Rz. 11
Nach § 41 Nr. 1 ZPO ist ein Richter (oder Urkundsbeamter der Geschäftsstelle, § 49 ZPO) von der Ausübung seines Amtes ausgeschlossen in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder zu einer Partei im Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht.
Rz. 12
Der Richter ist ausgeschlossen, wenn er selbst Partei ist. Die ZPO enthält keine eigenständige Vorschrift, die festlegt, wer Partei ist. Der 2. Abschnitt des 1. Buchs der ZPO setzt dies als gegeben voraus. Demzufolge verhält sich § 50 ZPO auch nur zur Frage, wer parteifähig, nicht hingegen dazu, wer Partei ist. § 50 Abs. 1 ZPO knüpft die Parteifähigkeit an die Rechtsfähigkeit. Nach § 50 Abs. 1 ZPO ist jede rechtsfähige Person parteifähig; sie kann klagen (aktive Parteifähigkeit) und verklagt werden (passive Parteifähigkeit). Die Prozessordnungen der öffentlichrechtlichen Gerichtsbarkeiten weichen hiervon ab. Statt des Begriffs "Partei" wird der Terminus "Beteiligter" verwandt. Im Gegensatz zur ZPO wird in den öffentlich-rechtlichen Prozessordnungen geregelt, wer Beteiligter am Verfahren sein kann (§ 63 VwGO, § 69 SGG und § 57 FGO). Die Beteiligtenfähigkeit bestimmen § 70 SGG und § 61 VwGO. Die FGO verzichtet hierauf. Stattdessen legt sie in § 58 FGO fest, wer zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig ist. Die Regelungstechnik von § 40 SGG und § 61 VwGO ist an jene des Zivilprozesses angelehnt; der materiell-rechtliche Anknüpfungspunkt wird in § 61 Nr. 1 VwGO bzw. § § 70 Nr. 1 SGG übernommen und in der folgenden Listung (§ 70 Nr. 2 bis 4 SGG bzw. § 61 Nr. 2 und 3 VwGO) erweitert. § 70 SGG reicht sonach weiter als § 50 ZPO und auch weiter als § 61 VwGO. Die prozessuale Funktion der Begrifflichkeiten "Partei" und "Beteiligter" ist weitgehend identisch (vertiefend Frehse, Kompensation-ÜGG, S. 710 ff.).
Rz. 13
Der Parteibegriff ist nicht nur formell i. S. d. der ZPO (zum formellen Parteibegriff vgl. Frehse, Kompensation-ÜGG, S. 711), sondern auch materiell zu verstehen. Partei ist, für oder gegen wen ein Urteil unmittelbar in den Grenzen der §§ 265, 325, 727 ZPO wirksam oder vollstreckbar ist (Zöller/Vollkommer, ZPO, § 41 Rn. 6; zum Parteibegriff vgl. auch OVG Hamburg, Beschluss v. 8.11.2011, 7 Bf 104/11.PVB). Deshalb ist der Richter nicht nur als Partei kraft Amtes ausgeschlossen, sondern auch als Träger des dahinter stehenden Vermögens (Prütting/Gehrlein/Graßnack, ZPO, 3. Aufl. 2011, § 41 Rn. 22). Gehört der Richter, ohne eine organschaftliche Stellung innezuhaben, einer juristischen Person an, führt dieses nicht zu seinem Ausschluss, da Partei die juristische Person ist (Zöller/Vollkommer, ZPO, § 41 Rn. 6). Ein Richter ist als Genosse einer Genossenschaft in einem von diesem geführten Rechtsstreit daher nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen (BVerwG, Beschluss v. 18.4.2001, 8 B 11/01). Bei organschaftlicher Stellung ist § 41 Nr. 4 ZPO zu prüfen (vgl. Rz. 19 ff.).
Rz. 14
Partei ist auch, wer als Dritter nach § 66 ZPO (Nebenintervention), § 74 Abs. 1 ZPO (Streitverkündung), §§ 75 ff. ZPO (Gläubigerstreit) an einem Rechtsstreit beteiligt ist (Zöller/Vollkommer, ZPO, § 41 Rn. 6). Partei i. S. d. § 60 Abs. 1 Satz 1 ist auch der Beigeladene (zu § 41 Nr. 4 ZPO: BSG, Urteil v. 8.8.1975, 6 RKa 9/74).
Rz. 15
Die Wortfolge "in Sachen" meint eine Mitberechtigung bzw. Mitverpflichtung. Eine solche besteht nur bei einer unmittelbaren Beteiligung z. B. als Bürge, Wechsel- oder Scheckverpflichteter, als Mitglied eines nicht rechtsfähigen Vereins, als Gesamtgläubiger oder -schuldner gemäß §§ 421 ff. BGB, als Gesellschafter einer Personengesellschaft, als stiller Gesellschafter oder Kommanditist (Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl. 1993, § 41 Rn. 4), als Eigentümer einer für den Streitgegenstand haftenden Sache, ferner als Amtsträger des Haftungsprozesses aus § 839 BGB wegen der Regressmöglichkeit aus Art. 34 Abs. 2 GG (Stein/Jonas/Bork, ZPO, § 41 Rn. 9). Danach ist ein Richter ausgeschlossen, wenn er etwa Bürge für die streitige Forderung ist oder er hinsichtlich der streitigen Forderung als Haftungsschuldner (§§ 69 ff. der Abgabenordnung) in Betracht kommt (FG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 19.2.2013, 5 K 1027/11). Keine unmittelbare Beteiligung ergibt sich aus der Stellung als Aktionär oder als Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft (Prütting/Gehrlein/Graßnak, ZPO, § 41 Rn. 23; LSG Hessen, Urteil v. 13.7.2005, L 6/7 KA 564/02). Dementsprechend führt die Mitgliedschaft eines Vertrags(zahn)arztes in der Vertreterversammlung einer am Verfahren beteiligten Kassenärztlichen Vereinigung nicht zu seinem Ausschluss (BSG, Beschluss v. 13.5.1998, B 6 KA 31/97 R).
Rz. 16
Erhebt eine Prozesspartei gegen den Richter wegen seines Verhaltens im Verfahren eine Schadensersatzklage, so begründet dies nicht den Ausschlusstatbestand des § 41 Nr. 1 ZPO. Die etwaige Regresspflicht muss sich aus dem Streitgegenstand des Verfahrens ergeben. Eine Schadensersatzklage wegen Verfahrensführung und Entscheidung führt zu keinem Ausschuss. Dies ergibt sich jedenfalls a...