Rz. 17
Deutlich werden muss, ab welchem Zeitpunkt die Frist zu laufen beginnt. Die ordnungsgemäße Bekanntgabe bzw. Zustellung des Verwaltungsaktes oder des Urteils ist Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 66; andernfalls läuft keine Frist (Zeihe, SGG, § 66 Rn. 5). Ist ein Widerspruchsbescheid zugestellt worden, muss auch die Rechtsbehelfsbelehrung auf die Zustellung abstellen (vgl. BSG, Urteil v. 9.12.2008, B 8/9b SO 13/07 R; BSG, Urteil v. 24.3.1993, 9/9a RV 17/92, SozR 3-1500 § 66 Nr. 2; Zeihe, a. a. O., Rn. 12a); der Wahl der Zustellung als besondere Form der Bekanntgabe muss auch in der Rechtsbehelfsbelehrung Rechnung getragen werden. Wird in dieser bei einem mittels eingeschriebenen Briefes zugestellten Widerspruchsbescheid angegeben, dass die Klage innerhalb eines Monats nach der "Bekanntgabe" des Widerspruchsbescheides erhoben werden kann, so ist die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig (BSG, Urteil v. 6.12.1996, 13 RJ 19/96, SozR 3-1500 § 66 Nr. 6; LSG Sachsen, Urteil v. 14.8.2002, L 1 KR 33/01). Wird ein Widerspruchsbescheid mit einfachem Brief bekanntgegeben, dann wird der Empfänger über die Rechtsbehelfsfrist hinreichend mit dem Hinweis belehrt, dass eine Klage innerhalb eines Monats "nach seiner Bekanntgabe" zu erheben ist (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 25.10.2010, L 2 R 556/10 B). Im Hinblick auf die Unbestimmtheit des Begriffs "Bekanntgabe" ist in diesem Fall zusätzlich zu fordern, dass auf den Inhalt des § 37 Abs. 2 SGB X hingewiesen wird, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post im Geltungsbereich des SGB übermittelt wird, mit dem 3. Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt (offen gelassen von BSG, Urteil v. 6.12.1996, 13 RJ 19/96, SozR 3-1500 § 66 Nr. 6; zu den Schwierigkeiten der Formulierung: Zeihe, SGG, § 66 Rn. 13i). Die Zugangsvermutung des § 37 Abs. 2 SGB X wiederum setzt voraus, dass der Tag der Aufgabe des Schreibens zur Post nachweisbar ist. Steht dieser Tag nicht fest, läuft die Widerspruchsfrist nicht (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 30.9.2010, L 1 AL 122/09, NZS 2011 S. 196). Ferner muss die genaue Dauer der einzuhaltenden Frist angegeben werden. Jede Abweichung von der gesetzlich vorgesehenen Frist, gleichgültig ob fristverkürzend oder fristverlängernd, führt zur Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung (BSG, Urteil v. 28.5.1991, 13/5 RJ 48/90, SozR 3-1500 § 66 Nr. 1). Die gesetzlichen Rechtsbehelfsfristen sind nicht disponibel, die Verfahrensbeteiligten oder das Gericht können eine Frist nicht abweichend von den gesetzlichen Vorgaben festsetzen. Für die Fristeinhaltung kommt es nicht auf die Übergabe an die Post, sondern auf den Eingang bei der zuständigen Stelle an. Die Fristberechnung im Einzelnen ist Sache des Beteiligten. Dementsprechend müssen ihm keine Einzelheiten des § 64 SGG mitgeteilt werden.
Rz. 18
Die in deutscher Sprache richtig erteilte Rechtsmittelbelehrung setzt die Rechtsmittelfrist auch gegenüber Ausländern in Lauf (BSG, Urteil v. 22.10.1986, 9a RV 43/85, SozR 1500 § 61 Nr. 1). Dies gilt selbst dann, wenn sie der deutschen Sprache unkundig sind (BSG, Beschluss v. 16.11.1978, 3 BK 13/78, USK 78 130).