Rz. 5
Urteile sind stets zuzustellen (§ 135 SGG). Für nicht aufgrund mündlicher Verhandlung ergehende Urteile ordnet § 133 Satz 1 SGG dies nochmals ausdrücklich an.
Rz. 6
Nicht aufgrund mündlicher Verhandlung ergehende Beschlüsse sind zuzustellen (§ 133 Satz 2 SGG), auch wenn sie unanfechtbar sind. Aufgrund mündlicher Verhandlung ergehende Beschlüsse müssen nach §§ 142, 135 SGG zugestellt werden, sofern die mündliche Verhandlung eigens hierfür anberaumt worden ist (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 142 Rn. 7). Die formlose Zusendung des Protokolls reicht nicht. Setzt das Gericht z. B. in einem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes Termin zur mündlichen Verhandlung an, kann der Vorsitzende die Sachentscheidung (Tenor und Begründung) in das Protokoll diktieren. Die Entscheidung muss dann nicht gesondert als im Übrigen verschriftlichter Beschluss zugestellt werden. Fraglich könnte sein, ob es ausreicht, wenn nur der Vorsitzende eines mit mehreren Berufsrichtern besetzten Spruchkörpers ein solches Protokoll unterschreibt. Nach § 153 Abs. 3 Satz 1 SGG ist das Urteil von den Mitgliedern des Senats zu unterzeichnen. Die Vorschrift gilt für Beschlüsse entsprechend. Hieraus kann indessen nicht hergeleitet werden, dass auch ein solches Protokoll von allen an der Entscheidung mitwirkenden Berufsrichtern unterzeichnet werden muss. Das Protokoll (Niederschrift) verlangt nur die Unterschrift des Vorsitzenden (§ 122 SGG i. V. m. § 163 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für in der mündlichen Verhandlung verkündete Beschlüsse verdrängt § 163 Abs. 1 Satz 1 ZPO die insoweit konkurrierende Regelung des § 153 Abs. 3 Satz 1 SGG infolge Spezialität. Ohnehin enthält das Protokoll die Namen der mitwirkenden Richter (§ 160 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und verbürgt insoweit, dass diese an der Entscheidung beteiligt waren.
Rz. 7
Anlässlich eines Termins zur mündlichen Verhandlung in der Hauptsache verkündete Beschlüsse (z. B. Wiedereinsetzungs- oder Streitwertwertbeschlüsse) müssen nicht zugestellt werden. Sie werden in das Protokoll aufgenommen.
Rz. 8
Anordnungen sind dann zuzustellen, wenn sie eine gesetzliche oder richterliche Frist in Gang setzen wie etwa die Fristsetzung nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO.
Rz. 9
Die Rücknahmefiktion setzt den Ablauf einer zuvor vom Gericht gesetzten Frist zum Betreiben des Verfahrens voraus (§ 102 Abs. 2 Satz 1 SGG). Ein lediglich mit dem Zusatz "Auf richterliche Anordnung" durch eine Justizangestellte unterzeichnetes gerichtliches Schreiben der Geschäftsstelle kann eine Frist zum Betreiben des Verfahrens nicht in Lauf setzen (BSG, Urteil v. 1.7.2010, B 13 R 58/09 R, NJW 2011 S. 1992). Eine formell ordnungsgemäße Betreibensaufforderung muss nicht nur vom zuständigen Richter verfügt und unterschrieben sein, vielmehr muss die gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 zuzustellende Ausfertigung/beglaubigte Abschrift durch Wiedergabe des vollen Namens des Richters erkennen lassen, dass die Betreibensaufforderung von ihm stammt (BSG, Beschluss v. 19.10.2016, B 14 AS 105/16 B, SozR 4-1500 § 156 Nr. 1; BSG, Urteil v. 1.7.2010, B 13 R 58/09 R, NJW 2011 S. 1992; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 29.3.2017, L 32 AS 1227/16 ZVW WA; LSG Bayern, Urteil v. 14.12.2016, L 2 P 19/15; LSG Sachsen, Beschluss v. 1.12.2010, L 7 AS 524/09).
Rz. 10
Keine förmliche Zustellung ist gesetzlich vorgesehen bei Terminbestimmungen und Ladungen. Die Regelung ist mit dem 6. SGGÄndG (BGBl. I S. 2144) auf die Beteiligten (§ 69 SGG) ausgeweitet worden (vgl. Rz. 1) und galt zuvor schon für nicht am Verfahren Beteiligte wie Zeugen und Sachverständige. Auch den Beteiligten können seither Ladungen formlos übermittelt werden, wenn das Gericht nicht die Zustellung anordnet. Damit soll ermöglicht werden, förmliche Zustellungen auf die Fälle zu beschränken, in denen das Erscheinen der Beteiligten oder eines Dritten sichergestellt werden soll (vgl. BT-Drs. 12/6962). Allerdings: Ist der Kläger nicht ordnungsgemäß zum Termin nach § 63 Abs. 1 Satz 2 geladen, ist das Gericht gehindert, die Instanz durch Urteil nach mündlicher Verhandlung zu beenden (vgl. BSG, Urteil v. 3.11.1993, 1 RK 30/92, SozR 3-1750 § 551 Nr. 6). Entscheidet das Gericht dennoch, verletzt es den Anspruch auf rechtliches Gehör i. S. d. Art. 103 Abs. 1 GG i. V. m. § 62 SGG (BSG, Beschluss v. 16.12.2010, B 8 SO 13/10 B). Das Gericht entscheidet mittels Freibeweises, ob das Ladungsschreiben zugegangen ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 10.6.2009, L 1 KR 615/07). Eine Ladung durch einfachen Brief setzt die "Bekanntgabe" voraus (§ 63 Abs. 1 Satz 2). Sofern nicht nachgewiesen werden kann, dass die Ladung dem Beteiligten zugegangen ist, ist diese mangels Bekanntgabe nicht ordnungsgemäß; eine auf die Ladung ergangene Entscheidung ist unter Verstoß gegen Grundsatz des rechtlichen Gehörs ergangen (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 27.5.2009, L 4 SB 44/09). Allerdings wird die Aufhebung und Zurückverweisung regelmäßig an § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG scheitern (vgl. die dortige Kommentierung).
Rz. 11
Die prozes...