Rz. 86

Die Formvorschrift des § 65a Abs. 7 ergänzt die Regelungen der Abs. 1 bis 6. Anwendbar ist sie, wenn die elektronische Kommunikation des Gerichts mit den Verfahrensbeteiligten in den jeweiligen Bundesländern und Gerichtsbarkeiten eingeführt ist. Systematisch ist Abs. 7 mit der Einbindung Zuordnung zu § 65a fehlplatziert. Anders als die Abs. 1 bis 6 betrifft Abs. 7 nicht den Übermittlungsweg zum Gericht (Eingang), befasst sich vielmehr mit elektronischen Dokumenten, die im Gericht zwecks Kommunikation mit den Beteiligten generiert werden (Ausgang). Anders als für den Posteingang ist der Postausgang nicht auf bestimmte Dateiformate reduziert (hierzu auch Müller, NZS 2018 S. 207, 211).

 

Rz. 87

Die Vorschrift ersetzt die nach anderen Vorschriften vorgeschriebene handschriftliche Unterzeichnung durch den Richter oder den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dadurch, dass auch die Aufzeichnung als elektronisches Dokument genügt, wenn die verantwortenden Personen am Ende des Dokuments ihren Namen hinzufügen und das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen (§ 65a Abs. 7 Satz 1). Dieser ersetzenden Form genügt auch ein elektronisches Dokument, in welches das handschriftlich unterzeichnete Schriftstück gemäß § 65b Abs. 6 Satz 4 übertragen worden ist (§ 65a Abs. 7 Satz 2). Als Praxisbeispiel sei das LSG Baden-Württemberg (Beschluss v. 17.9.2021, L 8 SB 1856/20; so auch Beschluss v. 23.7.2021,L 8 AL 3122/20; krit. hierzu Stäbler, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, § 65a Rz. 80) wie folgt zitiert: "Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht entgegen, dass der erstinstanzliche Gerichtsbescheid entgegen § 65a Abs. 7 Satz 1 SGG zwar mit einer qualifizierten elektronischen Signatur, nicht aber Ende mit dem Namen der verantwortenden Person, dem Namen des Kammervorsitzenden, versehen ist (vgl. hierzu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.06.2021, L 6 U 1890/19, nicht veröffentlicht). Der Gerichtsbescheid ist mit der Zustellung nach §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 133 Satz 2 SGG wirksam. Der Kammervorsitzende hat den Gerichtsbescheid vorliegend signiert und somit gemäß § 134 Abs. 1 SGG unterschrieben. Die fehlende Nennung des Namens des Kammervorsitzenden am Ende des Gerichtsbescheids macht diesen nicht zu einer sogenannten Scheinentscheidung (vgl. hierzu Keller in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Auflage, 2020, § 134 Rdnr. 2c sowie BVerfG, Dreierausschussbeschluss vom 17.01.1985, 2 BvR 498/84, Rdnr. 2f sowie BGH, Urteil vom 31.05.2007, X ZR 172/04, Rdnr. 12 beide juris). Die Entscheidung ist durch das Rubrum und die Signatur dem gesetzlich bestimmten Richter ohne jeden Zweifel zuzuordnen, da sie von ihm mit der erforderlichen richterlichen Willensäußerung signiert wurde und auch durch die Nennung des Namens des Kammervorsitzenden im Rubrum den Abgleich der Personenidentität ermöglicht."

 

Rz. 88

Ob eine handschriftliche Unterzeichnung vorgeschrieben ist, ergibt sich zum Teil ausdrücklich aus dem Gesetz. Ansonsten bedarf es einer Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Vorschrift. Wenn das Gesetz "Schriftlichkeit" vorschreibt, ist damit nicht zwangsläufig das Erfordernis einer handschriftlichen Unterzeichnung verbunden (vgl. BT-Drs. 15/4067 S. 38).

 

Rz. 89

Grundsätzlich ist eine einfache Signatur ausreichend, was aus einem Umkehrschluss zu § 65a Abs. 7 Satz 1 folgt (so zutreffend Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, § 65 Rz. 16a). Die volle Unterschrift am Ende des Dokuments, kombiniert mit einer qualifizierten elektronischen Signatur ist u. a. erforderlich bei Beweisanordnungen bzw. Beweisbeschlüssen, der Sitzungsniederschrift (Protokoll), urteilsersetzenden Beschlüssen (§§ 153 Abs. 4, 158) und sonstigen Beschlüssen (§ 142 Abs. 1 i. V. m. § 134 Abs. 1), Gerichtsbescheid (§ 105) und Urteil (§ 134 Abs. 1). Bei Spruchkörpern mit mehreren Berufsrichtern müssen dann alle unterzeichnenden Richter das Dokument jeweils mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen (BT-Drs. 15/4067 S. 31; weiterführend LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 17.9.2021, L 8 SB 1856/20, zitiert unter Rz. 87).

 

Rz. 90

Soll auf dem elektronischen Dokument des Gerichts ein Vermerk angebracht werden, kann dies zu erheblichen praktischen Problemen führen, denn ein qualifiziert signiertes Dokument darf um keinen Zusatz ergänzt werden, ohne die Signatur zu zerstören. Daher müssen Ergänzungen sowie Berichtigungen eines elektronischen Dokuments in einem gesonderten Dokument als Mehrfachsignatur festgehalten und dieses mit Ursprungsdokument untrennbar verbunden werden (hierzu auch Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, § 65a Rz. 17). Nachdem der erste mitwirkende Richter des Spruchkörpers das elektronische Dokument signiert hat, ist es änderungsfest. Es dürfen keine nachträglichen Korrekturen mehr vorgenommen werden, um die vorhergehende Signatur nicht zu zerstören. Selbst die Korrektur eines Zeichensetzungs- oder Rechtschreibfehlers durch den Vorsitzenden erfordert zwingend d...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge