Ausnahmefällen zu übernehmen. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte eines Beteiligten sind nur entsprechend dem Gedanken des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste (VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 1.2.2011, 2 S 102/11). Bei einem Anwaltswechsel sind die Kosten des zweiten Anwalts nur zu erstatten, wenn der Anwaltswechsel weder auf dem Verschulden des Beteiligten noch auf dem Verschulden des ersten Rechtsanwalts beruht (vgl. (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss v. 24.4.2007, 1 O 53/07; vgl. auch OLG Nürnberg, Beschluss v. 8.9.2011, 6 W 1554/11 m. w. N.). Wird dem ersten Anwalt die Zulassung entzogen, sind die Kosten des zweiten Anwalts nur erstattungsfähig, wenn weder den Beteiligten noch den ersten Anwalt ein Verschulden trifft (OLG Koblenz, Beschluss v. 15.10.2003, 14 W 676/03). Ein Anwaltswechsel liegt nicht vor, wenn ein Beteiligter zunächst von einem Verbandsvertreter vertreten wird und später zu einem Anwalt wechselt. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind im Fall der Streitgenossenschaft erstattungsfähig. Für die Streitgenossen besteht keine kostenrechtliche Verpflichtung zur Bestellung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten, jeder Streitgenosse kann sich durch einen eigenen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Kosten für einen eigenen Bevollmächtigten sind nicht erstattungsfähig, wenn feststeht, dass ein eigener Prozessbevollmächtigter für eine interessengerechte Prozessführung nicht erforderlich sein wird, also kein besonderer sachlicher Grund für die Einschaltung eines eigenen Anwalts besteht (BGH, Beschlüsse v. 20.1.2004, VI ZB 76/03, und v. 13.10.2011, V ZB 290/10). Haben mehrere Streitgenossen gemeinsam einen Rechtsanwalt, kann jeder Streitgenosse i. d. R. eine Erstattung nur der anteiligen Gebühr des Prozessbevollmächtigten beanspruchen (BGH, Beschluss v. 30.4.2003, VIII ZB 100/02). Einen höheren Betrag als seinen Bruchteil kann ein Streitgenosse nur fordern, wenn er glaubhaft macht, dass er ihn aufgewendet hat oder aufwenden muss (BGH, Beschluss v. 20.6.2017, VI ZB 55/16).
Rz. 31
Tritt ein Rechtsanwalt in eigener Angelegenheit auf, kann er Gebühren und Auslagen erstattet verlangen, als hätte er einen Rechtsanwalt beauftragt (§ 202 i. V. m. § 91 Abs. 3 Satz 4 ZPO). In eigener Angelegenheit wird ein Rechtsanwalt tätig, wenn er eigene, ihm als Privatperson zustehende Rechte verfolgt, als Partei kraft Amtes auftritt, aufgrund gewillkürter Verfahrensstandschaft als Beteiligter auftritt oder als gesetzlicher Vertreter (Inhaber der elterlichen Gewalt, als Pfleger, als besonderer Vertreter, als Vorstand eines Vereins oder einer Aktiengesellschaft, als Geschäftsführer einer GmbH) tätig ist (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 12.4.1995, L 5 B 264/94). Die Tätigkeit eines Rechtsanwalts in eigenen Angelegenheiten im Vorverfahren schließt ebenfalls einen Gebührenanspruch nicht aus (BSG, Urteile v. 20.11.2001, B 1 KR 21/00 R, und v. 18.12.2001, B 12 KR 42/00 R; a. A.: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 17.2.2000, L 16 KR 179/98). Entscheidend für den Gebührenanspruch ist, ob in der gegebenen Konstellation vom Standpunkt einer vernünftigen Person ohne spezielle Rechtskenntnisse aus die Zuziehung eines Rechtsbeistands im Zeitpunkt der Erhebung der Klage oder des Widerspruchs geboten gewesen wäre.