Rz. 20
Ein Beteiligter ist bedürftig, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten für eine Prozessvertretung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Bei der Ermittlung des Einkommens werden alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert berücksichtigt (§ 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Der Einkommensbegriff des § 115 Abs. 1 Satz 2 knüpft an den sozialhilferechtlichen Einkommensbegriff des § 82 SGB XII an (BGH, Beschluss v. 30.9.2009, XII ZB 135/07). Hierzu gehören grundsätzlich auch Einkünfte, die aus zweckgerichteten öffentlich-rechtlichen Zuwendungen stammen, sofern nicht eine Ausnahme von der Einkommensberücksichtigung gesetzlich geregelt ist (BGH, Beschlüsse v. 20.5.2020, XII ZB 537/19, und v. 9.12.2020, XII ZB 191/19). Danach werden auch Sozialleistungen wie z. B. das Kindergeld (BGH, Beschluss v. 14.12.2016, XII ZB 207/15), das Wohngeld, die Ausbildungsförderung, Renten sowie die unterhaltssichernden Leistungen nach dem SGB II (BGH, Beschlüsse v. 5.5.2010, XII ZB 65/10, und v. 8.1.2008, VIII ZB 18/06; vgl. auch BT-Drs. 17/11472 S. 30) und dem SGB XII miteinbezogen (zur Berücksichtigung von Schmerzensgeldzahlungen: VG Freiburg, Beschluss v. 28.10.2010, 5 K 989/10), jedoch nicht Elterngeld (BGH, Beschluss v. 20.5.2020, XII ZB 537/19). Wird Prozesskostenhilfe von Personen beantragt, die keine Sozialhilfe beziehen, muss dargelegt und glaubhaft gemacht werden, wie der Lebensunterhalt finanziert wird. Auch freiwillige Zuwendungen Dritter sind grundsätzlich anzugeben und dem Einkommen hinzuzurechnen, wenn sie regelmäßig und in nennenswertem Umfang gewährt werden. Bei freiwilligen Leistungen Dritter müssen etwa eidesstattliche Versicherungen der Dritten über Umfang und Grund der Hilfeleistung vorgelegt werden. Diese Grundsätze gelten gleichermaßen, wenn im Prozesskostenhilfeverfahren geltend gemacht wird, für den Lebensunterhalt Zuwendungen von wechselnden Personen in unterschiedlicher Höhe zu erhalten. Auch dabei handelt es sich um Einkünfte in Geld i. S. v. § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO, wenn die von einem Antragsteller im Prozesskostenhilfeverfahren beziffert angegebenen Einkünfte auch für einen noch so bescheidenen Lebensunterhalt nicht ausreichen, die Vermutung gerechtfertigt ist, dass bestimmte Einkünfte nicht angegeben sind. Diese Vermutung muss der Antragsteller ausräumen (BGH, Beschlüsse v. 27.11.2018, X ZA 1/17, und v. 27.7.2021, XI ZA 1/21). Grundsätzlich werden bei der Ermittlung des nach § 115 ZPO anzusetzenden Einkommens keine fiktiven Einkünfte zulasten des Antragstellers berücksichtigt. Im Einzelfall sind fiktive Einkünfte einem Antragsteller zuzurechnen, wenn er es vorsätzlich oder offenkundig leichtfertig unterlässt, eine tatsächlich bestehende und zumutbare Erwerbsmöglichkeit zu nutzen, und ihm die Beseitigung der Bedürftigkeit somit ohne weiteres möglich wäre (BGH, Beschluss v. 30.9.2009, XII ZB 135/07).
Rz. 21
Vom Einkommen abzusetzen sind die in § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO genannten Beträge. Dies sind zunächst die in § 82 Abs. 2 SGB XII aufgeführten Beträge, insbesondere Steuern und Versicherungsbeiträge (§ 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a ZPO), sodann die an den Regelsätzen orientierten Beträge für den Lebensbedarf des Beteiligten, seines Ehegatten/Lebenspartners und weiterer Unterhaltsberechtigter (§ 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 Buchst. a und b ZPO, einschließlich eines Erwerbstätigenfreibetrags nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b ZPO sowie eines Mehrbedarfs wegen Alters (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO). Der Erwerbstätigenfreibetrag soll pauschaliert die erhöhten Aufwendungen ausgleichen, die einem aktiv im Arbeitsleben stehenden Arbeitnehmer entstehen (BT-Drs. 17/13538 S. 263). Die Regelung des Erwerbstätigenfreibetrags ist nicht entsprechend auf die Mehraufwandsentschädigung einer Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II (1 Euro-Job) anwendbar (LSG Sachsen-Anhalt, Beschlüsse v. 3.9.2020, L 2 AS 803/18, und v. 15.4.2011, L 5 As 364/10 B ER). Das Bundesministerium der Justiz gibt nach § 115 Abs. 1 Satz 5 ZPO jährlich die vom 1.7. bis zum 30.6. des Folgejahres maßgeblichen Beträge (Prozesskostenhilfebekanntmachung – PKHB) bekannt. Die Unterhaltsfreibeträge nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO vermindern sich nach § 115 Abs. 1 Satz 8 ZPO um eigenes Einkommen der unterhaltsberechtigten Person. Wird der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht durch Sachleistungen, sondern durch Zahlung einer Geldrente genügt, tritt sie an die Stelle des Freibetrages, soweit dies angemessen ist (§ 115 Abs. 1 Satz 9 ZPO). Ebenso wie zur Bestimmung des nach § 115 ZPO einzusetzenden Einkommens ist bei der Bemessung der Absetzbeträge auf die die Abzugsbeträge nach § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII konkretisierende Rechtsverordnung (Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII) zurückzugreifen (BGH, Beschlüsse v. 13.6.2012, XII ZB 658/11, und v. 8.8.2012, XII ZB 291/11). Abzusetzen sind ferner nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO die Kosten der Unterkunft und Heizung...