Rz. 29
Um das Verfahren in sog. Massenverfahren zu vereinfachen, in denen etwa bei Zuständigkeitsstreit zwischen Krankenkassen und der damit grundsätzlich erforderlichen Beiladung aller möglicherweise betroffenen Arbeitnehmer eine größere Personenzahl notwendig i. S. d. § 75 Abs. 2 1. Alt. beizuladen ist, wurde durch das 6. SGGÄndG (BGBl. I S. 2144) zum 2.1.2002 die Vorschrift des § 75 Abs. 2a eingefügt. Nach der Rechtsprechung des BSG konnte eine an sich notwendige Beiladung ausnahmsweise unterbleiben, wenn sie wegen der großen Zahl der Beigeladenen praktisch undurchführbar war (BSG, Urteil v. 6.11.1985, 8 RK 73/84, SozR 1500 § 75 Nr. 56).
Rz. 30
Mit Abs. 2a hat der Gesetzgeber eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, dass in diesen Fällen einerseits allen potentiell Betroffenen die Möglichkeit der Beteiligung eröffnet wird, andererseits der Kreis der Beteiligten durch eine präkludierende Frist begrenzt wird. Das nunmehr vorgesehene Procedere ist zwar stark formalisiert und wird gelegentlich zu erheblichen Verzögerungen des Verfahrens führen (vgl. Kummer, SGb 2001 S. 705, 711), kann aber dennoch die Handhabbarkeit der Beiladung in diesen Fällen erleichtern.
Rz. 31
Voraussetzung ist, dass bei vorausschauender Betrachtungsweise mehr als 20 Personen nach § 75 Abs. 2 Alt. 1 beizuladen sind. Das Gericht kann nach § 75 Abs. 2a durch Beschluss anordnen, dass nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten vom Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen festgelegten Frist beantragen. Der unanfechtbare Beschluss ist gemäß § 75 Abs. 2a Satz 3 und 4 im Bundesanzeiger sowie in im gesamten Bundesgebiet verbreiteten Tageszeitungen zu veröffentlichen. Soweit in der bis zum 31.3.2012 geltenden Fassung des Abs. 2a Satz 3 vorgeschrieben war, den Beschluss im elektronischen Bundesanzeiger bekanntzumachen, entfällt der Zusatz "elektronischen" ab dem 1.4.2012 (vgl. Rz. 2). Dem liegt zugrunde, dass das Verkündungs- und Bekanntmachungswesen des Bundes durch das BAnzDiG für die Verkündungen und Bekanntmachungen im Bundesanzeiger auf eine ausschließlich elektronische Form umgestellt wird. Dazu wird der bisherige gedruckte Bundesanzeiger eingestellt und der bisherige elektronische Bundesanzeiger als ausschließlich elektronisches Verkündungs- und Bekanntmachungsorgan unter der Bezeichnung "Bundesanzeiger" weitergeführt. Die Beibehaltung der bisher für den gedruckten Bundesanzeiger verwendeten Bezeichnung soll verdeutlichen, dass die Funktion eines Bekanntmachungs- und Verkündungsorgans dieselbe bleibt und sich "nur" das Medium ändert (BT-Drs. 320/11 S. 24). Auf den bisherigen elektronischen Bundesanzeiger verweisende Regelungen sind daher nicht mehr erforderlich. Alle Hinweise auf den "Bundesanzeiger" werden ab Inkrafttreten des BAnzDiG zu Hinweisen auf den Bundesanzeiger im Internet, wenn sie weiterhin für neue Verkündungen oder Bekanntmachungen von Bedeutung sind (BT-Drs. 320/11 S. 38).
Rz. 31a
Zusätzlich kann die Bekanntgabe in einem vom Gericht hierfür bestimmten Informations- und Kommunikationssystem erfolgen (§ 75 Abs. 2a Satz 5). Die Frist zur Antragstellung muss mindestens drei Monate seit Bekanntgabe des Beschlusses betragen (§ 75 Abs. 2a Satz 6). Es kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden (§ 75 Abs. 2a Satz 8). Der Tag des Fristablaufs ist nach § 75 Abs. 2a Satz 7 im Beschluss anzugeben. Der Hinweis auf eine 3-Monatsfrist zur Antragstellung seit Bekanntgabe genügt nicht (Leitherer, SGG, § 75 Rn. 11g). Mit diesen besonderen Anforderungen sollen die Rechte der Betroffenen gesichert werden (BR-Drs. 132/01 S. 52). Angesichts der Rechtskrafterstreckung auf die Personen, die keinen fristgerechten Antrag auf Beiladung gesellt haben (§ 141 Abs. 1 Nr. 2 SGG), kommt der Belehrung im Beschluss besondere Bedeutung zu. Ungeachtet des Beschlusses sollen nach § 75 Abs. 2a Satz 9 weiterhin solche Personen beigeladen werden, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen sind.